Suzumiya Haruhi:Band4 Volltext

From Baka-Tsuki
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Dies sind die Farbillustrationen des vierten Bandes, geistiges und materielles Eigentum von Itou Noizi (いとうのいぢ).



Prolog[edit]

Es war ein kalter Morgen, so kalt, dass man glauben konnte, die Welt würde in kleine Stücke zerspringen, wenn man sie mit einem Eispickel träfe. Oder besser noch, ich würde das Rudel anführen, um diese kalte Welt zu knacken.

Nichtsdestotrotz war es ganz natürlich, dass es so kalt war: es war jetzt Winter. Bis zum Kulturfest vor ungefähr einem Monat, schien es so schrecklich heiß zu sein. Dann, gerade als der Dezember einbrach, kühlte es schnell ab, als ob Mutter Natur sich endlich an etwas erinnerte, dass sie vergessen hatte und nun spüre ich es bis tief in meinem Körper, dass Japan dieses Jahr keinen Herbst gehabt hatte. Sag nicht, dass jemand einen Wunsch für gute Geschäfte mit einem Bann verwechselt hat... Der Sibirische Luftstrom sollte am besten auch seinen Kurs wechseln. Es ist nicht nötig, dass er jedes Jahr hier bei uns vorbeikommt.

War die Erdumlaufszeit durcheinandergeraten? Während ich besorgt über die Gesundheit von Mutter Erde meinen Weg ging, hörte ich schon "Jo, Kyon!".

Ein leichtfertiger Typ rannte auf mich zu, um mir auf die Schulter zu klopfen, seine Stimme so luftig wie Wasserstoff. Es nervte, mittendrin anzuhalten, darum wandte ich ihm nur meinen Kopf zu.

"Jo, Taniguchi", antwortete ich, wandte mein Gesicht wieder geradeaus und starrte auf die Spitze des hochaufragenden Hügels. Wir bewältigen diese Steigung jeden Tag, warum lassen sie es dann nicht im Sportunterricht lockerer angehen? Alle Sportlehrer, auch Okabe, unser Klassenlehrer, sollten etwas mehr Rücksicht auf jene Schüler nehmen, die jeden Morgen wandern müssen, um zur Schule zu kommen. Die Schulmitarbeiter kommen mit ihren Autos, wenn ich das mal erwähnen darf.

"Was redest du da wie ein alter Hahn? Schreite mit einem lebhaften Schritt voran, das ist ein super Training und es wärmt dich auf. Schau mich an, ich schwitze noch nicht einmal. Der Sommer ist krankhaft, doch diese Jahreszeit passt einfach großartig zu mir!"

Es ist schön, vor Freude überzuschäumen, aber wo kommt sie her? Gib mir was davon ab!

Taniguchis leichtfertige Lippen verzogen sich zu einem Lächeln.

"Die Prüfungen für dieses Trimester sind vorbei! Deswegen sind wir für dieses Jahr fertig mit dem Lernen. Darüberhinaus erwartet uns noch ein abgefahrenes Ereignis."

Die Trimester-Prüfungen begannen für alle Schüler dieser Schule gleichzeitig und endeten gleichzeitig. Das Einzige, was nicht gleich war, waren wahrscheinlich die Noten auf den Fragebögen, die an die Schüler zurückgegeben wurden.

Ich erinnerte mich an meine Mutter, die sich Gedanken darüber machte, mich für die Nachhilfeschule anzumelden und meine Stimmung wurde schlechter. Wenn wir nächstes Jahr in die elfte Klasse kommen, werden unsere Klassen aufgrund unserer angestrebten Universitäten aufgeteilt. Freie Kunst oder Wissenschaft? Öffentlich oder Privat? Nun, wie sollte ich wählen?

"Wen stört das schon?" Taniguchi lachte herzhaft. "Es gibt wichtigere Dinge, weißt du? Weißt du welches Datum wir heute haben?"

"Den 17.Dezember", antwortete ich, "was ist damit?"

"Was für eine dumme Antwort! Du erinnerst dich nicht mal an den besonderen Tag nächste Woche, der einem das Herz höher schlagen lässt?"

"Oh, ich verstehe." Jetzt kam ich auf die richtige Antwort. "Die Trimester-Abschluss-Zeremonie. Die Winterferien sind es wirklich wert, drauf zu warten."

Dennoch starrte Taniguchi mich an, wie ein kleines Tier, das einen Waldbrand entdeckt hatte. "Nein! Das Datum nächste Woche! Denk nach! Du wirst schnell drauf kommen."

"Hmm..."

Ich grummelte und stieß dabei eine weiße Atemwolke aus.

Der 24. Dezember.

Ich wusste es. Ich hatte bereits vorhergesehen, dass jemand einen bösen Plan für nächste Woche schmiedete. Selbst wenn jeder es verpasste, ich würde es nie verpassen. Die Person, die ein solches Ereignis mit Leichtigkeit lange vor mir bemerkte, saß direkt hinter mir. Sie hatte sich letzten Monat über ihre verpasste Chance an Halloween beschwert und es bestand kein Zweifel daran, dass sie dieses Mal etwas veranstalten würde.

Nun, um ehrlich zu sein, wusste ich bereits, was sie machen würde.

Gestern im Clubraum, hatte Haruhi Suzumiya genau folgendes gesagt:


"Hat irgendwer Pläne für Heiligabend?"

Haruhi, die ihre Tasche hingeworfen hatte, sobald sie die Tür geschlossen hatte, schaute mit Augen auf uns herab, die so funkelten, wie die drei Sterne im Gürtel des Orion.

Ihr Ton enthielt eine Spur von "Ihr könnt unmöglich irgendwelche Pläne haben. Das ist doch glasklar, oder?" Sie würde einen Schneesturm entfesseln, würde irgendwer zugeben, bereits Pläne zu haben.

Zu diesem Zeitpunkt spielten Koizumi und ich TRPG. Asahina-san, die ihr Dienstmädchenkostüm trug, das schon fast zu ihrer normalen Kleidung geworden war, hielt ihre Hand vor den Heizlüfter. Nagato las das neueste Science Fiction Buch, ohne etwas anderes als ihre Finger und Augen zu bewegen.

Haruhi stellte eine große Tasche, die sie mit ihrer Schultasche mitgebracht hatte, auf den Boden und kam zu mir. Mit herausgestreckten Brustkorb schaute sie auf mich herab.

"Kyon, ich weiß, dass du keine Pläne hast, oder? Es gibt keinen Grund zu fragen, aber ich würde es bereuen, wenn ich es nicht trotzdem vorher geklärt hätte."

Ein Grinsen wie das der berühmtesten Katze der Welt zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. Ich gab Koizumi, der verdächtig grinste, den Würfel, den ich werfen wollte und wandte mich Haruhi zu.

"Was, wenn ich schon Pläne hätte? Beantworte das erst!"

"Also heißt das, du hast keine!"

Haruhi nickte und wandte ihre Augen von mir ab. Hey, Moment mal! Ich habe doch noch gar nicht auf deine Frage geantwortet! ... Naja, als wäre es das erste Mal, dass ich nichts geplant habe.

"Koizumi, gehst du mit deiner Freundin aus?"

"Wie erfreulich es wäre, wenn das der Fall wäre!"

Während er den Würfel in seiner Hand schüttelte, stieß Koizumi einen dramatischen Seufzer aus. Ich les dich wie ein Buch: du spielst das nur. Was für ein Betrugskünstler.

"Ob man es jetzt als glücklich ansieht oder nicht, mein Terminplan vor und nach Weihnachten ist absolut leer. Ich habe schon hin- und herüberlegt und mich gefragt, wie ich die Zeit verbringen soll."

Sein lächelndes hübsches Gesicht schrie geradezu LÜGNER. Trotzdem schluckte Haruhi seine Geschichte ohne jeden Zweifel.

"Keine Angst. Das ist das größte Glück."

Dann setzte Haruhi ihre Segel in Richtung des holden Dienstmädchens.

"Mikuru-chan, wie sieht’s mit dir aus? Hat dich wer eingeladen, mitten in der Nacht auf den Moment zu warten, wenn aus Regen Schnee wird? Übrigens, wenn du wen findest, der dir diesen Müll sagt, ohne rot zu werden, dann verpass ihm einfach eine."

Asahina-san starrte Haruhi mit großen, weit geöffneten Augen an und sah so aus, als würde sie diese abrupte Frage überrumpeln.

"Nun, ich denke schon. Im Moment ist da nichts... Wie, mitten in der Nacht...? Oh... egal, lass mich dir erst mal Tee bringen..."

"So heiß wie ein Vulkan bitte! Ich hab mal Kräutertee probiert und es war wirklich fabelhaft." Haruhi gab ihre Bestellung auf.

"Oh, ja! Es dauert keine Minute."

Asahina-san stellte den Kessel mit einem leuchtenden Gesicht auf den tragbaren Gasherd. Macht es wirklich so viel Spaß, Tee zu kochen?

Haruhi nickte zufrieden und wandte sich letztendlich Nagato zu.

"Yuki..."

"Nichts."

Nagato gab eine kurze Antwort ohne ihren Kopf von den Seiten abzuwenden.

"Dann wäre das geklärt."

Haruhi beendete die geradezu zwitschernde Unterhaltung und wandte sich mir mit einem selbstzufriedenen Lächeln zu. Ich schaute in Nagatos blasses Gesicht, ihre ganze Aufmerksamkeit galt dem Buch, als hätte die ganze Unterhaltung nichts mit ihr zu tun und dachte mir, sie könnte sich genausogut den Atem für solch einen geistreichen Schlagabtausch sparen. Lass dir zumindest Zeit, um so zu tun, als würdest du dich an deinen Terminplan erinnern.

Haruhi hob eine Hand.

"Der Antrag auf eine Weihnachtsparty der SOS Brigade ist somit einstimmig angenommen worden. Sollte es Alternativen oder Beschwerden geben, gebt sie bitte nach der Party ab. Wenn ich sie lesen muss, werde ich sie lesen."

Mit anderen Worten, es war mal wieder die allbekannte Situation: Sie würde ihre Worte nicht zurücknehmen nachdem sie erst gesagt waren, komme was wolle. Es war genau genommen nur eine Geste, doch wenn man es mit von vor einem halben Jahr vergleicht, so könnte man es als Fortschritt betrachten, dass Haruhi jeden nach seinen Plänen fragt. Naja es wäre sogar noch besser, wenn sie jeden nach seiner Meinung anstatt seiner Pläne fragen würde.

Mit einem Gesicht, das vor Zufriedenheit überschäumte, weil alles so lief wie erwartet, steckte Haruhi ihre Hand in die Tasche auf dem Boden.

"Übrigens, niemand kann unvorbereitet auf eine Zeit wie Weihnachten zugehen, richtig? Deswegen hab ich ein paar Sachen gekauft. Um die Zeit richtig zu verbringen, braucht man zunächst das richtige Zubehör, um die passende Stimmung zu erzeugen.

Aus der Tüte kamen Sprühschnee, goldenes und silbernes Lametta, Knallbonbons, ein Miniaturbaum, Plüschrentiere, weiße Baumwolle, Weihnachtskerzen, Kränze, rote und grüne Banner, eine Darstellung der Alpen, Aufzieh-Schneemänner, dicke Kerzenständer, riesige Weihnachtsstrümpfe in die ein Kindergartenkind passte, CDs mit Weihnachtsliedern...

Eine nach der anderen legte Haruhi mit einem Lächeln wie die große Schwester in einer Nachbarschaft beim Verteilen von Süßigkeiten die verschiedenen Weihnachtssachen auf den Tisch.

"Ich werde in diesem unscheinbaren Raum Festlichkeit verbreiten. Der Erste Schritt, um Weihnachten voll und ganz zu genießen, beginnt beim Aussehen. Habt ihr das nicht auch gemacht, als ihr klein wart?"

Egal ob ich es gemacht habe oder nicht, ein paar Tage später würde das Zimmer meiner Schwester hübsch dekoriert sein. Mama wird mich dieses Jahr sicher wieder dazu zwingen, beim Dekorieren zu helfen. Übrigens, meine Schwester, die dieses Jahr elf wird und in die fünfte Klasse geht, scheint noch immer an den Weihnachtsmann zu glauben. Sie ahnt nichts von der Vertuschung meiner Eltern, die ich schon vor langer Zeit zu Beginn meines Lebens durchschaut habe.

"Nimm dir am unschuldigen Herzen deiner Schwester ein Beispiel! Man muss damit anfangen, an einen Traum zu glauben. Ansonsten wird selbst das Machbare nie erreicht. Niemand gewinnt im Lotto, ohne sich einen Tippschein zu kaufen, weißt du. Du könntest wünschen, dass dir jemand einen Tippschein gibt, der eine Millionen Dollar wert ist, aber das wird nicht passieren."

Haruhi heulte auf unvergleichliche Art vor Entzücken während sie einen dreieckigen Partyhut hervorholte und auf ihren Kopf setzte.

"Wenn du in Rom bist, tu’s den Römern gleich. Wenn du in einem Dorf bist, halte dich an die Dorfregeln. Weihnachten hat auch seine Regeln, die man beachten soll. Deswegen feiert niemand seinen Geburtstag mit schlechter Laune. Hey, sogar Herr Christus würde sicher jubeln, wenn er sähe, wie wir uns amüsieren!"

