Suzumiya Haruhi:Band4 Kapitel6

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Kapitel 6[edit]

Schrapp, schrapp

Ein schabendes Geräusch drang an mein Ohr.

Als mein Bewusstsein langsam aus der Dunkelheit zurückkehrte, begann mein Verstand mühsam wieder zu arbeiten.

Vielleicht war es nur ein Traum gewesen. Ausgehend von dem, woran ich mich erinnerte, schien es ein sehr interessanter Traum gewesen zu sein. Normalerweise findet man einen Traum nach dem aufwachen etwa fünf Minuten lang interessant. Aber wenn man erstmal mit dem Zähneputzen beginnt, fangen die Details an zu verschwimmen, und bis das Frühstück fertig ist, hat man ihn vollständig vergessen. Bis dir das klar wird, ist das einzige, was dir im Gedächtnis geblieben ist. Der Eindruck: "Das war wirklich ein interessanter Traum." Ich habe diese Erfahrung schon oft gemacht.

Dann gab es wiederum auch Träume, die ich überhaupt nicht interessant fand aber ihre Details waren kristallklar und brannten sich für einige Zeit in mein Gedächtnis. Möglicherweise waren das traumartige Erlebnisse, wie in der Nacht, in der ich mit Haruhi in der versiegelten Dimension gefangen war, also Ereignisse, die wirklich geschehen waren, aber von meinem Unterbewusstsein als nicht existent betrachtet wurden.

Das war das Erste, was mir in den Sinn kam, als ich meine Augen öffnete.

Die Decke war weiß; also ich war nicht in meinem Zimmer. Das orangefarbene Sonnenlicht tauchte die Wände, die genauso weiß waren wie die Decke, in alle möglichen Farben. Ich fragte mich, ob es Morgen oder Abend war.

"Oh Mann."

Für ein Bewusstsein, das gerade erst wieder zurückkehrte, klang diese Stimme so angenehm wie die Kirchenglocken für einen treuen Gläubigen.

"Du bist endlich aufgewacht. Anscheinend hast du ziemlich gut geschlafen."

Ich drehte meinen Kopf, um zu sehen, wem die Stimme gehörte. Der Kerl saß auf einem Stuhl neben meinem Bett und schälte mit einem Küchenmesser einen Apfel. Schrapp, schrapp - die Haut des Apfels löste sich sauber ab und hing nach unten.

"Normalerweise würde ich ja guten Morgen sagen, aber die Sonne geht gerade unter."

Koizumi Itsuki präsentierte sein freundliches Lächeln.

Er legte die geschälten Äpfel auf das Tablett und stellte es auf den Tisch neben dem Bett. Dann holte er einen weiteren Apfel aus einer Papiertüte und sagte lächelnd:

"Gott sei Dank bist du endlich wieder aufgewacht. Ich wusste wirklich nicht, was ich machen sollte. Ah ... du schaust recht verwirrt drein. Erkennst du mich?"

"Das wollte ich dich gerade fragen. Weißt du wer ich bin?"

"Was für eine seltsame Frage. Natürlich weiß ich das."

Es war nicht schwer zu erkennen welcher Koizumi dieser war, ein Blick auf die Uniform genügte.

Er trug einen marineblauen Anzug und nicht die schwarze Gakuran Uniform.

Es war die Uniform der North High.

Einer meiner Arme schaute unter der Decke hervor. Darüber hing ein Beutel, die eine Flüssigkeit in ihn injizierte. Ich betrachtete das Ding und fragte:

"Welchen Tag haben wir heute?"

Koizumi zeigte einen Gesichtsausdruck, der, zumindest für seine Verhältnisse, Überraschung ausdrückte.

"Ist das die erste Frage, die du seit deinem aufwachen gestellt hast? Es scheint, dass du weißt, in welcher Situation du dich befindest. Aber um zur Antwort zu kommen, es ist jetzt nach fünf Uhr nachmittags am 21. Dezember."

"Der Einundzwanzigste, was?"

"Ja, heute ist der dritte Tag seitdem du ins Koma gefallen bist."

Der dritte Tag? Koma?

"Wo sind wir hier?"

"In einem Privatkrankenhaus."

Ich schaute mich um. Es war ein eindrucksvolles Einzelbettzimmer und in dem Bett schlief ich. Damit ich tatsächlich ein Einzelbettzimmer bekam, musste meine Familie ziemlich reich sein, und ich hatte es nie gewusst.

"Ein Freund meines Onkels ist der Leiter dieses Krankenhauses, deswegen bekamst du eine Sonderbehandlung, als du hier aufgenommen wurdest."