Es gibt viele Theorien bezüglich der Geburt Christi, sogar sein Geburtsjahr ist ein Mysterium. Andererseits bin ich nicht dumm genug, all diese Theorien zu erwähnen ohne auf die Stimmung zu achten. Vielmehr, würde Haruhi darauf, dass es mehrere mögliche Daten für Christi Geburt gibt, antworten: "Nun dann machen wir jedes mögliche Datum zu Weihnachten!" und wir würden letztlich mehrmals im Jahr den Baum auspacken. Es wäre nur ein Aufstand, wenn wir den Beginn der Zeitrechnung aufheben würden; es ist nicht zu ändern. Sei es der römische oder der antike babylonische Kalender, es ist nur dazu da, den Menschen zu nützen. Für Himmelskörper, die stumm im weiten Universum rotieren, sind diese Dinge nicht von Belang, und sie werden ihr Ding bis ans Ende ihres Lebens durchziehen. Oh, es ist toll, das Universum zu sein.

Mein jugendlicher Geist wurde instinktiv von den Geheimnissen des Universums angeregt, doch Haruhi interessierte das nicht die Bohne. Wie ein Panda verbesserte Haruhi enthusiastisch das Aussehen des Raums und lief herum, während sie in jede Ecke Weihnachtsdekorationen verteilte. Sie setzte sogar der lesenden Nagato einen dreieckigen Hut auf und sprühte die Worte "Merry Xmas!" mit ihrem Sprühschnee auf das Fensterglas.

Schön, doch von draußen würde man die Worte nun verkehrt herum lesen können.

Während sich Haruhi auf ihre Sachen konzentrierte, schwankte Asahina-san mit ihrem Tablett voller Teetassen wie eine Nussknacker-Puppe auf uns zu:

"Suzumiya-saaaaan, der Tee ist fertig."

Der Anblick von Asahina-san mit ihrem Dienstmädchenlächeln, war noch immer himmlisch und erfrischte mein Herz egal wie oft ich schaute. Auch wenn sie fast jedes Mal ein tragisches Schicksal ereilte, wann immer Haruhi etwas sagte, schien Asahina-san dieses Mal mit der Weihnachtsparty einverstanden zu sein. Verglichen damit, in einem Häschenkostüm Flyer zu verteilen oder in anzüglichen Kostümen in einem Film mitzuspielen, wäre es doch ein deutlich angenehmerer Spaß, eine Party zu feiern, die jedes Mitglied der Brigade genießen konnte.

Aber wird es wirklich nur das sein?

"Danke, Mikuru-chan."

Haruhi nahm die Tasse übermütig entgegen und schluckte ihren Kräutertee im Stehen herunter. Asahina-san betrachtete sie mit einem unschuldigen Lächeln.

Haruhi trank die ganze heiße Flüssigkeit in wenigen Sekunden und das Lächeln auf ihrem Gesicht wurde doppelt so breit wie vorher.

Ein schlechtes Zeichen. Das ist das Lächeln, das sie hat, wenn sie sich gerade etwas Rücksichtsloses überlegt. Nach einer langen Zeit mit ihr, kann selbst ich das entdecken.

Das Problem war...

"Wundervoller Geschmack, Mikuru-chan. Man kann es nicht ein Geschenk aus Dankbarkeit nennen, aber ich möchte dir dein Geschenk ein wenig früher geben."

"Oh, wirklich?"

Das anmutige Dienstmädchen blinzelte mit ihren Wimpern.

"Es ist wahr. So wahr, dass es keine höhere Wahrheit gibt. Es ist so wahr, wie sich der Mond um die Erde und die Erde um die Sonne dreht. Du musst Galileo nicht glauben, aber mir schon!"

"Uh, j-j-ja."

Haruhi griff erneut in ihre Tasche.

Ich fühlte mich beobachtet, drehte meinen Kopf und begegnete Koizumis Blick, der mit den Schultern zuckte und sich ein Lächeln abrang. Ich würde ihm am liebsten eine knallen, dafür dass er so ungenau war, doch irgendwie verstand ich es. Er ist Haruhis Truppe nicht umsonst vor über einem halben Jahr beigetreten und es wäre komisch, wenn er nicht ahnen könnte was als nächstes passiert.

Ja, dachte ich.

Das Problem ist, dass es keine Person oder Medizin gibt, die Haruhis Launen kurieren kann. Ich würde demjenigen, der sie erfindet, persönlich die höchste Ehre verleihen.

"Ta-dahhhh!"

Mit einem kindischen Geräusch holte Haruhi den letzten Weihnachtsgegenstand vom Boden ihrer Tüte. Und das war...

"Das... das ist..."

Asahina-san wich aus Reflex zurück und Haruhi verkündete mit dem Ausdruck eines alten Magiers, der seinen geliebten Stab an seinen Schüler weiter gibt:

"Santa, das ist es. Santa! Passt es nicht wie ein Handschuh? Es muss nicht erwähnt werden, dass du diese Zeit des Jahres nicht ohne ein passendes Outfit versüßen kannst. Bitteschön! Ich helfe dir beim Umziehen."

Während sie sich langsam der fliehenden Asahina-san näherte, entfaltete Haruhi in ihren Händen - ein Santa-Kostüm, zweifellos.


Dann wurden Koizumi und ich aus dem Clubraum geworfen und ich konnte mir nur fruchtlos vorstellen, wie Haruhi Asahina-sans Kostümwechsel-Szene durchführte.

"Eh", "Ah", "Ughh". Die gedämpften Schreie der Qual bombardierten mich mit ungewollten Bildern und ließen mich glauben, dass ich irgendwie durch die Tür hindurch sehen konnte. Okay, offensichtlich war die Zeit gekommen, dass auch ich durchdrehte.

Nach einer gewissen Zeitspanne, in der er in die imaginäre Geschichte eintauchte, begann Koizumi ein Gespräch, womöglich um Zeit totzuschlagen. "Asahina-san tut mir leid..."

Der Typ mit viel zu gutem Aussehen und viel zu guten Manieren lehnte sich mit gefalteten Händen an die Wand.

"Doch es beruhigt mein Herz, wenn ich sehe, das Suzumiya-san sich vergnügt. Es schmerzt mich am meisten, wenn sie schlecht gelaunt aussieht."

"Weil sie diese komische Parallelwelt macht, wann immer sie verstimmt ist?"

Während er seinen Pony mit einem Zeigefinger zurückwarf, antwortete er:

"Ja, deswegen auch. Nichts besorgt mich und meine Partner mehr, als die Existenz der Parallelwelten und der Avatare. Es mag einfach aussehen, doch in Wahrheit ist es harte Arbeit. Ich danke meinem Glücksstern, dass seit diesem Frühling die Häufigkeit ihres Auftauchens beachtlich gesunken ist."

"Was bedeutet, dass sie immer noch gelegentlich auftauchen?"

"Selten. Im Moment geschieht es nur zwischen Mitternacht und Sonnenaufgang, wenn Suzumiya-san schläft. Anscheinend erschafft sie unterbewusst Parallelwelten, wenn sie schlechte Träume hat."

"Sie ist ein Störenfried, egal ob sie wach ist oder schläft!"

"Wovon spricht du da?!"

Es war eine heftige Reaktion für Koizumi und ehrlich gesagt war ich ein wenig schockiert. Koizumi hatte sein Lächeln abgelegt und blickte mich durchdringend an.

"Ich glaube, du weißt nicht, wie Haruhi war, bevor sie auf die High School kam. Von vor drei Jahren, als wir unsere Beobachtungen begannen bis zu ihrem Eintritt in die High School war es unvorstellbar, dass sie jeden Tag so glücklich lachen würde. Alles begann damit, dass sie dich traf – nein, um genau zu sein, als ihr beide aus der Parallelwelt zurückgekehrt seid. Suzumiya-sans Psyche hat sich um einiges stabilisiert, es ist nicht vergleichbar damit, wie es in der Junior High war.

Wortlos erwiderte ich Koizumis Starren, als würde ich verlieren wenn ich meine Augen abwendete.

"Suzumiya-san verändert sich offensichtlich. Zum Guten, wie ich hinzufügen möchte. Unser Wunsch ist es, die Situation stabil zu halten und ich glaube, das gilt auch für dich. Jetzt ist für sie die SOS Brigade eine unverzichtbare Gruppe. Hier kann sie dich finden, sie kann Asahina-san finden, Nagato ist essentiell und, vergib meine Arroganz, aber ich denke, ich bin es auch. Wir alle sind schon fast wie ein Herz und eine Seele.

Das ist nur der Glaube deiner Leute.

"Das ist wahr. Aber es klingt nicht schlecht, oder? Willst du Haruhi dabei zusehen, wie sie Stunde für Stunde ihre Avatare losschickt? Verzeih, aber das ist bestimmt kein gutes Hobby."

Das ist nicht mein Hobby und wird es nie sein, um es deutlich zu sagen!

Koizumi wechselte seinen Ausdruck und kehrte zu seinem doppeldeutigen Lächeln zurück.

"Ich bin erleichtert, das zu hören. Wo wir gerade von Veränderungen reden, die sind nicht nur auf Suzumiya begrenzt; wir alle verändern uns. Das schließt dich mit ein, Asahina-san und mich. Vielleicht auch Nagato-san. Abgesehen von Suzumiya wird jeder mehr oder weniger seine Denkweise ändern."

Ich wich zurück. Nicht, weil ich kalt getroffen wurde. Ich nahm nichts davon persönlich, daher wurde ich gar nicht getroffen. Was mich überraschte, war, dass der Typ auch bemerkt hatte, wie sich Nagato Stück für Stück verändert hatte. Das Mogeln beim Baseballspiel, das Tanabata, das drei Jahre überdauerte, die Auslöschung der Höhlengrille, das Mörderdrama auf der abgelegenen Insel, die Zeitschleife in den Sommerferien... Als wir mit diesem und jenem beschäftigt waren, erfuhren Nagatos begrenzte Gesten und Verhaltensweisen kleine aber eindeutige Änderungen. Ein deutlicher Unterschied zu unserer ersten Begegnung im Literaturclub, bei der alles angefangen hatte. Es war keine Illusion. Ich beobachtete das ganze mit Augen wie ein handgemachtes Teleskop. Jetzt wo ich darüber nachdachte, schien dieses Mädchen schon auf der abgelegenen Insel ein wenig komisch. Selbst am öffentlichen Pool. Selbst am Obon Festtanz. Sie legte ein noch komischeres Verhalten an den Tag, als sie für den Film in die Rolle einer Magierin gezwungen wurde und bei der Computerspielschlacht mit dem Computerclub...

Aber ist das nicht gut? Haruhis Veränderungen sind großartig, doch ich glaube Nagatos sind wichtig!

"Für den Weltfrieden", sagte Koizumi mit einem Lächeln, "ist es ein geringer Preis, eine Weihnachtsparty zu organisieren. Außerdem, wenn es Spaß macht, hab ich keinen Grund, mich zu beschweren!"

Gerade als ich mich angegriffen fühlte, dass mir kein guter Konter einfiel, sprang die Tür plötzlich auf.

"Hier ist sie!"

Die Tür öffnete sich nach innen und natürlich fiel ich, der ich mein Gewicht an die Tür gelehnt hatte tollpatschig mit einem lauten Bums auf meinen Rücken.

"Hiehh?!"

Diese Stimme gehörte weder mir noch Haruhi, sondern Asahina-san, und sie kam von oben. Mit anderen Worten, ich lag auf meinem Rücken und schaute in Richtung Decke, doch ich sah nicht die Decke sondern etwas anderes.

"Hey Kyon! Nicht gucken!" Das dürfte Haruhi gewesen sein.

"Hwa, ahh..." Und das war Asahina-san, die, völlig überrascht, schrie und zurücksprang. Ich schwöre bei der Unzahl an Gottheiten, ich habe nur ihre Beine gesehen!

"Worauf wartest du, dass du da rumliegst? Steh verdammt nochmal auf!"

Von Haruhi am Kragen gepackt, gelang es mir letztendlich aufzustehen.

"Kyon, du Spanner! Versuchst einen Blick auf Mikuru-chans Unterwäsche zu werfen? Dafür bist du zweimillionenfünftausendsechshundert Jahre zu früh dran! Das war Absicht, nicht wahr? NICHT WAHR?"

Es war deine Schuld, dass du die Tür ohne Vorwarnung geöffnet hast. Es war ein Unfall. Ein Unfall, Asahina-san! - Die Worte lagen auf meine Lippen, doch dann wurden meine Augen woanders hingezogen. Wer hat mich nochmal was gefragt?

"Wawa..."

In meinen Augen war nichts außer Asahina-san, wie sie mit leicht geröteten Wangen dastand. Rote Kleidung mit weißen Rändern. Ein roter Hut mit einem flauschigen Ball am Ende... nur dies tragend, griff Asahina-san ihren kurzen Rock mit beiden Händen und schaute mich aufmerksam und neugierig mit vor Scham tränenden Augen an.

Das musste Santa sein, perfekt aus allen Richtungen, einwandfrei und fehlerlos. Das musste für diesen Moment Asahina-san’s wahre Identität sein - die Enkelin eines senilen Santa, der bereits im geheimen das Familienunternehmen an sie übergeben hatte.

80% der Leute, denen man dies erzählte, würden darauf reinfallen. Meine Schwester wäre bestimmt eine dieser 80%. Zweifellos.

"Einfach fantastisch." Das war Koizumi, der seine Meinung äußerte. "Verzeiht, doch ich konnte nur einen abgenutzten Ausdruck benutzen. Ja, es steht dir wirklich gut. Definitiv."

"Ich wusste es!"

Haruhi knuddelte Asahina-sans Schultern und rieb mit ihren Wangen an Asahina-sans augenrollendem Gesicht.

"Ist sie nicht bemerkenswert süß? Mikuru-chan, hab mehr Vertrauen in dich! Von jetzt bis zur Weihnachtsparty bist du der Santa der SOS Brigade. Du hast alle Qualifikationen, die dafür nötig sind!"

Asahina-san schluchzte bemitleidenswert. Dennoch lag Haruhi dieses Mal richtig. Niemand würde das anfechten, dachte ich mir. Als ich mich zu Nagato umwandte, war es keine Überraschung, dass das kleine, kurzhaarige, ruhige Mädchen einfach weiterlas.

Sie trug noch immer ihren dreieckigen Hut.


Danach stellte Haruhi uns in einer Reihe auf und stand vor uns.

"Verstanden? In diesen Zeiten ist es nicht okay, geistesabwesend einfach jedem Weihnachtsmann, den man sieht, zu folgen. Sie sind Fälschungen. Der echte existiert nur an bestimmten Orten auf der Erde.

Mikuru-chan, sei besonders vorsichtig! Nimm nicht leichtfertig Sachen von einem Weihnachtsmann an, den du nicht kennst. Nicke nicht zu allem, was sie sagen."

Kein guter Rat nachdem du Asahina-san gezwungen hast, ein falscher Santa zu sein.

Sag nicht, dass dieses Mädchen trotz ihres Alters noch immer wie meine Schwester an diesen alten Gesellen glaubt, der im internationalen Ehrenamt tätig ist. Nun, es ist dasselbe Mädchen, dass Wunschzettel für Orihime und Hikoboshi aufgehängt hat, also ist es nicht unmöglich. Dennoch behalte ich meine Zweifel für mich. Ich meine, hey Sankt Asahina ist in diesem Raum erschienen! Hier war sie, eine Fälschung, die das Original übertraf. Was könnte man sich mehr wünschen? Wenn man sich mehr wünschen würde, kämen Beschwerden aus einem der drei skandinavischen Länder.

Ich grübelte über die Quelle des Kapitals dieses faulen alten Manns, der nur einmal im Jahr arbeitet.

"Hey Kyon. Die Idee für eine große Weihnachtsparty ist an und für sich ganz gut. Dieses Jahr kam die Idee zu spät, daher können wir das nur zu Christi Geburtstag machen. Doch nächstes Jahr müssen wir auch Geburtstagspartys für Buddha und Mohammed feiern. Sonst wäre es unfair."

Warum nicht auch noch die Geburtstage der Gründer des Manichäismus und des Zoroastrismus in die Runde werfen? Diesem Haufen ungläubiger Kerle beim Feiern zuzuschauen sollte diesen Figuren, die sich mittlerweile über den Wolken befinden dürften, ein Lachen entlocken. Nun, Haruhi tat sowieso nichts davon, um zu feiern; sie suchte einfach nur eine Entschuldigung, um für Aufregung zu sorgen, daher gleicht sich das wohl aus. Dennoch, sollte es jemanden geben, dem göttliche Vergeltung blüht, so gebt bitte alle Schuld Haruhi. Meine Rolle als ihr Komplize war wirklich klein, wisst ihr?

Bei welcher Gottheit sollte ich mich in dieser Situation entschuldigen? Ich grübelte darüber nach, als sich Haruhi in ihrem Brigade Anführersitz niederließ und mir einen verächtlichen Blick zuwarf.

"Was wäre nett? Eintopf? Sukiyaki? Bei Krebsen sage ich nein, die kann ich nicht ausstehen. Das Fleisch aus den Schalen zu pulen macht mich wahnsinnig. Warum können die Schalen der Krebse nicht essbar sein? Warum haben sie sich während der Evolution überhaupt nicht darum gekümmert, frag ich mich?"

Das ist genau der Grund, aus dem sie Schalen entwickelt haben! Die natürliche Auslese am Grund des Meeres findet nicht nur um deines Magens willen statt.

Koizumi hob die Hand und begann zu sprechen:

"Dann müssen wir im Vorfeld einen Platz reservieren. Die Festtage nähern sich, und wenn wir uns nicht beeilen, wird alles ausgebucht sein."

Nun ich glaube nicht, dass ich zu Orten tendieren würde, die er vorschlägt. Vielleicht taucht der durchgeknallte Besitzer mitten beim Essen auf und spielt uns eine weitere Mordskomödie vor, die jedermanns wildeste Erwartungen übertrifft.

"Oh, kein Grund sich darum zu sorgen."

Als hätte sie den selben Gedanken wie ich gehabt, schüttelte Haruhi lächelnd den Kopf. Doch das ist es, was sie darauf sagte:

"Wir veranstalten es hier. Die benötigten Untensilien sind bereits hier, es fehlt nur das Essen. Mal sehn... Am besten bringt jemand einen Reiskocher mit. Übrigens, Alkohol ist streng verboten, da ich in meinem Herzen geschworen habe, dass ich mein Leben lang niemals trinken werde."

Mir wäre es lieber, du würdest etwas anderes schwören... Doch zuerst kam ein anderer Punkt, der nicht ohne Betrachtung übergangen werden konnte: "Es hier veranstalten?" Ich schaute mich im Raum um.

Im Raum standen bereits ein Topf und ein tragbarer Herd bereit und auch ein Kühlschrank war da. Haruhi hatte alles während der Anfangsphase der SOS Brigade mitgebracht, doch sag nicht, dass das alles nur für diesen einen Tag da war! Bislang war der tragbare Herd nützlich gewesen um Asahina-san beim Tee kochen zu helfen. Aber in der Schule und in einem so alten und schäbigen Clubraum-Block, war es da wirklich eine gute Idee, überhaupt zu kochen? Es wäre nicht klug, das zu ignorieren. Eine offene Flamme ist in diesem Gebäue verboten!

"Es wird gutgehen."

Ungerührt strahlte Haruhi wie ein kulinarisches Wunderkind, das irgendwie über beachtliches Können verfügte, ohne überhaupt eine Kochlizenz zu besitzen.

"In diesem Fall macht es mehr Spaß, sich zu verstecken. Wenn der Schülerrat oder die Lehrer hereinschneien, zeige ich ihnen meine spektakuläre Eintopf-Zubereitung. Das ist der Plan: Warten, bis es soweit ist, und dann werden sie von der Köstlichkeit so überwältigt sein, dass sie uns unter Tränen eine Sondererlaubnis für unsere Party geben. Makellos! Perfekt!"

Auch wenn sie alles Unangenehme verachtete, konnte Haruhi alles gut erledigen, wenn sie musste. Daher nahm ich an, dass ihre Kochkünste dem in nichts nachstanden. Aber ein Eintopf? Wann war das entschieden worden? Die Unterhaltung war bis zu dem Punkt gegangen, an dem entschieden worden war, dass Krebse nicht gut waren, doch sie tat einfach so, als würde sie Meinungen sammeln und kam plötzlich alleine auf die Lösung – nun, es ist ja nicht gerade das erste Mal. Vergeben und Vergessen...


Und das ist es, was gestern passiert ist. Während ich Taniguchi eine Kurzfassung dessen erzählte, erreichten wir die Schule.

"Weihnachtsfeier..."

Taniguchi hatte noch immer Probleme, sein Lachen zu verbergen, als wir durch das Schultor gingen.

"Solche Aktionen sind in der Tat Suzumiyas Markenzeichen. Eine Eintopfparty im Clubraum. Nun, passt auf, dass die Lehrer euch nicht erwischen. Es würde wieder zu Problemen führen."

"Also, kommst du?"

Aufgrund unserer Unterhaltung versuchte ich, ihn einzuladen. Bei Taniguchi hätte sicher nichtmal Haruhi Einwände. Er, Kunikida und Tsuruya-san waren das Füller-Trio wann immer wir Leute brauchten.

Trotzdem schüttelte Taniguchi den Kopf.

"Es tut mir so leid, Kyon. An diesem Tag habe ich keine Freizeit, um einen dummen Eintopf zu essen! Wua-haha"

Was sollte diese dreckige Lache?

"Hör mal zu: Es ist nur was für unbeliebte Langweiler, sich mit einer Gruppe komischer Leute zu treffen und an Heiligabend in einem Eintopf rumzustochern. Ich bedaure es zwar, doch ich habe mich von eurer Gruppe verabschiedet."

Sag nicht --?

"Nun, wohl genau das, was du denkst. Ich habe bereits eine rote herzförmige Markierung in meinem Kalender am vierundzwanzigsten! Mein Beileid. Mein AUFRICHTIGES Beileid. Aufrichtiges, aufrichtiges Beileid!"

Was zum Teufel ist los? Wie kann ein Depp wie Taniguchi eine Freundin haben, während ich mit Haruhi und den anderen in der SOS Brigade kleine Spielchen spiele?

"Wer ist sie?"

Ich fragte das wobei ich wenig zynisch wie möglich zu klingen versuchte.

"Eine Zehntklässlerin von Kouyouen. Nicht schlecht, was?"

Kouyouen Akademie. Die Mädchenschule neben dem Bahnhof unten am Hügel. Sie befindet sich am Startpunkt unserer schrecklichen Wanderung, daher ist es seine allmorgendliche Szene, die Daimiyo-Parade an Mädchen mit ihren schwarzen Blazern als Uniformen zu sehen. Die Schule ist berühmt für ihre noblen Damen, doch noch beneidenswerter ist es, dass sie nicht diese mörderische Steigung erklimmen müssen. Nein, ich war absolut nicht neidisch auf Taniguchi.

"Wo ist das Problem? Du hast doch schon Haruhi! Eintopf... und sie macht ihn, oder? Eintopf klingt für mich als selbstgemachtes Küchengericht zwar etwas dumm und billig, aber ich bin sicher, es macht dich satt. Ich bin neidisch, Kyon!"

Du Bastard. Er hat Heiligabend nur erwähnt, um seinen Drang zur Angeberei zu stillen?

"Hmm, ich glaube, es wird Zeit, sich für ein paar erste Pläne zu entscheiden, wo und wie wir die Zeit verbringen. Ich bin ja so besorgt!"

Ich hatte bereits meinen Kampfgeist verloren, also sagte ich nichts.


Nach der Schule passierte nichts Besonderes. Koizumi und ich wurden quer durch den Clubraum gejagt um die neuen Dekorationen aufzuhängen, die Haruhi mitgebracht hatte. Haruhi gab Befehle und zeigte mit ihrem Finger herum. Asahina-san in ihrem Santa-Outfit war Maskottchen und Tee-Serviererin. Und heute las Nagato ein Hardcover Buch... während sie erneut den dreieckigen Hut auf ihrem Kopf trug.

Dann kam das Ende des Tages. Über den Inhalt des Eintopf hatten wir bislang noch nicht entschieden. Das einzige, was entschieden worden war, war, dass ich der Träger sein und einkaufen geschickt werden würde. Was zum Teufel würde dieser Eintopf werden? Ich möchte jedenfalls nicht, dass jeder selbst etwas mitbringt, bei den zwielichtigen Plänen, die es hier gibt.

Das ist zu lang für einen Prolog. Dennoch ist das da oben wirklich nur ein Prolog und nichts anderes. Die wahre Handlung beginnt erst am nächsten Tag. Es könnte auch in der Nacht begonnen haben, aber das macht keinen Unterschied.

Der nächste Tag war der 18. Dezember, and dem sogar die Bergbrisen gefroren waren. An diesem Tag wurde ich in den Abgrund des Schreckens geschleudert.

Lasst mich das im Vorfeld sagen: Es war nicht zum Lachen.




Kapitel 1[edit]

Morgens wurde ich zusammen mit der dreifarbig gestreiften Katze, die sich neben mir in die Bettdecke gehüllt hatte, von der üblichen Bettdecken-wegzieh-Attacke meiner Schwester geweckt. So ist meine Schwester, die frühmorgendliche Assassine, die die Befehle meiner Mutter pflichtbewusst ausführt.

"Mama sagt, du solltest ein vernünftiges Frühstück essen."

Lächelnd nahm meine Schwester mit beiden Armen die widerwillige Katze vom Bett auf und strich mit ihrer Nase hinter ihre Ohren.

"Shami auch! Essenszeit!"

Shamisen, der nach dem Kulturfest unser Haustier geworden war, gähnte mit einem ausdruckslosen Gesicht und leckte seine Vorderpfote. Der ursprünglich gesprächige dreifarbige Kater hatte seine Stimme komplett verloren und seinen Status als einfaches Haustier in unserem Haushalt gefestigt. Er war zu einer unscheinbaren Katze geworden, wie man sie überall finden kann – als hätte ich mir nur eingebildet, dass diese Katze je in menschlicher Sprache geredet hat. Wo ich jetzt so drüber nachdenke: Diese Katze ist großartig und nicht anspruchsvoll. Sie schnurrt selten, fast gar nicht, als hätte sie die Katzensprache zusammen mit der Menschsprache verlernt. Irgendwie hatte sie mein Zimmer zu ihrem Bett gemacht und blieb folglich auch beim regelmäßigen Auftauchen meiner Schwester, die sich eifrig um ihn kümmerte, ruhig.

"Shamiiii, Shamiiii. Es ist Essenszeit!"

sang meine Schwester, deren Text nicht zum Rhythmus passte, und verließ mein Zimmer, während sie die Katze mit offensichtlicher Anstrengung umarmte. Mit Gänsehaut aufgrund der kalten Morgenluft, warf ich einen kurzen Blick auf die Uhr. Letztlich erhob ich mich und gab die anhaltende Sehnsucht nach meinem warmen Bett auf.

Daraufhin zog ich mich an, wusch mich, ging nach unten ins Esszimmer, schlang mein Frühstück in fünf Minuten hinunter und verließ das Haus weit früher als meine Schwester. Heute war es wieder mal ein ganzes Stück kälter geworden.

Bis hierher war noch alles normal.


Ich war dabei, die übliche Steigung zu bewältigen, als der bekannte Hinterkopf in Sicht kam. Die Gestalt ungefähr zehn Meter vor mir war zweifelsohne Taniguchi. Normalerweise hüpfte und sprang dieser Typ diesen Wanderpfad hinauf, doch heute ging er definitiv langsam. Einen Moment später hatte ich ihn eingeholt.

"Hey, Taniguchi!"