Anscheinend ist meine Familie doch nicht reich.

"Nun, dank der Unterstützung der Organisation könntest du hier ein Jahr lang billig bleiben, ohne dass irgendwelche Fragen gestellt würden. Trotzdem bin ich erleichtert, dass du nur drei Tage gebraucht hast, um wieder aufzuwachen. Nein, nein, es geht nicht ums Geld. Meine Vorgesetzten haben mich regelrecht dafür auseinandergenommen, dass sowas passieren konnte, während du unter meiner Aufsicht standest, und ich muss sogar extra einen Brief schreiben, um meine Reue auszudrücken."

Drei Tage vor dem einundzwanzigsten war der achtzehnte. Was hatte ich an diesem Tag gemacht? ... Ah, ich erinnere mich. Ich stand wegen des hohen Blutverlusts kurz vor dem Tod, und deshalb haben sie mich ins Krankenhaus gebracht ... Nein, Moment, da stimmt irgendwas nicht.

Ich blickte unruhig auf die Krankenhauskleidung, die ich trug und legte dann meine Hand auf meine rechte Bauchseite.

Ich konnte nichts fühlen. Normalerweise würde sich eine Wunde taub anfühlen, aber es kratzte nicht mal. Es war unmöglich, sich in drei Tagen von so einer Verletzung zu erholen, es sei denn, jemand hätte mich von Grund auf wieder zusammengeflickt.

"Warum wurde ich ins Krankenhaus eingeliefert? Wegen meines Komas?"

"Also hast du es vergessen. Nun, ich denke, dafür kann ich dir nicht die Schuld geben, immerhin hast du einen ziemlich schweren Schlag auf den Kopf bekommen."

Ich fasste an meinen Kopf. Ich konnte nur mein Haar fühlen, da waren weder Verbände noch ein Schutznetz.

"Das Erstaunliche ist, dass du weder äußerliche Verletzungen, noch innere Blutungen davongetragen hast. Deine Hirnfunktionen waren auch ganz normal. Selbst der behandelnde Arzt war perplex. Sie wussten nicht, was mit dir los war."

"Aber", fuhr Koizumi fort:

"Wir haben mitbekommen, wie du die Treppe runtergefallen bist. Es sah wirklich übel aus. Um ehrlich zu sein, glaube ich, dass jedem von uns der Schrecken ins Gesicht geschrieben stand. Das Geräusch als du auf dem Boden aufgeschlagen bist war so laut, dass ich nicht überrascht gewesen wäre, wenn du nie wieder zu dir gekommen wärst. Willst du wissen, was passiert ist?"

"Schieß los."

Angeblich bin ich, als ich die Treppen des Clubraumgebäudes hinuntergestiegen bin, wohl gestolpert oder etwas in der Art. Jedenfalls bin ich einfach runtergestürzt und mit meinem Kopf auf den Boden gelandet. Krach! Danach rührte ich mich nicht mehr.

Die Art, wie Koizumi es beschrieb, klang so, als ob es wirklich passiert wäre.

"Danach ging es ganz schön chaotisch zu. Wir mussten einen Krankenwagen rufen und dich Bewusstlosen ins Krankenhaus bringen. Suzumiya-sans Gesicht war total blass, es war das erste Mal, dass ich sie so gesehen habe. Oh, diejenige, die den Krankenwagen gerufen hat, war Nagato-san. Es war ihre Ruhe, die dein Leben gerettet hat."

"Wie hat Asahina-san reagiert?"

Koizumi zuckte mit den Achseln und sagte:

"Sie verhielt sich so wie man es erwarten würde. Sie klammerte sich an dich und schrie weinend immer wieder deinen Namen."

"Wann am achtzehnten ist das alles passiert? Welche Treppe war es?"

Ich stellte meine Fragen beinahe pausenlos hintereinander, da der achtzehnte der Tag war, an dem sich die Welt dramatisch verändert hatte, und ich geriet in Panik.

"Du hast selbst das vergessen? Es war kurz nach Mittag, direkt nachdem die SOS Brigade ihr Treffen beendet hatte. Es ist passiert, als wir fünf gerade loswollten, um etwas einzukaufen."

Etwas kaufen?

"Nichtmal daran kannst du dich erinnern? Du täuschst die Amnesie doch nicht nur vor, oder?"

"Egal, fahr bitte fort."

Das Lächeln von Koizumis Lippen wurde freundlich.