Es wäre nett, die Initiative zu ergreifen und mal derjenige zu sein, der ihm auf die Schulter klopft, dachte ich mir und tat genau das.

"...Hmm, Kyon?"

Die Stimme klang gedämpft. Natürlich; Taniguchi trug eine weiße Maske.

"Was ist los? Erkältet?"

"Hä...?" Taniguchi sah erschöpft aus. "Eine Erkältung, wie du sehen kannst. Ehrlich gesagt, würde ich am liebsten die Schule ausfallen lassen, aber meinem Alten gefiel das nicht."

Gestern war er noch so energiegeladen, hat sich dann aber anscheinend eine Erkältung eingefangen.

"Was zum Teufel? Ich hab mich auch gestern schon nicht wohl gefühlt! *hust hust*"

Okay, nicht aus dem Konzept bringen lassen, nur weil ich nicht daran gewöhnt war, Taniguchi schwach und hustend zu sehen. Aber hat er gestern schon Anzeichen einer Krankheit gezeigt? Ich habe nur den üblichen Dummkopf gesehen.

"Hmm... wirklich? Ich hatte nicht vor, gesund auszusehen."

Taniguchi verdrehte seinen Kopf woraufhin ich gehässig grinste.

"Du hast doch fröhlich vom deinem Heiligabend-Date schwadroniert, oder? Nun, werd schnell gesund, bevor das Date ist! So eine Gelegenheit bietet sich selten, weißt du?"

Allerdings legte Taniguchi seinen Kopf noch schiefer.

"Date? Was zum Teufel? Idiot, ich hab Heiligabend nichts vor!"

Die "Was?" Frage hätte von mir kommen sollen. Was ist aus seiner Freundin an der Kouyouen Girls High geworden? Hat er erst gestern Abend einen Korb bekommen?

"Hey, Kyon, wovon zum Teufel sprichst du da? Ich weiß von nichts!"

Mürrisch schloss Taniguchi seinen Mund und drehte sich um, um wieder geradeaus zu gehen. Es schien als hätte er alle Symptome einer Erkältung und seine Schwäche sah nicht gespielt aus. Vielmehr waren in seinem Zustand seine Date-Pläne sicher hinüber und er war genauso sicher erschöpft. Dank seiner großen Ankündigung vorher, zerriss es ihm bestimmt das Herz, mir ins Gesicht zu sehen. Ich verstehe.

"Schau nicht so böse!"

Ich gab Taniguchi einen Stoß in den Rücken.

"Warum schließt du dich nicht der Eintopf-Party an? Wir können dich immer noch einplanen!"

"Welcher Eintopf? Von was für einer Party sprichst du? Ich kann mich nicht erinnern, was davon gehört zu haben..."

Oh, wirklich? Anscheinend saß der Schock so tief, dass es noch eine ganze Weile auf taube Ohren fallen würde, egal was ich sagte, nahm ich an. Also lass mich ihn an die Hand nehmen. Der unendliche Lauf der Zeit würde alles lösen. Ich versprach, die Sache nicht wieder zu erwähnen.

Taniguchi schleppte sich weiterhin hoch und auch ich setzte meinen Aufstieg neben ihm langsam fort.

In diesem Moment war es für mich immer noch unmöglich, es zu bemerken.


Ich wurde kalt erwischt: Die Erkältung hatte sich innerhalb von Klasse 1-5 zu einer Epidemie entwickelt, ohne dass ich es gemerkt hatte. Ich kam gerade vor dem Läuten der Schulglocke in die Klasse, doch es gab noch einige leere Stühle und ein Fünftel der Klasse hatte sich der Mode mit der weißen Maske ergeben. Die einzige Erklärung war, dass sie alle die Inkubationszeit ihrer Erkältungen mit der Schulzeit zusammengelegt hatten.

Ich war noch überraschter darüber, dass der Platz direkt hinter mir von der ersten Stunde an leer blieb.

"Das ist unglaublich..."

Hatte sich Haruhi krankschreiben lassen? War die Erkältungswelle dieses Jahr so schlimm und hart? Es ist unglaublich, dass es Krankheitserreger gibt, die den Mut haben, ihren Körper anzugreifen, ganz zu schweigen davon, dass sich Haruhi Bazillen und Viren geschlagen gibt. Die glaubwürdigere Erklärung war, dass Haruhi irgendwelche Pläne vorbereitete, die ihr gerade eingefallen waren. Vielleicht gäbe es noch mehr als einen Eintopf.

Die Stimmung in der Klasse war düster und das lag nicht daran, dass es keine Klimaanlage gab. Ein plötzlicher Anstieg an Abwesenden. Es schien als hätte sich die Bevölkerung der Klasse 1-5 irgendwie verringert.

Tatsächlich spürte ich Haruhis überwältigende Präsenz nicht von hinten. Aber gleichzeitig fühlte ich auch, dass sich die Atmosphäre auf unerklärliche Weise verändert hatte.

Dann kamen die Unterrichtsstunden, an denen ich träge teilnahm und danach folgte ruhig die Mittagspause.

Als ich meine eiskalte Lunchbox aus meiner Tasche holte, näherte sich Kunikida mit seinem Mittagessen in der Hand und setzte sich hinter mich.

"Anscheinend machst du ne Pause. Was dagegen, wenn ich hier sitze?"

sagte Kunikida, während er seine Tupperdose aus ihrer Folie wickelte. Nachdem wir in der High School Klassenkameraden geworden waren, war es schon halb zur Gewohnheit geworden, mit diesem Typen zu Mittag zu essen. Ich suchte nach meinem anderen Mittagsessenskumpel Taniguchi, doch der war nicht im Klassenzimmer; vielleicht war er in die Schulcafeteria gegangen.

Ich drehte meinen Stuhl zur Seite.

"Irgendwie ist die Erkältung plötzlich beliebt geworden. Zum Glück hab ich mich noch nicht angesteckt."

"Hmm?"

Kunikida setzte seine Tupperdose vorsichtig auf die ausgebreitete Folie und studierte den Inhalt, ehe er mir einen erstaunten Blick zuwarf. Während er seine Stäbchen bewegte, wie ein Krebs seine Scheren, sagte Kunikida:

"Anzeichen dafür, dass sich die Erkältung ausbreitet, waren schon seit einer Woche erkennbar! Es scheint keine Grippe zu sein, aber es wäre besser, wenn es eine wäre. Heutzutage gibt es dafür ja spezielle Hilfsmittel."

"Seit einer Woche?"

Ich hörte damit auf, mein mit Spinat verfeinertes Omelett zu schneiden und fragte erneut.

Ich konnte mich an niemanden erinnern, der letzte Woche Erkältungsbazillen verteilt hätte. Niemand hatte gefehlt und niemand hatte im Unterricht gehustet, soweit ich mich erinnern konnte. Jeder in Klasse 1-5 wirkte gesund, aber könnte es sein dass der Krankheitsteufel im Geheimen außerhalb meiner Sicht operiert hatte?

"Was? Es haben einige Leute gefehlt. Hast du das nicht bemerkt?"

Hab ich absolut nicht. Stimmt das wirklich?

"Natürlich tut es das. Anfang dieser Woche wurde es immer schlimmer. Aber bitte steckt nicht die ganze zehnte Klasse in Quarantäne. Die Winterferien würden sonst sicher ausfallen, da wette ich."

Kunikida stopfte sich mehr Furikake-Reis in den Mund.

"Taniguchi war die letzten Tage auch ganz blass um die Nase. Sein Vater will Krankheiten prinzipiell durch Elan bekämpfen und so kann er nicht zu Hause bleiben, wenn sein Fieber nicht über 40 Grad ist. Ich hoffe er macht was, bevor seine Erkältung schlimmer wird."

Ich hielt meine Stäbchen still.

"Kunikida. Entschuldige, aber ich dachte, Taniguchi sei erst seit heute halb tot."

"Oh nein, überhaupt nicht. Er war doch schon seit Anfang der Woche so, oder? Er war auch gestern nicht im Sportunterricht."

Ich wurde immer verwirrter.

Moment mal Kunikida. Wovon redest du da überhaupt? Soweit ich mich erinnern kann, hat sich Taniguchi gestern im Sportunterricht mit einem Elan an einem Fußballspiel beteiligt, als wäre er auf Steroiden. Ich kann mich nicht irren, denn ich war in der anderen Mannschaft und hab ihn mehrmals von der Seite gerammt. Ich habe es Taniguchi nicht nachgetragen, dass er jetzt ne Freundin hat, aber wenn ich gewusst hätte, dass das heute passiert, hätte ich es mir zweimal überlegt, ihn zu rammen.

"Bist du dir wirklich sicher? Das ist komisch!"

Kunikida legte seinen Kopf schief, als er die Karrotten aus seiner Kinpiragobou Mahlzeit pickte.

"Hab ich das falsch gesehen?"

fragte er in einem zurückhaltenden Ton.

"Hmm, wir werden es wissen, wenn Taniguchi zurückkommt."

Was zum Teufel ist heute passiert? Taniguchi und Kunikida reden, wie hinter dichtem Nebel und sogar Haruhi ist abwesend! Sag nicht, dass dies ein Omen für Geschehnisse ist, die für die gesamte Menschheit außer Haruhi Ärger bedeuten. Mein normalerweise nicht existenter sechster Sinn schlug Alarm und mir lief ein komischer Schauer den Rücken hinunter.


Ich hatte Recht.

Mein Bauchgefühl sollte man nicht unterschätzen. Das war ohne Zweifel ein Omen. Was mir mein Bauchgefühl nicht verriet, war, wen es betreffen würde. Die ganze Menschheit mit Ausnahme von Haruhi... nun nicht ganz. So überraschend es scheint, bemerkte nur eine Person den Verlauf der Ereignisse und war besorgt. Mit Ausnahme dieser armen Person, war die gesamte Menschheit absolut nicht betroffen. Das liegt daran, dass es keine Möglichkeit gab, den Beginn dieses Zwischenfalls zu bemerken. Es ist unmöglich, etwas zu bemerken, das sich außerhalb der eigenen Wahrnehmung abspielt. Aus ihrer Sicht hatte sich die Welt gar nicht verändert.

Also, wer war der Betroffene?

Die Antwort war offensichtlich.

Ich.

Ich stand sprachlos inmitten der Verwirrung und wurde letztendlich von der Welt zurückgelassen.

Ja, ich hab's endlich begriffen.

In der Mittagspause des 18. Dezembers.

Das Omen kam in körperlicher Form und öffnete die Klassentür.


Wow! Eine Gruppe Mädchen, die im vorderen Teil des Klassenzimmers saß, brach in Freudenschreie aus. Die Schreie rührten offensichtlich daher, dass sie den Klassenkameraden erkannten, der gerade eingetreten war. Durch die Lücken der lockeren Gruppe an Matrosenkleidern, erhaschte ich einen Blick auf diese Person im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

Mit einer Tasche in der Hand, lächelte diese Person den sich nähernden Freunden zu.

"Ja, mir geht's jetzt gut. Ich fühlte mich viel besser, nachdem ich heute Morgen im Krankenhaus eine Spritze bekommen habe. Und weil ich zu Hause nichts zu tun hatte, dachte ich, ich könnte wieder zur Schule kommen, wenn auch nur für die Nachmittagsstunden."

Ein freundliches Lächeln beantwortete die Frage, ob die Erkältung auskuriert sei. Als die kurzlebige Unterhaltung beendet war, kam diese Person, deren halblanges Haar hin und herschwang direkt... auf -- uns -- zu.

"Ups, ich muss weg!"

Kunikida biss auf seine Stäbchen und stand auf. Für mich war es, als hätte man meinen Stimmbändern die Sprachfähigkeit genommen oder sogar als hätte ich vergessen, Sauerstoff einzuatmen. Ich starrte diese Person einfach an. Der Lauf der Zeit schien unendlich, doch tatsächlich war sie nur ein paar Schritte gegangen. Als die Schritte endlich aufhörten stand diese Person direkt neben mir.

"Was ist los?"

Während sie mich ansah, sagte sie etwas Triviales in einem mysteriösen Tonfall.

"Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen! Oder hab ich etwa was im Gesicht?"

Dann wandte sie sich Kunikida zu, der versuchte seine Tupperdose aufzuräumen.

"Oh, lass mich nur einfach meine Tasche aufhängen. Iss bitte weiter. Ich hab schon gegessen bevor ich hergekommen bin. Für die Mittagspause leih ich dir meinen Platz."

Genau wie man es uns beigebrach hatte, hing sie ihre Tasche am Haken an der Tischseite auf und drehte sich graziös zum Ring wartender Freundinnen um.

"Warte."

Ich nehme an, meine Stimme hat einen schrillen Klang angenommen.

"Warum bist du hier?"

Diese Person drehte sich um und durchbohrte mich mit einem kühlen Blick.

"Was meinst du? Ist es komisch, dass ich hier bin? Oder meinst du, dass es besser wäre, wenn ich noch länger wegen einer Erkältung flachläge? Was genau meinst du damit?"

"Das nicht. Es ist mir egal, ob du erkältet bist oder nicht. Nicht das..."

"Kyon."

Kunikida tippte mir besorgt an meine Schulter.

"Du bist heute so komisch! Kyon hat schon den ganzen Tag komische Dinge gesagt."

"Kunikida, fällt dir gar nichts ein, wenn du diese Person siehst?"

Ich konnte das nicht mehr ertragen, stand auf und zeigte mit dem Finger auf die Person, die mich anschaute als wäre ich ein Mysterium.

"Du weißt doch auch, wer das ist oder? Diese Person sollte nicht einmal hier sein!"

"...Kyon, wie unhöflich, das Gesicht einer Mitschülerin zu vergessen, nur weil sie kurz abwesend war! Was meinst du damit, dass ich nicht hier sein sollte? Wir waren schon immer in derselben Klasse, oder?"

Ich könnte es unmöglich vergessen. Dieser Mordversuch! Selbst wenn ich das Gesicht einer Person vergessen würde, die mich gerne töten würde, ein halbes Jahr war ein wenig zu kurz dafür.

"Ich verstehe."

Die Person begann zu lächeln als hätte sie sich gerade einen tollen Streich ausgedacht.

"Du bist nach dem Mittagessen eingenickt, richtig? Bist du dir sicher, dass du nicht schlecht träumst? Das ist es. Los, wach auf!"

"Glaubst du?" Mit einem breiten Grinsen auf ihrem lieblichen Gesicht wandte sich die Person Kunikida zu, um auf seine Zustimmung zu warten. Sie nahm die Haltung des Mädchens an, dessen Bild sich in mein Gehirn eingebrannt hatte und nicht abgeschüttelt werden konnte.

Mir schossen verschiedene Bilder durch den Kopf. Ein Klassenraum, der in den Sonnenuntergang gebadet wurde – Schatten, die sich auf dem Boden ausbreiteten – Wände ohne Fenster – ein verzerrter Raum – ein gezogenes Messer – die Spur eines Lächelns – Sandartige Kristalle, die zerfielen...

Nachdem sie in ihrem Kampf mit Nagato besiegt und vernichtet worden war, war die ursprüngliche Klassensprecherin offiziell an eine Schule in Kanada gewechselt.

Vor mir stand Ryouko Asakura.


"Du wirst erfrischt sein, wenn du dein Gesicht wäschst. Hast du ein Taschentuch dabei? Ich kann dir meins leihen."

Asakura griff mit ihrer Hand in ihre Rocktasche und ich stoppte sie mit meiner. Wer wusste schon, ob sie nicht mehr als nur ihr Taschentuch herausholen würde?"

"Nein danke. Sag mir lieber was los ist. Alles. Besonders sag mir, warum du deine Tasche an Haruhis Platz ablegst? Das ist nicht dein Platz sondern Haruhis."

"Haruhi?"

Asakura zog ihre Augenbrauen hoch und fragte Kunikida:

"Wer ist Haruhi? Gibt es jemanden mit diesem Spitznamen?"

Kunikida gab eine Antwort, die jegliche Hoffnung zerstörte:

"Sagt mir nichts. Haruhi-san... wie schreibt man das?"

"Haruhi ist Haruhi!"

murmelte ich verwirrt.

"Habt ihr alle Haruhi Suzumiya vergessen? Wie könnt ihr jemals so eine Person vergessen?"

"Haruhi Suzumiya... Nun, Kyon."

Mit tröstender Stimme enthüllte Kunikida langsam:

"So jemanden gibt es in unserer Klasse nicht! Übrigens war dieser Platz Asakura-sans seit der Umverteilung der Plätze neulich. Hast du das mit einer anderen Klasse verwechselt? Hmm, ich habe nie von einer Suzumiya gehört. Dürfte nicht in der zehnten Klasse sein..."

"Ich hab auch keine Ahnung."

Mit der Stimme einer freundlichen Katze sprach Asakura, als wollte sie mich dazu überreden, mich in Behandlung zu begeben.

"Kunikida-kun, kannst du in meinen Schreibtisch schauen? In der Ecke sollte ein Buch mit den Namenslisten der Klassen sein.

Ich riss Kunikida das Buch, das er hervorholte, aus der Hand. Ich öffnete als erstes die Seite zur Klasse 1-5 des ersten Jahres und fuhr mit meinem Finger über die Namen der Mädchen.

Saeki, Sakanaka, Suzuki, Seno...

Kein einziger Name zwischen zwischen Suzuki und Seno. Der Name von Haruhi Suzumiya war aus dem Klassenbuch verschwunden. Wonach suchst du? So ein Mädchen existiert doch gar nicht! schrie die Seite laut heraus und ich schloss das Buch zusammen mit meinen Augen.

"...Kunikida, Ich hab eine Bitte."

"Ja?"

"Hau mir auf die Wange, ich will aufwachen."

"Bist du sicher?"

Er legte seine ganze Kraft hinein. Es war schmerzhaft. Aber ich wachte nicht auf. Als ich meine Augen öffnete konnte ich noch immer Asakura, deren Lippen sich zu einem Bogen krümmten, dastehen sehen.

Was zum Henker war passiert?

Ich bemerkte plötzlich, dass wir zum Mittelpunkt der Klasse geworden waren. Alle Augen waren auf mich gerichtet, als würden sie einen alten streunenden Hund sehen, der unter der Staupe litt. Verdammt! Warum? Ich hab nichts Falsches gesagt.

"Verdammt!"

Ich stellte den Leuten um mich herum immer wieder zwei Fragen:

Wo ist Haruhi Suzumiya?

Hat Ryouko Asakura nicht die Schule gewechselt?

"Keine Ahnung"

"Nein, hat sie nicht."

Die Antworten die ich bekam gefielen mir gar nicht. Vielmehr verursachten sie bei mir Schwindelgefühl und Übelkeit. Ich konnte meinen Körper nur abstützen, indem ich meine Hand auf einen in der Nähe stehenden Tisch stützte. Irgendein Teil meines Verstands schien zersprungen zu sein.

Asakura legte ihre Hand auf mein Handgelenk und schaute mich besorgt an. Der süße Geruch ihres Haares war für mich wie ein Betäubungsmittel.

"Scheint als müsstest du ins Krankenzimmer. Sowas kann passieren, wenn es dir nicht gut geht. Das muss es sein! Kann es sein, dass du dich erkältet hast?"

Unmöglich!

Ich würde am liebsten laut schreien. Ich war nicht der Seltsame! Die Situation selbst war seltsam!

"Lass deine Hände von mir!"

Ich stieß Asakuras Hand beiseite und rannte zur Klassentür. Das leicht unangenehme Gefühl auf meiner Haut kam mir zu Bewusstsein. Die Erkältungswelle, die plötzlich ausgebrochen war, die Lücke in der Unterhaltung mit Taniguchi, das Verschwinden von Haruhis Namen aus dem Klassenbuch, das Auftauchen von Asakura... Was? Haruhi war verschwunden? Niemand erinnerte sich an sie? Das konnte nicht sein. Drehte sich die Welt nicht um dieses Mädchen? War dieses Mädchen nicht DER Charakter auf der schwarzen Liste des Universums?

Kurz vor dem hinfallen stapfte ich mit meinen Beinen auf und betrat den Flur fast auf allen Vieren.

Das erste, was mir in den Sinn kam, war Nagatos Gesicht. Sie würde mir die Situation definitiv erklären. Schließlich war sie Yuki Nagato, die leise aber allmächtige außerirdische Androidin. Sie würde es immer in Ordnung bringen. Es ist keine Übertreibung, dass ich dank Nagato überleben konnte.

Ich habe Nagato!

Und sie würde jemandem wie mir in dieser aussichtslosen Situation helfen!

Nagatos Klasse war in Sicht. Ohne rennen zu müssen, kam ich wenige Sekunden später an. Ohne nachdenken zu können, öffnete ich die Tür und suchte nach der kleinen, kurzhaarigen Gestalt.

Nicht da.

Doch es war zu früh um aufzugeben. In der Mittagspause saß sie sicher im Clubraum und las Bücher. Auch wenn sie nicht im Klassenzimmer war, wäre es unklug gewesen, daraus zu schließen, dass auch Nagato verschwunden war.

Der nächste Typ, an den ich dachte, war Koizumi. Der Clubraum des Literaturclubs befand sich im alten Flügel und war weit von hier entfernt. Das Gebäude war sogar jenseits von Asahina-sans Klassenraum der elften Klasse. Es ginge schneller, in die Klasse 1-9 ein Stockwerk tiefer zu gehen. Itsuki Koizumi, sei einfach da! Nie würde ich dein immer lächelndes Gesicht lieber sehen.

Ich trabte den Flur entlang, sprang die letzten drei Stufen der Treppe hinunter und lief in Richtung der Klasse 1-9 in der Ecke des Schulgebäudes, während ich betete, dass dieser Typ mit übernatürlichen Kräften da sein würde.

Ich passierte Klasse 1-7, ich passierte Klasse 1-8 und Klasse 1-9 würde...

"Was? Wie ist das möglich?"

Ich hielt an, begann endlich zu verstehen und überprüfte noch einmal die Schilder, die an der Wand hingen. Links neben Klasse 1-8 war Klasse 1-7. Rechts neben Klasse 1-8 war...

Nur der Zugang zur Feuertreppe.

Sonst nichts. Keine Spur von irgendwas.

"Von allen Dingen, wer hätte sich das vorstellen können...?"

Nicht nur Koizumi.

Die ganze Klasse 1-9 war verschwunden.


Jetzt waren mir wirklich die Hände gebunden.

Wer hätte sich vorstellen können, dass ein Klassenraum, der gestern noch existiert hatte, heute verschwunden sein würde? Es war nicht, als wäre nur eine Person verschwunden, die ganze Klasse war ausgelöscht und das Gebäude geschrumpft. Egal wie sehr man sich bei der Arbeit beeilte, sowas konnte man unmöglich in einer Nacht schaffen. Wohin sind die ganzen Leute aus Klasse 1-9 verschwunden?

Dieser große Schock hatte mein Zeitgefühl getroffen. Gott weiß, wie lang ich da wie festgewurzelt stand, bis ich durch einen leichten Stoß in meinen Rücken mein Bewusstsein wiedererlangte. Benebelt hörte ich die Stimme eines Biologielehrers, der aussah, wie ein Marshmallow, der ein paar Bücher umarmt.

"Was machst du hier? Der Unterricht hat begonnen! Geh in dein Klassenzimmer!"

Ich muss das Klingeln verpasst haben, dass das Pausenende verkündete. In dem Flur waren bereits keine Leute mehr und es hallte nur die erhobene Stimme eines Lehrers aus dem Klassenraum 1-7 herum.

Ich setzte mich schwankend in Bewegung. Die Zeit, um die Zeichen zu überprüfen war abgelaufen. Die Dinge waren bereits in Gang gesetzt. Jene, die nicht existieren sollten, waren aufgetaucht, und jene, die existieren sollten, verschwunden. Das Haruhi, Koizumi und alle Schüler der Klasse 1-9 nur gegen Asakura ausgetauscht wurden, stand in keinem Verhältniss.

"Was zum Teufel?"

Wenn ich nicht verrückt wurde, war die Welt verrückt geworden.

Wer hat das getan?

Warst du es, Haruhi?


Dank dieser Geschehnisse bekam ich absolut nichts vom Nachmittagsunterricht mit. Alle Stimmen und Geräusche gingen direkt durch meinen Verstand hindurch und keine Information schaffte es, sich in meinem Gehirn einzunisten. Eh ich mich versah, war die letzte Stunde zuende und die Zeit nach der Schule hatte begonnen.

Ich war verängstigt, nicht so sehr wegen Asakura, die hinter mir mit ihrem Kugelschreiber kritzelte, sondern vielmehr, weil weder Haruhi noch Koizumi in der Schule waren. Selbst die erneute Bestätigung von anderen, verwirrte mich nur noch mehr. "Das sagt mir nichts." Jedesmal, wenn ich diesen Satz hörte, versank ich tiefer in einem Sumpf ohne Boden. Ich hatte noch nicht mal genug Energie regeneriert, um meinen Hintern von meinem Stuhl zu erheben.

Taniguchi ging direkt nach Hause, zusammen mit Kunikida, der meinetwegen etwas besorgt war. Asakura verließ den Klassenraum fröhlich lachend mit ein paar Mädchen. Sie warf mir noch einen Blick zu, bevor sie rausging, einen Blick der ernste Besorgnis gegenüber einem deprimierten Mitschüler zeigte, und mir wurde deswegen ganz schwindelig. Verdächtig. Alle miteinander.

Als mich die Typen, die mit Aufräumen dran waren, fast wegtrugen, schaffte ich es endlich, mit meiner Tasche in der Hand in den Flur hinauszugehen.

Schließlich gehörte ich nach dem Unterricht nicht hierher.

Schweren Herzens ging ich die Treppen hinunter und erreichte das Erdgeschoss. Dort erschien ein Lichtblick vor meinen Augen und ich rannte auf ihn zu.

"Asahina-san!"

Konnte es einen schöneren Anblick als diesen geben? Mir entgegen lief meine Göttin, mein Augenschmaus. Was das Ganze noch besser machte, war der Anblick von Tsuruya-san neben der bezaubernden, kindsgesichtigen Schönheit. Die überwältigende Freude nahm mir jede Rücksichtnahme.

-- Ich hätte mich wohl ein wenig mehr zurückhalten sollen.

Ich stürmte mit unglaublicher Geschwindigkeit zu den Schülerinnen aus dem Jahrgang über mir und ergriff fest die Schultern von Asahina-san, deren Augen sich weiteten.

"He-eh!"

Der Schock war ihrem Gesicht deutlich anzusehen, doch mein Mund redete einfach weiter.

"Haruhi ist verschwunden. Aus Koizumis Klasse ist das verschwundene Klassenzimmer geworden! Ich habe Nagato noch nicht gefunden, aber Asakura ist hier, und die Schule selbst ist zu einem komischen Ort geworden! Du bist doch noch meine Asahina-san, oder?!"

Bang! Das war das Geräusch, dass Asahina-sans Tasche und Kalligraphie Set machten, als sie zu Boden fielen.

"Äh? Ah, he... Äh. Nun...Aber..."

"Also, bist du Asahina-san aus der Zukunft?"

"... die Zukunft? Was meinst du? Und, bitte... lass mich los."