"Auf der Tagesordnung stand die Frage ... hm ... was wir an Weihnachten unternehmen wollten. Suzumiya-san erzählte von einer Party für kleine Kinder, die in der Nähe ihrer Wohnung stattfinden wird und beschloss, dass die SOS-Brigade einen Gastauftritt hinlegen sollte. Damit wollte sie sicherstellen, dass Ashina-sans Santa-Kostüm zum Einsatz kommt. Sie sollte sich als wunderschöne Weihnachtsfrau verkleiden und Geschenke an die Kinder verteilen. Diese frohe Veranstaltung wurde komplett von Suzumiya-san geplant."

Da haben wir es wieder: dieses Mädchen kann sowas von rücksichtslos sein!

"Aber es wäre nicht realistisch, nur eine Weihnachtsfrau zu haben. Daher beschloss Suzumiya-san, dass eines der Mitglieder sich als Rentier verkleiden und Asahina-san auf die Bühne tragen sollte. Am Ende mussten wir Lose ziehen … Was denkst du, wer der glückliche Gewinner war? Erinnerst du dich jetzt?"

Ich habe überhaupt keine Erinnerung an das alles. Wenn sich jemand an etwas erinnern könnte, das in seinem Gedächtnis gar nicht existiert, dann wäre er ein beeindruckender Lügner. Er hätte dann in ein anderes Krankenhaus eingeliefert werden sollen. Aber es war sinnlos, Koizumi das zu erklären.

"Schon gut. Jedenfalls bist du der Glückliche gewesen. Da wir ein Rentierkostüm für dich brauchten, mussten wir los, um einige Materialien zu kaufen, und als wir die Treppe runterstiegen, bist du gestürzt."

"Das klingt für mich echt dämlich."

Als er mich das sagen hörte, zog Koizumi seine Augenbrauen hoch.

"Da du hinter uns warst, hat keiner wirklich gesehen, wie du gestürzt bist. Wir haben dich nur etwa so von der Seite fallen gesehen." Koizumi stellte es bildlich dar, indem er den Apfel von seiner rechten Hand fallen lies, ehe er ihn mit der linken auffing. "Du hast dich im Prinzip ein- ums anderemal überschlagen."

Koizumi fuhr damit fort, den Apfel zu schälen.

"Wir sind schnell zu dir gerannt, da du dich nichtmehr gerührt hast. Suzumiya-san sagte, sie hätte das Gefühl gehabt, dass jemand am oberen Ende der Treppe gewesen sei. Sie hat jemandes Rock dort an der Ecke gesehen, aber dann verschwand er. Ich fand das auch seltsam und forschte deswegen etwas nach. Zu diesem Zeitpunkt befand sich außer uns niemand im Gebäude. Selbst Nagato-san schüttelte ihren Kopf. Dieses Mädchen ist wie ein Geist verschwunden. Wir haben die ganze Zeit darauf gewartet, dass du aufwachst, damit wir dich fragen können, wer dich geschubst hat..."

Daran erinnerte ich mich nicht. Zu diesem Zeitpunkt war das wohl die passendste Antwort. Es war nur ein normaler Unfall. Ich hatte nicht aufgepasst, ich kann nur sagen, Pech für mich. Ich denke, ich werde es dabei belassen.

"Bist nur du gekommen, um mich zu besuchen?"

Wo war Haruhi? Ich wollte fragen, tat es letztendlich aber dann doch nicht. Trotzdem kicherte Koizumi und sagte: "Du hast dich die ganze Zeit umgeschaut. Suchst du jemanden? Mach dir keine Gedanken, wir haben uns damit abgewechselt, nach dir zu schauen. Bevor du die Augen geöffnet hast, war immer jemand an deiner Seite. Ich denke, Asahina-san müsste gleich kommen."

Koizumis Blick verunsicherte mich; er wirkte, als würde er gerade einen Freund treffen, der seinen Aprilscherz tatsächlich ernst genommen hatte, und nun fehlten ihm die Worte. Worauf wollte er hinaus?

"Oh, es ist wirklich nichts. Ich bin nur eifersüchtig auf dich. Man könnte sagen, das war ein neidischer Blick."

Warum sagst du das zu einem Patienten, der sich den Kopf gestoßen hat?

"Während wir gewöhnlichen Mitglieder uns abwechseln mussten, um auf dich aufzupassen, betrachtet es die Kommandantin als Teil ihrer Aufgabe, sich um die Sicherheit ihrer Mitglieder zu sorgen."

Koizumi schälte elegant die gesamte Haut von dem Apfel, und baute dann daraus eine Kaninchenfigur, bevor er es auf das Tablett auf dem Nachttisch stellte.

"Suzumiya-san ist die ganze Zeit hier gewesen. Seit drei Tagen hat sie diesen Ort nicht verlassen.

Ich drehte mich zur anderen Seite des Betts, wo Koizumis Finger hinzeigte.

"..."

Und da war sie.

Eng in einen Schlafsack gehüllt lag da Haruhi, die mit leicht geöffnetem Mund vor sich hindöste.

"Wir haben uns alle Sorgen um dich gemacht, sowohl sie als auch ich."

Er klang so traurig, dass ich mich fühlte, wie in einer Seifenoper.

"Du hättest sehen sollen, wie verzweifelt Suzumiya-san ausgesehen hat ... Nein, heben wir uns das für nächstes Mal auf. Gibt es da nicht etwas, das du jetzt machen solltest?"

Warum will mich eigentlich jeder herumkommandieren? Das war schon bei Asahina-san (groß) so gewesen und nun auch noch Koizumi... Aber ich nahm ihnen das nicht übel. Und es konnte mir nicht gleichgültiger sein, ob diese von Koizumi geschälten Äpfel ein Opfer für irgendeine Gottheit waren.

"Ja", sagte ich.

Ich hatte wirklich Lust, etwas auf ihr Gesicht zu malen. Vielleicht werde ich nächstes Mal genug Zeit haben, das zu tun.

Ich setzte mich auf und streckte meinen Arm aus, um ihr verärgert wirkendes Gesicht zu berühren.

Ihr Haar war noch nicht lang genug, um daraus einen Pferdeschwanz zu flechten. Ich dachte kurz nostalgisch an ihr langes Haar. Wie um mich zu ärgern, begann sich ihr kurzes Haar plötzlich zu bewegen.


Haruhi war aufgewacht.


"... Umm ... hmm?“

stöhnte Haruhi, während sie sich abmühte ihre Augen zu öffnen, und als ihr klarwurde, wer da gerade in ihr Gesicht zwickte...

"AH?!"

Sie versuchte auf einmal aufzuspringen, aber scheiterte dabei kläglich, da sie vergessen hatte, dass sie den Schlafsack zugemacht hatte, und daher rollte und kroch sie wie eine Raupe herum. Schließlich gelang es ihr, sich aus dem Schlafsack zu befreien, nur um dann mit dem Finger auf mich zu zeigen und zu fluchen:

"Verdammt Kyon! Warum konntest du mir nicht Bescheid sagen, bevor du aufwachst? Ich war nicht mental darauf eingestellt!"

Da verlangst du das Unmögliche. Trotzdem, dich herumschreien und fluchen zu sehen, ist für mich wirkungsvoller als jede Medizin.

"Haruhi."

"Was?"

"Wisch dir deinen Sabber ab."

Haruhis Gesicht zitterte eine Weile, dann wischte sie sich über den Mund und blickte mich dann mit ihrem finsteren Blick an:

"Du... Bist du sicher, dass du nichts auf mein Gesicht gemalt hast?"

Ich hatte nicht übel Lust dazu.

"Hmph. Nun, hast du mir nichts zu sagen?"

Ich gab ihr die Antwort die sie wohl erwartete:

"Es tut mir leid, dass ich dir Sorgen bereitet habe."

"Nun, ich bin froh, dass es das tut. Schließlich ist es eine der Aufgaben eines Kommandanten, sich um das Wohlergehen seiner Brigademitglieder zu sorgen."

Haruhis Gefluche klang wie himmlischer Gesang. In diesem Moment kam ein leises Klopfen von der Tür. Koizumi stand instinktiv auf und öffnete die Tür.

Als mich der dritte Besucher von draußen auf dem Flur sah, folgte:

"Ah, ahhh, aaahhhh ..."

Sie fuhr noch eine Zeitlang fort, überwältigt klingende Geräusche von sich zu geben. Diejenige, die dort mit einer Vase in der Hand stand, war niemand anderes als das Schulmädchen aus dem zweiten Jahrgang der North High mit ihrem langen Haar, süßem kindlichen Gesicht und einer schlanken aber wohlgeformten Figur.

"Hey... Asahina-san, wie geht’s?"

Ich war nicht sicher ob ich "Lange nicht gesehen" sagen sollte, da ich nicht wusste, ob das stimmte.

"Schnief..."

Tränen begannen, aus Asahina-sans Augen zu tröpfeln.

"Gott sei Dank ... Oh ... Gott sei Dank ..."

Ich wollte sie wirklich wie letztes Mal umarmen, und wer weiß, vielleicht dachte sie das Gleiche. Allerdings schien es, als hätte sie vergessen, die Vase abzustellen und stand nur weinend da.

"Übertreibst du nicht etwas? Er hat sich nur den Kopf gestoßen und ist bewusstlos geworden. Ich wusste von Anfang an, dass Kyon nicht für alle Ewigkeit so weiterschlafen würde."