Mein Magen zog sich zusammen. Asahina-san schaute mich an, wie eine zahme Impala, die einen wilden Jaguar sah. Ihre Augen waren klar von Angst erfüllt und das war es, was ich am meisten fürchtete.

Gerade als ich vor Schock ganz steif war, spürte ich, wie mein Arm nach oben hin verdreht wurde. Meine Gelenke gaben ein auffallendes Knacken von sich. Autsch!

"Warte mal, Junge!"

Tsuruya-san packte meinen Arm mit einer uralten Kampftechnik.

"Hör auf Leute anzufallen! Sieh nur, meine Mikuru zittert von Kopf bis Fuß!"

Die Stimme lachte, doch der Blick ihrer Augen war so scharf wie ein Schwert. Ich sah zu Asahina-san. Sie wich definitiv mit tränenerfüllten Augen zurück.

Die Stimme lachte, doch der Blick ihrer Augen war so scharf wie ein Schwert. Ich sah zu Asahina-san. Sie wich definitiv mit tränenerfüllten Augen zurück.

"Bist du ein Zehntklässler aus dem Mikuru Fanclub? Es gibt für alles Prozeduren, Jungchen. Es zu überstürzen beeindruckt mich nicht."

Der psychologische Schauer, den ich heute schon so oft verspürt hatte, lief mir über den Rücken.

"Tsuruya-san..." Noch immer in der Udegarami Haltung festgehalten, zwang ich ein Geräusch heraus.

Tsuruya-san schaute mit direkt ins Gesicht, als wär ich für sie ein Wildfremder.

Tsuruya-san, du auch...?

"Hey, woher kennst du mich? Nebenbei, wer bist du? Ein Bekannter von Mikuru?"

Ich sah etwas, das ich am wenigsten sehen wollte. Asahina-san, die sich hinter Tsuruya-san verkrochen hatte, schaute mich genauer an und schüttelte heftig ihren Kopf.

"K-k-kenne ihn überhaupt nicht. Ä... äh. Er muss mich mit jemand anderem verwechselt haben..."

Mich fühlend, als hätte ich die Punktekarte für totales Versagen in diesem Jahr erhalten, kurz bevor sich mein zehntes Jahr dem Ende zuneigte, verschwamm meine Sicht. Von jedem würde ich verbale Angriffe still hinnehmen, doch Asahina-sans Worte waren der größte Schock für mich, seit meine Cousine, in die ich in meiner Jugend verknallt gewesen war, mit einem anderen Jungen durchgebrannt war.

Sicher hab ich sie nicht mit jemand anderem verwechselt, da ich Asahina-san Asahina-san genannt hatte, außer diese Asahina-san war eine Asahina-san aus einer anderen Zeit... Oh, ich hab's! Es gab einen Weg, herauszufinden, ob diese Asahina-san tatsächlich die Asahina-san war, die ich kannte, oder?

"Asahina-san."

Ich zeigte mit meiner freien Hand auf meine Brust. Ich kann nur sagen, dass ich den Verstand verloren hatte. Mein Mund sagte den folgenden Satz von alleine:

"Du müsstest ungefähr hier auf deiner Brust ein sternförmiges Geburtsmal haben. Hast du eins? Wenn es dir recht ist, lass mich nachschauen--"

Mich traf ein Schlag mit voller Kraft.

Von Asahina-sans Faust.

Sprachlos von dem Satz, den ich gerade ausgespuckt hatte, wurde Asahina-san immer röter. In ihren Augen waren Tränen zu sehen und in einer amateurhaften Bewegung schlug sie mein Gesicht mit einer rechten Geraden. "...Urgh" ein schluchzendes Geräusch entrang sich ihrer Kehle, als sie davonrannte.

"Hey, Mikuru! Ach egal. Und du, Jungchen, pass auf deinen Otaku-Gestank auf! Mikuru-chan ist rech ängstlich, weißt du! Solltest du es wagen, ihr noch einmal etwas anzutun, kriegst du meinen haarsträubenden Zorn zu spüren!"

Tsuruya-san gab meinem Handgelenk noch einen ungebeten engen letzten Griff, bevor sie die Tasche und das Kalligraphie Set aufhob, vor ihre Brust hielt und hinter Asahina-san herjagte.

"Hey, warte kurz— Mikuru—"

"..."

Als ich den beiden betäubt nachsah, blies in meinem Kopf ein kalter winterlicher Wind.

Das ist zweifelsohne das Ende von allem.

Würde ich den morgigen Tag überleben? Wenn sich die Nachricht, dass ich Asahina-san zum Weinen gebracht hatte, in der Schule rumsprechen würde, dann gäbe es mehr als nur ein paar Typen, die mich angreifen würden. Wäre es umgekehrt, würde ich mich genauso verhalten. Vielleicht sollte ich mein Testament machen.


Ich wurde allmählich an das Ende meines Verstandes gedrängt. Ich rief auf Haruhis Handy an, nur um den üblichen Spruch "die gewählte Rufnummer ist nicht mehr verfügbar" zu hören. Ich hatte keine Ahnung von ihrer Haustelefonnummer und ihr Name war komplett aus dem Klassenbuch gelöscht. Ich überlegte, zu ihr nach Hause zu gehen, doch bei genauerer Betrachtung war ich dort noch gar nicht gewesen. Es war unfair, bedachte man, dass Haruhi schon bei mir zu Hause gewesen war, doch jetzt war es zu spät, darüber nachzudenken.

Trotz des Verschwindens der Klasse 1-9, ging ich ins Sekretariat und fragte, ob Koizumi oder Haruhi, wegen Krankheit fehlten. Das Resultat war absolut negativ. Es gab keine Schülerin namens Haruhi Suzumiya in irgendeiner Klasse. Es gab keinen Schüler der vorher oder jetzt auf diese Schule gewechselt hatte und Itsuki Koizumi hieß. Oder so ähnlich, hörte ich.

Ich war in einer Sackgasse gelandet.

Wo könnten Spuren sein? Wurde dieses Wo ist Haruhi Spiel von Haruhi veranstaltet? War dies ein Spiel, bei dem man herausfinden musste, wo die verschwundene Haruhi hin war? Aber was sollte dieses Spiel?

Während ich lief, dachte ich nach. Dank Asahina-sans einzelnem Schlag hatte sich mein Kopf ein wenig abgekühlt. Es machte keinen Sinn, mir den Arsch abzurennen. In so einer Situation musste ich ruhig bleiben. Ruhig.

"Bitte, ich flehe dich an", murmelte ich.

Es gab jetzt nur ein Ziel. Es war der letzte Grundstein, die letzte Verteidigungslinie. Wenn dies einbrach, dann wäre alles vorbei. Game Over.

Der Literaturclubraum im Clubraum-Block, der normalerweise Alter Block genannt wurde.

Wenn Nagato nicht da war, was konnte ich überhaupt tun?

Bedächtig verringerte ich meine Geschwindigkeit und nahm mir die Zeit, die ich brauchte, um den Clubraum zu erreichen. Nach ein paar Minuten stand ich vor der alten und abgenutztenen Holztür und legte mir die Hand auf die Brust um meinen Herzschlag zu fühlen. Er war weit vom Normalbetrieb entfernt, doch er war deutlich besser als in der Mittagspause. Scheinbar sind meine Sinne immer tauber geworden, nachdem sie zu oft von der Kette von Anomalitäten getroffen worden sind. Ich stand mit dem Rücken zur Wand. Es gab keinen anderen Weg, als in die Dunkelheit zu stürmen und dabei den schlimmsten Fall im Kopf zu haben.

Ich klopfte gar nicht erst und stieß die Tür weit auf.

"...!"

Und dann sah ich.

Eine kleine Gestalt, die auf einem behelfsmäßigen Stuhl saß, mit einem aufgeschlagenen Buch aufgeschlagen an der Kante des langen Tisches vor ihr.

Es war Yuki Nagato, die mich direkt durch ihre Brille anstarrte, die Überraschung quer über ihr Gesicht geschrieben und ihr Mund aufgeklappt.


"Du bist hier..."

Ich gab ein leises Seufzen von mir, das halb aus Resignation und halb aus Erleichterung bestand und schloss die Tür hinter mir. Wie üblich sagte Nagato nichts, doch ich konnte mich nicht entspannen und jubeln. Die Nagato, die ich kannte, trug seit dem Vorfall mit Asakura keine Brille mehr. Dennoch trug die Nagato hier genau dieselbe Brille, wie die, die sie noch vor kurzem getragen hatte. Ich dachte nochmal drüber nach, aber Nagato sah ohne Brille einfach cooler aus. Mir gefiel es jedenfalls besser.

Darüberhinaus passte ihr Gesichtsausdruck einfach nicht. Was war mit diesem Ausdruck, der wirkte, wie der eines Literaturclubmitglieds, dass von einem hereinstürmenden männlichen Schüler überrascht wurde, den es gar nicht kannte? Was hatte es mit dieser Überraschung auf sich? Ist es nicht charakteristisch für Nagato, nicht die geringsten Emotionen zu haben?

"Nagato..."

Mit Asahina-sans Lektion noch frisch im Kopf, schaffte ich es, meinen sprungbereiten Oberkörper zurückzuhalten und zum Tisch zu gehen.

"Was?"

Nagato antwortete ohne sich einen Zentimeter zu bewegen.

"Sag mir. Kennst du mich?"

Sie spannte ihre Lippen und drückte den Bügel ihrer Brille. Dann folge eine lange Stillephase.

Ich dachte schon darüber nach, aufzugeben und mich in ein Kloster von dieser Welt zurückzuziehen, als eine Antwort kam:

"Ich kenne dich."

Nagato richtete ihren Blick irgendwo auf meine Brustgegend. Meine Hoffnung wuchs. Diese Nagato konnte die Nagato sein, die ich kannte.

"Tatsächlich weiß ich auch ein wenig über dich. Würdest du mir für eine Sekunde zuhören?"

"..."

"Du bist kein Mensch, sondern eine organische Androidin die von Außerirdischen geschaffen wurde. Du hast schon mehrmals beeindruckende besondere magieartige Fähigkeiten benutzt, wie einen Baseballschläger im Home-Run-Modus und das Eindringen in den Raum einer Höhlengrille..."

Kaum hatte ich angefangen, zu reden, schon spürte ich, wie ich es bereute. Nagato zeigte eindeutig einen verwunderten Gesichtsausdruck. Ihre Augen und Mund standen offen und ihr Blick wanderte um meine Schultern. Aus dieser Atmosphäre schloss ich, dass sie offensichtlich zu verängstigt war, um mich direkt anzuschauen.

"... Du warst es, die ich die ganze Zeit gekannt habe. Ist das korrekt?"

"Es tut mir leid."

Nagatos Antwort ließ mich daran zweifeln, dass meine Ohren richtig funktionierten. Warum entschuldigen? Warum sagt Nagato das?

"Ich weiß nicht. Ich weiß, dass du ein Schüler der Klasse 1-5 bist. Ich sehe dich gelegentlich. Aber ansonsten weiß ich nichts. Für mich ist es das erste Mal, dass ich mit dir gesprochen habe."

Die letzte Grundmauer verwandelte sich in ein Haus, das auf losem, verwittertem Sand gebaut worden war, zerbrach und in sich zusammenstürzte.

"...Also bist du keine Außerirdische? Der Name Haruhi Suzumiya sagt dir überhaupt nichts?"

Nagato legte verwirrt ihren Kopf schief, während sie sich das Wort "Außerirdische" durch den Kopf gehen ließ.

"Nein" antwortete sie.

"Warte mal!"

Abgesehen von Nagato, auf wen konnte ich mich sonst verlassen? Ich war wie ein Schwalbenküken, dass von seinen Eltern zurückgelassen worden war. Die einzige Möglichkeit, meinen Verstand nicht zu verlieren, wäre, indem sie etwas tut. Wenn das so weiterginge, würde ich durchdrehen.

"Unmöglich!"

Oh nein, ich verlor wieder die Beherrschung. Mein Geist verwirrt, mit Meteoritenschauern in den drei Primärfarben, die wie wild herumflogen, umrundete ich den Tisch und näherte mich Nagatos Seite.

Die blassen Finger schlossen das Buch. Es war ein dickes Hardcover. Ich konnte den Titel nicht rechtzeitig erkennen. Nagato stand von ihrem Stuhl auf und wich einen Schritt zurück, als würde sie vor mir flüchten. Ihre beiden Augen, die aussahen wie polierte schwarze Go-Steine, rollten zögerlich hin und her.

Ich legte meine Hände auf Nagatos Schultern. Ich konnte keine Selbstbeherrschung aufbringen, um an mein vorheriges Versagen bei Asahina-san zurückzudenken. Ich war total darauf fokussiert, Nagato nicht weggehen zu lassen. Wenn ich sie nicht so gegriffen hätte, fürchtete ich, wären mir alle meine Freunde durch die Finger geglitten. Ich wollte nicht noch jemanden verlieren.

Während meine Hand ihre Körperwärme durch die Schuluniform spürte, sprach ich zu ihrem von kurzem Haar umrandeten Profil, da sie ihr Gesicht von mir abwandte.

"Bitte erinnere dich! Die Welt hat sich verändert, als aus gestern heute wurde. Haruhi wurde durch Asakura ersetzt! Wer steckt hinter diesem Spielertausch? Die Entität des integrierten Datenbewusstseins? Asakura wurde wiederbelebt, also musst du etwas wissen! Du und Asakura habt denselben Ursprung, oder? Selbst wenn du komplizierte Begriffe benutzen muss, solltest du es erklären können--"

Wie du es schon immer getan hast, wollte ich fortfahren, doch ich spürte, wie sich flüssiges Blei in meinem Magen ausbreitete.

Was hat diese Reaktion zu bedeuten... die der einer normalen Person entsprach?