Eine Spur Dankbarkeit war aus Haruhis Stimme herauszuhören, und sie fuhr ohne mich auch nur anzuschauen fort:

Koizumi fing an zu kichern, Asahina-sans riesige Tränen kullerten unaufhörlich zu Boden und Haruhi wandte ihr Gesicht ab. Auf den ersten Blick sah es so aus, als wäre sie wütend.

"Wie ich bereits gesagt habe, arbeitet die SOS Brigade ohne Unterlass 365 Tage im Jahr. Niemand darf sich einen Tag freinehmen. Ich werde niemals eine lahme Ausrede, wie sich den Kopf gestoßen zu haben und im Koma zu liegen gelten lassen, nur damit man sich krankschreiben lassen kann, absolut niemals. Hast du das verstanden, Kyon? Der Preis dafür, drei Tage ohne Erlaubnis abwesend zu sein, ist äußerst hoch! Nicht nur ein einfaches Bußgeld, sondern auch noch eine Versäumnisgebühr oben drauf!"

Koizumi fing an zu kichern, Asahina-sans riesige Tränen kullerten unaufhörlich zu Boden und Haruhi wandte ihr Gesicht ab. Auf den ersten Blick sah es so aus, als wäre sie wütend.

Ich schaute sie an, dann nickte ich mit dem Kopf und zuckte mit den Schultern.

"Also gut, wie viel muss ich einschließlich der Versäumnisgebühr insgesamt bezahlen?"

Haruhi blickte mich an, wobei das Lächeln auf ihrem Gesicht derart strahlte, dass man kaum glauben mochte, dass sie eben noch wütend gewesen war. Sie hat wirklich ein sehr schlichtes Gemüt.

Letztendlich wurde beschlossen, dass ich an drei aufeinanderfolgenden Tagen für jeden die Rechnung im Cafe bezahlen sollte. Während ich darüber nachdachte, ob ich mein Anlagekonto auflösen sollte...

"Eines noch ..."

Noch mehr?

"Japp, ich hab immer noch keine Entschädigung für die ganzen Traumas, die du verursacht hast. Ah ja, Kyon, du könntest dich auf unserer Weihnachtsfeier als Rentier verkleiden und ein paar spektakuläre Kunststücke aufführen. Du musst solange weitermachen, bis du uns alle zum Lachen gebracht hast! Wenn es zu langweilig ist, werde ich dich in eine alternative Dimension treten müssen! Dasselbe gilt auch für die Kinderparty. Hast du verstanden?!"

Mit einem Blick der so strahelnd war, wie das Licht von einem Prisma, begann Haruhi wieder einmal, mich herumzukommandieren.



Obwohl ich wieder bei Bewusstsein war, hieß das noch lange nicht, dass ich gleich aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Nachdem der Arzt gekommen war, um einen Blick auf mich zu werfen, wurde ich herumgeschickt, um an allen möglichen Maschinen untersucht zu werden; das war so kompliziert und nervig, dass ich das Gefühl bekam, sie wollten einen Cyborg aus mir machen. Nachdem ich den ganzen Tag damit verbracht hatte, mich auf alle möglichen Arten körperlich untersuchen zu lassen, musste ich die Nacht wieder im Krankenhaus verbringen. Für mich würde diese Nacht eigentlich meine erste im Krankenhaus sein, und da ich noch nie in einem Krankenhaus gewesen war, konnte ich die Erfahrung wenigstens genießen.

Haruhi, Koizumi und Asahina-san wollten gerade gehen, als meine Mutter und meine Schwester das Zimmer betraten. Haruhi wirkte sehr zuvorkommend, als sie mit ihnen sprach, ich wusste gar nicht, dass sie so höflich sein kann, daher kam das wirklich überraschend.

Während ich mit meiner Mutter und meiner Schwester redete, ging mir einiges durch den Kopf.

Wenn es so weitergegangen wäre, wie zuvor, was wäre dann als nächstes passiert? Nagato, Koizumi und Asahina-san wären nur ganz normale Menschen ohne jegliche übernatürliche Fähigkeiten. Nagato wäre ein stiller Bücherwurm vom Literaturclub, Asahina-san wäre eine unerreichbare Schönheit eines höheren Jahrgangs, während Koizumi ein ganz normaler Schulwechsler an einer anderen Schule gewesen wäre.

Und Haruhi wäre vermutlich nur eine exzentrische High-School-Schülerin.

Möglicherweise konnte man auch mit dieser Besetzung eine interessante Geschichte schreiben. Es gäbe keinen Grund mehr, die Wahrheit dieser Welt zu lernen, noch müsste man sich Sorgen wegen irgendwelcher Veränderungen machen. Es wäre nur eine ganz normale Geschichte ohne Bezug zu dieser außer Kontrolle geratenen Welt.

Ich würde in dieser Geschichte wahrscheinlich überhaupt keine Rolle spielen. Alles, was ich tun könnte, wäre, friedlich mein normales High School Leben zu führen und ohne Zwischenfälle meinen Abschluss zu machen.

Mit welcher Welt wäre ich wohl glücklicher?

Ich glaube, ich kenne die Antwort darauf jetzt.

Nur in dieser "jetzigen Welt“ konnte ich glücklich sein. Warum hätte ich sonst mein Leben riskiert, nur um in diese Welt zurückzukehren?

Was ist mit dir? Welche Welt würdest du wählen? Ich bin mir sicher, dass die Antwort ziemlich offensichtlich wäre. Oder bin ich der Einzige, der so denkt?



Nachdem meine Familie nach Hause gegangen war und die Lampen auf der Krankenstation ausgemacht worden waren, konnte ich nur noch die Decke anstarren. Da ich nichts Besseres zu tun hatte, beschloss ich, meine Augen zu schließen.

Die letzten drei Tage, zumindest in dieser Welt, hatte ich, wie man mir gesagt hatte, die ganze Zeit geschlafen.

In diesem Fall...

Da die Welt so geworden war, musste sie wieder verändert worden sein.

Diese Welt war bereits zweimal verändert worden. Die von Nagato veränderte Welt war wieder zu der richtigen Welt, wie sie jetzt war, geworden. Wer also hatte die zweite Veränderung ausgelöst?

Haruhi konnte es nicht gewesen sein. Während dieser drei Tage hatte sie keine solchen Kräfte, und die Haruhi dieser Welt wusste nicht einmal, dass die Welt sich verändert hatte.

Wer konnte es dann gewesen sein?

Mein Leben zu retten, indem sie Asakuras Klinge mit der bloßen Hand auffing, es gab nur eine Person, die dazu in der Lage war.

Und das war Nagato.

Außerdem hatte ich, bevor ich das Bewusstsein verloren hatte, zwei Asahina-sans gesehen. Die zweite war nicht die erwachsene Asahina-san, sondern mein Senpai gewesen. Das war keine andere als die süße Schülerin eines höheren Jahrgangs aus der Zukunft, die mir so vertraut war.

Da war noch jemand gewesen, die mysteriöse Stimme, die am Ende zu mir gesprochen hatte. Ich wusste, dass ich diese Stimme schon mal gehört hatte

Ich versuchte, mir in Erinnerung zu rufen, wer es war, aber ziemlich schnell wurde mir klar, dass ich mich dazu gar nicht anstrengen musste.

Es war meine eigene Stimme.

"Verstehe, so ist es also gewesen."

In diesem Fall...

Ich würde noch einmal in diese Zeitebene zurückkehren müssen. Zum frühen Morgen des 18. Dezembers, und ich musste zusammen mit der Asahina-san und der Nagato dieser Zeitebene gehen.

Nur dann konnte die Welt wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden.

Asahina-san würde dafür zuständig sein, Nagato und mich in jene Zeitebene zu bringen, während es Nagatos Mission sein Würde, sich um ihr vergangenes Ich, das die letzten drei Tage auf Abwege geraten war, zu kümmern. Obwohl ich nicht wusste, ob sie dazu Haruhis Kräfte oder die der Entität des integrierten Datenbewusstseins benutzen würde.

Ich würde dabei auch eine Rolle zu spielen haben.

Das hatte ich mir sowieso gedacht. Wenn ich damals nicht meine eigene Stimme sprechen gehört hätte, wäre ich heute nicht hier. Um meine gegenwärtige Existenz zu schützen, würde ich zurückreisen müssen, und dasselbe zu meinem vergangenen Selbst sagen müssen:

"Entschuldige das. Ich habe meine Gründe, dich nicht sofort zu retten, aber hasse mich nicht dafür. Immerhin war es für mich auch schmerzhaft. Wie auch immer, wir werden uns um den Rest kümmern. Nein, ich weiß schon, was ich tun muss, und das wirst du auch. Also schlaf jetzt ein bisschen."

Wiederholt lies ich mir diese Sätze durch meinen Kopf gehen, um sie mir zu merken. Das war es, was ich gesagt hatte, wenn ich mich recht erinnerte. Obwohl ich nicht garantieren konnte, dass es Wort für Wort korrekt war, sollte die Bedeutung dieselbe sein.