Nagatos Augen waren fest geschlossen und eine leichte Rötung breitete sich auf ihrer porzellanartigen blassen Wange aus. Gestöhne, wie leichtes Seufzen kam von ihren leicht geöffneten Lippen, und ich bemerkte endlich das Zittern ihrer zierlichen Schultern unter meinen Händen, wie ein Hundewelpe in kalter Luft. Eine zitternde Stimme drang an mein Ohr:

"Hör auf..."

Ich fasse zusammen: Seit einiger Zeit war Nagatos Rücken an die Wand gepresst. Mit anderen Worten, ich hatte sie an die Wand gedrückt, ohne es zu merken. Was hatte ich getan? Ich verhielt mich wie ein Schläger, richtig? Wenn das jemand gesehen hätte, wäre ich sofort in Handschellen gelegt und öffentlich verurteilt worden. Objektiv betrachtet war ich nur ein Bastard, der im Literaturclubraum ein sanftes weibliches Mitglied angriff, als nur wir beide da waren.

"Es tut mir leid."

Ich hielt meine Hände hoch, während ich spürte, wie mich meine Kraft verließ.

"Ich wollte dich nicht angreifen. Ich wollte nur etwas bestätigen..."

Meine Knie wurden weich. Ich zog einen nahestehenden Klappstuhl an meine Seite und sackte auf ihm zusammen, wie ein Weichtier direkt nach der Landung. Mit ihrem Rücken zur Wand bewegte sich Nagato gar nicht. Ich konnte mich nur glücklich schätzen, dass sie nicht aus dem Raum gestürmt war.

Ich ließ meinen Blick noch einmal durch den Raum schweifen und erkannte mit einem Blick, dass dies nicht das geheime Hauptquartier der SOS Brigade war. In diesem Raum gab es Bücherregale und Klappstühle sowie einen Desktop Computer auf einem langen behelfsmäßigen Tisch. Der Desktop war nicht das neueste Modell, das Haruhi vom Computerclub erpresst hatte, sondern ein Modell, dass mindestens drei Generationen älter war. Der Unterschied in der Prozessorstärke war wie der Unterschied zwischen einer zwei-Pferde Kutsche und einem Transrapid.

Der Captain-Schreibtisch mit dem Prisma, auf dem das Wort "Captain" stand, war wie erwartet nirgends zu sehen. Der Kühlschrank und der Kleiderständer mit den verschiedenen Kostümen fehlten ebenfalls. Keine von Koizumi hergebrachten Brettspiele. Kein Dienstmädchen. Keine Enkelin des Weihnachtsmannes. Überhaupt nichts.

"Verdammt!"

Ich stützte meinen Kopf mit den Händen. Game Over! Wenn das jemandes psychologischer Angriff war, dann herzlichen Glückwunsch für den herausragenden Erfolg. Ich würde ihr als erstes die Ehre erweisen. Also, wer steckte hinter diesem Experiment? Haruhi? Die Entität des integrierten Datenbewusstseins? Irgendein unbekannter neuer Feind der Welt? ...

Es dauerte ungefähr fünf Minuten. Während ich versuchte meine Stimmung zu verbessern, hob ich verlegen meinen Kopf.

Noch immer an die Wand gelehnt, hatte Nagato ihre ebenholzfarbigen Augen auf mich fixiert. Ihre Brille war leicht geneigt. Das einzige, wofür ich dem Himmel dankte, war, dass Nagatos Augen keine Zeichen von Angst oder Entsetzen zeigten, sondern funkelten wie die einer Schwester, die zufällig auf der Straße mit ihrem totgeglaubten Bruder wiedervereint worden war. Es schien zumindest nicht so, als würde sie den Vorfall melden. In all dieser Panik, war dies die einzige kleine Quelle der Erleichterung.

Warum setzt du dich nicht? fing ich an, doch dann merkte ich, dass ich Nagatos Stuhl genommen hatte. Sollte ich ihr den Stuhl zurückgeben oder ihr einen anderen ausklappen. Oh, und sie wird wohl nicht in meiner Nähe sitzen wollen.

"Entschuldige."

Mit einer weiteren Entschuldigung stand ich auf. Ich nahm einen der zusammengefalteten Stühle und begab mich in die Mitte des Raumes. Ich schätzte einen sicheren Abstand zu Nagato ab, klappte den Stuhl auseinander, setzte mich drauf und stützte meinen Kopf wieder mit den Händen.

Dies war nur ein kleiner Literaturclub. Eines Tages im Mai hatte Haruhi mich hierher geschleift, wie ein durchgedrehter Industrieroboter, und wir waren Nagato zum ersten Mal begegnet. Der Raum, den ich bei dieser ersten Begegnung gesehen hatte, war genau so gewesen. Damals war dieser Raum nur mit den Tischen, den Stühlen, den Bücherregalen und Nagato ausgestattet gewesen. Seitdem sind verschiedene Sachen aufgetaucht, nur weil Haruhi verkündet hat: "Von nun an ist dies unser Clubraum!" Zu diesen Sachen gehörten ein tragbarer Herd, ein Kessel, ein Tontopf, ein Kühlschrank, ein Desktop...

"Warte."

Ich nahm die Hände von meinem Kopf.

Warte. Was war hier nochmal?

Ein Kleiderständer, ein Wasserkocher, ein Teekessel, Teetassen, ein alter Kassenrekorder...

"Nicht das."

Suche nach Gegenständen, die nicht in diesem Raum existierten, bevor er zum Schlupfwinkel der SOS Brigade wurde, danach existierten und nun hier in diesem Raum existieren.

"Der Desktop!"

Das Modell war definitive ein anderes. Nur das Stromkabel lief über den Boden, also war er höchstwahrscheinlich nicht mit dem Internet verbunden. Dennoch war dies der einzige Gegenstand, der meine Aufmerksamkeit erregte. Es war die einzige Lösung für dieses "Finde den Unterschied"-Spiel.

Nagato stand noch immer. Ihre Augen waren lange auf mich fixiert, als wäre ich es wert, komplett alarmiert zu sein. Doch als ich ihr mein Gesicht zuwandte, senkte sich ihr Blick sofort auf den Boden. Als ich genauer hinsah, konnte ich tatsächlich sehen, wie ihre Wangen erröteten. Hey... Nagato. Das bist nicht du! Du lässt deine Augen niemals umherwandern und dein Gesicht vor Verwirrung erröten.

Vielleicht war es hoffnungslos, doch ich tat, als wäre ich völlig gelassen, als ich in der Hoffnung, sie nicht zu alarmieren, aufstand.

"Nagato."

Ich zeigte auf die Rückseite des Desktops.

"Könnte ich kurz damit spielen?"

Nagatos Ausdruck war zuerst geschockt und wurde immer mehr zu Verlegenheit, als ihre Augen einige Male zwischen mir und dem Desktop hin und her schossen. Sie holte tief Luft.

"Einen Moment."

Tollpatschig brachte sie ihren Stuhl vor den Desktop, drückte den Schalter am Hauptgerät und setzte sich hin.

Das Betriebssystem zu booten dauerte so lang, wie es dauert eine frisch gekaufte Kanne heißen Kaffee auf eine Temperatur abzukühlen, so dass eine Katze ihn trinken würde. Nachdem das Geräusch, das an ein Eichhörnchen erinnerte, dass an Baumwurzeln knabberte, endlich aufgehört hatte, bewegte Nagato schnell die Maus, wobei ich davon ausging, dass es zum Löschen oder Verschieben von Dateien war. Vielleicht gab es etwas, von dem sie nicht wollte, dass andere es sahen. Ich verstand ihre Gefühle. I würde auch nicht wollen, dass jemand den MIKURU Ordner sieht.

"Hier, bitte",

sagte Nagato mit leiser Stimme ohne mich anzuschauen, verließ dann ihren Platz und stand an der Wand wache.

"Entschuldige den Aufwand."

Nachdem ich mich auf dem Platz niedergelassen hatte, spähte ich auf den Bildschirm und nutzte alle mir bekannten Techniken um nach dem MIKURU Ordner und den Dateien der SOS Brigade Seite zu suchen. Das Gefühl der Hoffnungslosigkeit wog schwer auf meinen Schultern.

"... Nicht hier."

Trotz allem, was ich getan hatte, konnte ich die Verbindung nicht finden. Der Beweis von Haruhis Existenz war nirgends zu finden.

Ich fragte mich, welche Daten Nagato vorher versteckt hatte, doch ich konnte einen wachsamen Blick von hinten spüren. Die Stimmung war, als wäre sie bereit, sofort den Stecker zu ziehen sobald die nicht-gesehen-werden-sollenden Daten davor waren, entdeckt zu werden.

Ich stand von meinem Sitz auf.

Der Computer enthielt anscheinend keine Hinweise. Was ich wirklich sehen wollte, waren weder Asahina-sans Fotogalerie, noch die Webseite der SOS Brigade. Ich hatte gehofft, dass eine Hinweismeldung von Nagato erscheinen würde, wie damals, als Haruhi und ich in der versiegelten Realität gefangen gewesen waren. Meine Hoffnung wurde gnadenlos vernichtet.

"Entschuldige den Aufstand."

Ich entschuldigte mich mit einer müden Stimme und wandte mich der Tür zu. Ich geh nach Hause. Und dann geh ich ins Bett.

Dann passierte etwas Überraschendes.

"Warte!"

Nagato zog ein zerknülltes Papierstück aus einer Lücke eines Bücherregals und stand zögernd vor mir. Während ihre Augen irgendwo in die Nähe meines Krawattenknotens schauten, sagte sie:

"Falls du Lust hast..."

Sie streckte ihre Hand aus.

"Nimm dies."

Der Zettel, den sie mir gab, war ein leeres Anmeldeformular für den Club.


Nun.

Ich sollte zumindest dankbar sein, dass ich bereits allen Arten von Absurditäten begegnet bin. Anderenfalls würde ich jetzt sicher rumlaufen und mir einen Psychiater suchen.

Wenn man die Situation betrachtete, war ich entweder völlig verrückt geworden, oder die Welt war komplett aus den Fugen geraten, doch jetzt konnte ich erstere Möglichkeit fast komplett ausschließen. Ich bin immer der Nüchterne und ich kann auch sagen, dass ich gegenüber allem unter der Sonne die Rolle eines Tsukkomi-Kommentators einnehme. Hey, ich kann sogar zu dieser unfassbaren Welt einen Kommentar einbringen: Was zum Teufel?

"..."

Ich verstummte im Nagato-Stil. Es wurde auf mehrere Arten ein wenig kalt. Es gab eine Grenze für all meinen falschen Mut.

Nagato war zu einem bebrillten bücherliebenden Mädchen geworden. Asahina-san war zu einer fremden Schülerin in einer höheren Klasse geworden. Koizumi ist nie auf die North High gewechselt und besucht sicher noch immer eine andere Schule.

Was zum Teufel sollte das?

Bedeutete das, dass ich nochmal von ganz vorne beginnen sollte? Wenn ja, war die Jahreszeit nicht verkehrt? Wenn das ein Reset war, hätte ich ganz an den Anfang zurückkehren sollen... was bedeutete, an den ersten Tag in der High School zurückzukehren, oder? Ich hatte keine Ahnung, wer auf den Reset.-Knopf gedrückt hatte, doch nur die Umgebungseinstellungen zu ändern, den Zeitfluss aber intakt zu lassen, ist einfach nur verwirrend, wisst ihr? Schaut mich nun an, komplett verunsichert und orientierungslos. Ich dachte diese Rolle wäre Asahina-san vorbehalten!

Und wo war dieses andere Mädchen jetzt? Wo war dieser Dummkopf, der mit seinem schönen Leben davonkam, während ich hier in der Kälte an so einem Ort festsaß?

Wo ist Haruhi?

Wo bist du?''

Zeig dein Gesicht, jetzt! Ist es nervtötend oder was?

"Verdammt. Warum muss ich nach dir suchen?"

Oder gibt es dich hier gar nicht, Haruhi?

Hör mit diesem Scherz auf, ja?! Ich weiß nicht, warum zum Teufel ich das glauben sollte, aber die Geschichte kann nicht weitergehen, wenn du nicht auftauchst! Es ist einfach unverschämt, nur mir solche deprimierenden traurigen Gefühle zuzuteilen. Was ist mit dir los?

Mit dem zögernden Blick, wie professionelle Sklaven, die riesige Felsen eine Steigung hochschleppten, um ein Mausoleum zu bauen, schaute ich aus dem Verbindungsflur auf den leicht bewölkten, kalten Himmel.

Das Clubanmeldeformular raschelte in meiner Tasche.


Als ich in mein Zimmer zurückkehrte, wurde ich von Shamisen und meiner Schwester begrüßt. Meine Schwester hielt unschuldig lachend einen Stab mit einem zerzausten Haarbüschel an der Spitze. Shamisen, der flach auf meinem Bett lag, wurde wiederholt von diesem Stab auf den Kopf getroffen. Shamisen verengte die Augen, als wäre er verärgert, und hob manchmal seine Tatzen gegen die Angriffe meiner Schwester.

"Oh willkommen zurück~"

Meine Schwester schaute lächelnd zu meinem Gesicht auf.

"Abendessen ist fast fertig. Abendessen-en-miau Shami~"

Shamisen hob ebenfalls den Kopf, doch gab bald ein großes Gähnen von sich und wehrte sich müde gegen die durchgehenden Borstengras-Angriffe meiner Schwester.

Ah, hier gab es noch eine verbleibende Hoffnung.

"Hey."

I nahm den Borstengrasstab und tippte damit die Stirn meiner Schwester leicht an.

Als ich in mein Zimmer zurückkehrte, wurde ich von Shamisen und meiner Schwester begrüßt.

Erinnerst du dich an Haruhi? Wie sieht’s mit Asahina-san aus? Nagato? Koizumi? Haben wir nicht gemeinsam im Baseballspiel und im Film mitgespielt?