Statt desjenigen Ichs, das von dem Dolch niedergestochen wurde, würde es meine vorbestimmte Rolle sein, die Nadelpistole zu benutzen.

Auch den Grund, aus dem ich mein vergangenes Ich nicht davor bewahren konnte, von Asakura niedergestochen zu werden, verstand ich. Die Stimme meines zukünfigen Ichs klang nicht so, als wäre ich eilig herbeigestürmt. Ich musste mich im Voraus irgendwo in der Nähe versteckt haben. Asahina-san und Nagato kamen ebenfalls genau im richtigen Moment heraus. Es durfte weder zu früh noch zu spät sein. Ich musste warten, bis ich von Asakura niedergestochen wurde. Woran lag das? Weil das für mein vergangenes Ich alles schon geschehen war. Um Asahina-san zu zitieren:

"Das ist ein vorbestimmtes Ereignis."



Es war inzwischen spät in der Nacht, aber ich war nicht in der Stimmung zu schlafen.

Ich wartete. Auf was ich wartete, fragst du? Natürlich wartete ich auf die einzige Person, die ich kannte, die mich noch besuchen musste. Es wäre ein Witz, wenn sie nicht auftauchen würde.

Ich lag im Bett und starrte die ganze Zeit an die Decke. Erst spät in der Nacht, als die Besuchszeit längst vorbei war, wurde meine Geduld belohnt.

Die Tür des Krankenzimmers öffnete sich langsam und das Licht vom Flur offenbarte den Schatten einer kleinen Gestalt auf dem Boden.

Dort stand die Gestalt der letzten Person, die gekommen war, um mich zu besuchen, Nagato Yuki.

Wie üblich sagte Nagato ohne jede Emotion:

"Ich bin für all das, was passiert ist, verantwortlich."

Aus irgendeinem Grund wurde ich nostalgisch, als ich ihre ruhige Stimme hörte.

"Über meine Bestrafung wird im Moment entschieden."

Ich hob meinen Kopf und fragte:

"Von wem?"

"Von der Entität des integrierten Datenbewusstseins",

sagte Nagato ruhig, als würde es um irgendjemand anderen gehen.

Natürlich hatte Nagato schon lange vorher gewusst, dass sie am Morgen des 18. Dezembers ein Chaos anrichten würde. Weil ich sie vor drei Jahren zusammen mit der erwachsenen Asahina-san besucht hatte. Sie wusste es die ganze Zeit und tat ihr möglichstes, um zu verhindern, dass es geschah. Trotzdem konnte sie die Flut nicht aufhalten. Manchmal konnte man, selbst wenn man wusste, was passieren würde, einfach nichts dagegen tun. Nein, es wäre möglich gewesen, es abzuwenden …

Ich musste plötzlich an Nagatos Verhalten und Angewohnheiten nach dem Sommer denken, die sich leicht gegenüber den vorherigen verändert hatten.

"Aber", unterbrach ich sie, "wenn du schon vor drei Jahren gewusst hattest, dass du die Kontrolle verlieren würdest, hättest du es mir doch jederzeit erzählen können, oder nicht? Egal, ob es nach dem Schulfest oder vor dem Baseballwettbewerb gewesen wäre. In diesem Fall hätte ich früher Maßnahmen zu dieser bestimmten Zeit am 18. Dezember ergreifen können. Dann wäre alles, was zu tun geblieben wäre, gewesen, alle zusammenzutrommeln und wieder drei Jahre in die Vergangenheit zu reisen."

Nagatos Gesichtsausdruck war kalt wie Eis und zeigte nicht den Hauch eines Lächelns:

"Hätte ich dir vorher davon erzählt, hätte mein außer Kontrolle geratenes Ich trotzdem all deine Erinnerungen bezüglich des Zwischenfalls löschen und die Welt verändern können. Außerdem kann niemand garantieren, dass etwas, das noch nicht passiert ist, jemals passieren wird. Das einzige, was ich tun konnte, war, dich am 18. Dezember in deinem Originalzustand zu erhalten."

"Hast du nicht ein Fluchtprogramm für mich zurückgelassen? Das war schon mehr als genug!"

Als ich ihr dankte, wurde ich langsam wütend. Aber ich war weder wütend auf Nagato, noch auf mich selbst.

Die ausdruckslose Stimme hallte durch das Krankenzimmer:

"Ich kann nicht garantieren, dass ich in Zukunft nicht noch einmal außer Kontrolle geraten werde. Solange ich weiterexistiere, wird sich die Menge meiner internen Fehler weiter erhöhen. Dies ist eine äußerst gefährliche Situation."

"UNSINN! Übermittle diese Nachricht für mich."

Als sie mich fluchen hörte, neigte Nagatos kopf sich etwa 2 Zentimeter zurück. Sie blinzelte sogar.

Ich streckte meine Hand aus und packte ihren kleinen, weißen Arm. Nagato widersetzte sich nicht.

"Sag das deinem Boss, also hör genau zu. Sollte er jemals daran denken, dich verschwinden zu lassen, dann werde ich hier die Hölle ausbrechen lassen. Ich werde dich zurückholen, egal was es kostet. Ich mag zwar keine besonderen Kräfte haben, aber ich bin ziemlich gut darin, Haruhi zu provozieren."

Ich hatte tatsächlich eine Trumpfkarte, um Haruhi zu provozieren. Alles, was ich tun musste, war, ihr zu sagen: "Ich bin John Smith."

So sieht es aus. Während meine Kräfte denen eines nutzlosen Penners entsprachen, verfügte diese Idiotin Haruhi zufälligerweise über enorme Kräfte. Falls Nagato verschwände, würde ich diesem Mädchen einfach alles erzählen, bis sie mir glauben würde. Dann würden wir unsere Reise zur Rettung Nagatos beginnen. Selbst wenn Nagatos Boss sie versteckt oder ausgelöscht haben würde, würde Haruhi einen Weg finden, den Spieß umzukehren, oder zumindest würde ich dafür sorgen, dass ihr eine Möglichkeit einfiele. Und wer weiß, vielleicht würden uns sogar Koizumi und Asahina-san helfen. Wen würde dann noch eine Datenentität aus irgendeiner unbekannten Ecke des Universums kümmern? Welchen Unterschied würde es machen, ob das Ding existiert oder nicht?

Nagato war unsere Freundin. Und wenn jemand von der SOS Brigade verschwinden würde, würde Haruhi keine Ruhe geben. Und das galt nicht nur für Nagato, wenn Koizumi oder Asahina-san oder ich plötzlich gehen würden, und sei es aus freiem Willen, würde dieses Mädchen nicht so leicht aufgeben. Sie würde alles tun, um uns zurückzubringen. So ist Suzumiya Haruhi, die aufdringliche, egozentrische, rücksichtslose und nur Probleme verursachende Königin der SOS-Brigade nun mal.

Ich blickte Nagato wütend an.

"Wenn dein Boss auf irgendeine dumme Idee kommen sollte, dann verbünde ich mich mit Haruhi und verändere die Welt komplett. Wir werden eine Welt ähnlich der an diesen drei Tagen erschaffen, in der du zwar existierst, aber die Entität des integrierten Datenbewusstseins nicht. Ich bin mir sicher, dass sie sehr enttäuscht wäre, wenn so was passieren würde. Observationsziel? Scheiß auf Observation!"

Während ich sprach, nahm meine Wut immer weiter zu.

Ich wusste nicht, wie bewusst die Entität der integrierten Daten war, aber sie sollte ziemlich intelligent sein. Sie war vermutlich eine von denen, die Pi in nur zwei Sekunden bis zur hundertmillionensten Nachkommastelle berechnen konnten, und alle möglichen Arten von fortgeschrittenen Tricks draufhatten.

Wenn das stimmt, habe ich ihm etwas zu sagen.

Sicherlich wäre es für euch ein Kinderspiel, Nagato eine menschenähnlichere Persönlichkeit zu geben. Bevor sie zu einer psychopathischen Killerin geworden war, war Asakura in der Klasse ziemlich beliebt gewesen, ganz zu Schweigen von offenherzig und freundlich. Sie hatte in den Ferien sogar einige ihrer Klassenkameraden eingeladen, mit ihr einkaufen zu gehen. Wenn ihr jemanden wie sie erschaffen könnt, warum müsst ihr aus Nagato ein einsames, kleines Schulmädchen machen, das ganz allein im Literturclubraum sitzt und ein Buch liest? Denkt ihr, wenn ihre Persönlichkeit nicht so gestaltet gewesen wäre, würde es nicht wie ein Literaturclub aussehen und dass sie nicht Haruhis Aufmerksamkeit erregt hätte? Wer hat das eigentlich entschieden?

An dieser Stelle wurde mir klar, dass ich Nagatos Hand fest umklammerte. Aber trotzdem nahm es mir das bücherliebende lebende humanoide Interface nicht übel.

Nagato blickte mich nur direkt an, und nickte dann mit ihrem Kopf:

"Ich werde die Nachricht übermitteln."

Dann fügte die ruhige Stimme sanft hinzu:

"Danke."



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