"Was? Kyon-kun? Ich hab keine Ahnung~"

Dann hielt ich Shamisen in meinen Armen hoch.

"Wann kam diese Katze hier nach Hause? Wer hat sie hergebracht?"

Die runden Augen meiner Schwester wurden sogar noch kreisähnlicher.

"Hmmm... Letzten Monat. Du hast sie mitgebracht, Kyon-kun, oder? Erinnerst du dich? Du hast sie von einem Freund der ins Ausland gezogen ist. Richtig, Shami~?"

Nachdem sie die dreifarbige Katze aus meinen Armen gerissen hat, strich meine Schwester mit ihrer Wange liebevoll über sie. Shamisen, der seine Augen schläfrig verengte, schaute mich mit einem Ich-gebe-auf-Ausdruck an.

"Gib mir den."

Ich nahm die Katze zurück. Shamisens Schnurrhaare wackelten, anscheinend war er verärgert darüber, wie ein Spielzeug behandelt zu werden. Verzeih, ich belohne dich danach mit Trockenfutter.

"Ich muss mit ihm reden. Nur wir zwei. Also raus aus meinem Zimmer. Sofort!"

"Hey ich möchte auch mitreden. Das ist unfair, Kyon-kun! Hä... du sprichst mit Shami? Hä? Wirklich?"

Ohne weitere Antworten hob ich meine Schwester an der Taille hoch und setzte sie außerhalb meines Zimmers ab. "Öffne die Tür nicht! Komme was wolle!" Nach der scharfen Warnung schloss ich die Tür.

"Mama, Kyon-kuns Gehirn hat sich in Nudeln verwandelt!"

Man konnte meine Schwester die Treppe hinuntergehen hören, während sie einen Satz sagte, der sich als wahr erweisen konnte.

"So, Shamisen."

Ich saß im Schneidersitz auf dem Boden und begann mit der edlen dreifarbigen Katze zu sprechen.

"Okay, ich hab dir früher gesagt, dass du aufhören sollst zu sprechen, komme was wolle. Aber jetzt kümmere dich nicht darum. Es würde mich jetzt vielmehr beruhigen, wenn du etwas sagen würdest. Also Shamisen. Sag etwas. Alles wäre gut. Philosophie, Naturwissenschaften, deine Entscheidung. Selbst wenn es schwer zu verstehen ist. Bitte sprich!"

Shamisen schaute mit einem gelangweilten Gesichtsausdruck zu mir hoch. Als wäre er total gelangweilt, begann Shamisen sein Fell zu lecken.

"... Verstehst du, was ich gesagt habe? Meinst du, du kannst nicht sprechen, aber du kannst zuhören und verstehen? Warum hebst du nicht deine rechte Tatze für "Ja" und deine linke Tatze für "Nein"?

Mit nach oben gewandter Handfläche stupste ich seine Nase an. Shamisen roch kurz an meinen Fingerspitzen, doch wie erwartet leckte er sein Fell wieder weiter ohne etwas zu sagen oder ein Zeichen des Verstehens zu zeigen.

Normal, nehme ich an.

Diese Katze hat nur gesprochen, als wir den Film gedreht haben und das war nur für einen kurzen Zeitraum. Als wir den Dreh beendeten, wurde diese Katze wieder eine normale Katze. Eine normale Katze, wie sie überall gefunden werden und die nur mit Verben wie essen, schlafen und spielen in Verbindung gebracht werden konnte.

Eines weiß ich: In dieser Welt kann keine Katze sprechen.

"Ist das nicht normal?"

Erschöpft fiel ich flach auf meinen Rücken und strecke meine Arme und Beine. Katzen sprechen nicht. Also war der komische Zeitpunkt jener, in dem Shamisen seinen Mund zum Sprechen geöffnet hat, und nicht jetzt. Oder doch nicht?

Ich wäre gerne einfach nur eine Katze. Dann könnte ich damit aufhören, über irgendwas nachzudenken, und mein Leben gemäß meinen einfachen Instinkten leben.

Ich verharrte in dieser Position, bis meine Schwester zurückkehrte und mir sagte, dass das Abendessen fertig war.




Kapitel 2[edit]

Der 18. Dezember endete schließlich, als würde er in einer Flasche mit Leim feststecken, und der nächste Tag brach an.

Der 19. Dezember.

Von heute an würden wir weniger Unterricht haben. Normalerweise hätte die Unterrichtszeit schon viel eher gekürzt werden sollen, aber vor kurzem wurde unsere Schule von einer rivalisierenden öffentlichen Schule bei den Gesamtergebnissen in der nationalen Probleklausur geschlagen. Unser Direktor hatte Feuer gespuckt und mit Gewalt einige Änderungen zur Steigerung der akademischen Leistungen durchgesetzt. Die Geschichte ändert sich eben doch nicht.

Um mich herum gibt es nur Veränderungen in der North High und in der SOS Brigade. Ich ging zur Schule, als wäre ich im willkürlichen Plan eines gewissen Jemands gefangen und musste feststellen, dass in Klasse 1-5 noch mehr Leute fehlten. Taniguchi war nirgends zu sehen, anscheinend hatte er endlich die 40 Grad Marke überschritten.

Und auch heute saß Asakura anstelle Haruhis hinter mir.

"Guten Morgen. Bist du heute wach? Schön, wenn es so wäre."

"Wir werden sehen."

Ich legte meine Tasche mit einem Pokerface auf meinem Tisch ab. Asakura stützte ihr Kinn auf ihren Händen ab.

"Aber einfach die Augen offen zu haben bedeutet nicht zwangsläufig, dass du wach bist. Der erste Schritt zum Verständnis ist, mit den Augen einen festen Blick auf die Situation zu haben. Wie geht es dir? Begreifst du die Situation gut?"

"Asakura."

Ich lehnte mich vor und warf einen blitzenden Blick auf Ryouko Asakuras hübsch gemeißeltes Antlitz.

"Sag mir nochmal: Erinnerst du dich wirklich nicht oder spielst du einfach nur die Dumme? Hast du nicht schonmal versucht, mich umzubringen?"

Asakuras Gesicht nahm plötzlich einen bedrückten Ausdruck an, mit genau den gleichen Augen, mit denen man einen Patienten anschauen würde.

"... Scheint, als wärst du immer noch nicht wach. Hier ist mein Rat: Such schnellstens einen Arzt auf. Geh, bevor es zu spät ist!"

Von da an hielt sie den Mund und ignorierte mich, als sie eine Unterhaltung mit einem benachbarten Mädchen begann.

Ich wandte mein Gesicht nach vorne, kreuzte meine Arme und starrte direkt in die Luft.


Lass es mich mal so ausdrücken:

Angenommen es gäbe eine sehr unglückliche Person. Diese Person wäre auf spektakuläre Weise unglücklich, egal ob man es vom subjektiven oder objektiven Standpunkt sah. Diese Person ist von Natur aus die Personifikation des Unglücks, so dass sich sogar der alte Prinz Siddharta, der die tiefsten Verständnis der Erleuchtung erlangt hatte, von dieser Person abwenden würde. Eines Tages fällt er (die Person könnte eine Sie sein, doch ich nehme an, es sei ein Er, um es nicht zu verkomplizieren) in einen tiefen Schlaf, während ihn noch sein gewohntes Unglück quält und als er am nächsten Tag aufwacht, steht die Welt komplett auf dem Kopf. Es ist nun eine Welt, so wundervoll, dass Worte es nicht beschreiben können, nicht einmal das Wort "Utopia". In dieser Welt wurde sein Unglück komplett weggespült, und sein Körper und Geist sind nun von Kopf bis Fuß mit Glück jeder Art erfüllt. Kein Unglück wird ihm passieren, und irgendjemand musste ihn über Nacht von der Hölle in den Himmel gebracht haben.

Natürlich spielt die Meinung der Person hierbei keine Rolle. Er wurde von jemandem entführt, den er nicht kennt, und auch die Identität dieses Jemands ist komplett unbekannt. Es ist unbekannt, warum dieser Jemand das mit der Person macht. Wahrscheinlich weiß es nur der Himmel.

Nun, wäre die Person in diesem Fall glücklich? Indem die Welt verändert wurde, ist das Unglück der Person gänzlich verschwunden. Dennoch ist diese Welt nicht seine eigene Welt, und das größte Rätsel ist noch immer der Grund für diese Veränderungen.

Gemäß den bestenmöglichen Bewertungskriterien, wem sollte diese Person ihren Dank erweisen?

Um das klarzumachen, diese Person bin nicht ich. Das Ausmaß ist viel zu unterschiedlich.

Nun... ich denke mal die Analogie war schlecht für meinen Fall. Ich hatte bis gestern nicht wirklich die unterste Grenze des Unglücks erreicht und war im Moment auch nicht gerade der glücklichste Mensch auf Erden.

Dennoch, wenn man die Ausmaße des Problems außen vorlässt, passt die Analogie, besonders, wenn es darum geht, es auf den Punkt zu bringen. Meine Nerven wurden praktisch permanent von den komischen Ereignissen rund um Haruhi erschüttert, und nun haben solche Geschichten anscheinend keine Bedeutung mehr für mich.

Dennoch--

Hier gibt es keine Haruhi und keinen Koizumi, Nagato und Asahina sind normale Menschen und die Existenz der SOS Brigade wurde komplett ausgelöscht. Keine Außerirdischen, keine Zeitreisenden, kein ESP. Zu allem Überfluss sprechen Katzen nicht. Es ist nur eine ganz normale Welt.

Also wie ist das?

Welche Welt ist besser für mich geeignet? Welche Welt wird mir gefallen? Die Welt, die bis jetzt war? Oder die Welt jetzt?

Bin ich jetzt glücklich?


Nach der Schule gingen meine Füße aus Gewohnheit per Autopilot in Richtung Literaturclubraum. Es ist eine typische Reflexsituation -- der Körper bewegt sich, ohne dass das Gehirn darüber nachdenkt, wenn dieselbe Sache jeden Tag wiederholt wird. Es ist dasselbe, wie der Ablauf beim Baden. Es gibt keine vorgeschriebene Reihenfolge, wie man den Körper schrubbt, doch ab einem gewissen Zeitpunkt wird die Reihenfolge jedesmal mechanisch abgespielt.

Jeden Tag, wenn der Unterricht vorbei ist, gehe ich in Richtung SOS Brigade, trinke den von Asahina-san zubereiteten Tee und spiele mit Koizumi Spiele, während ich mir die durchgeknallten Reden von Haruhi anhöre. Es mag eine schlechte Angewohnheit sein, aber es fällt mir schwer, sie loszuwerden, auch wenn man es mir befiehlt, gerade weil es eine schlechte Angewohnheit ist.

Darum war die Atmosphäre heute ein wenig anders.

"Was soll ich damit machen?"

Ich starrte im Laufen auf das leere Anmeldeformular. Nagato hatte es mir gestern gegeben, weil sie mich sicher unbedingt dazu ermutigen wollte, dem Literaturclub beizutreten. Aber ich verstehe nicht; warum hat sie mich eingeladen? Weil der Literaturclub keine anderen Mitglieder hat und aufgelöst werden soll? Doch es war mutig von ihr, mich anzuwerben, der doch buchstäblich aus dem Nichts aufgetaucht war und sie überfallen hatte. Anscheinend behielt nur Nagato in dieser falschen Welt nicht ihre irgendwie komische Logik bei.

"Agh!"

Während ich in Richtung des Clubraumblocks ging, passierte ich das Asahina-Tsuruya Paar. Asahina-san sprang buchstäblich zurück, als sie mich sah und klammerte sich an Tsuruya-san, während sie sich hinter ihr versteckte. Die Reaktion, die diese anbetungswürdige Elftklässlerin bei meinem Anblick demonstrierte, schmerzte, daher verbeugte ich mich kurz und ging weiter. Oh bitte, lass die alten Tage wiederkehren, so dass ich diese Süße erneut genießen kann!

Ich klopfte dieses Mal und hörte eine leise Antwort. Erst dann öffnete ich die Tür.

Nagatos Augen liefen quer über mein Gesicht und kehrten dann zu dem Buch in ihren Händen zurück. Die Bewegung, mit der sie ihre Brille zurückschob, schien ihre Begrüßung zu sein.

"Ist es in Ordnung, dass ich wiederkomme?"

Ihr kleiner Kopf nickte bestimmt. Ihre Augen waren hingegen mehr an dem vor ihr aufgeschlagenen liegenden Buch interessiert, und sie hatte ihren Kopf nicht mal erhoben.

Ich legte setze meine Tasche zur Seite und warf einen Blick umher, um etwas zu finden, das ich tun konnte. Aber in diesem unauffälligen Raum gab es nicht allzuvieles, mit dem ich herumspielen konnte. Also hatten meine Augen keine andere Wahl, als auf die Bücherregale zu fallen.

Alle diese Regale waren bis oben hin mit Büchern aller Größen vollgestopft. Es gab mehr Hardcover als Taschenbücher oder Heftromane, was wohl ein Zeichen für Nagatos Vorliebe für schwere Literatur war.

Stille.

Ich sollte eigentlich an Nagatos Stille gewöhnt sein, doch heute war sie in diesem Raum ziemlich schmerzhaft. Ich würde es nicht aushalten, wenn ich nichts sagen würde.

"Sind das alles deine Bücher?"

Die Antwort kam sofort:

"Einige waren hier, bevor ich kam."

Nagato zeigte mir den Umschlag des Hardcovers, das sie hielt:

"Das hier ist geliehen. Aus der öffentlichen Bibliothek."

Auf das Buch war ein Strichcode aufgeklebt, der zeigte, dass es der öffentlichen Bibliothek gehörte. Fluoreszierendes Licht spiegelte sich im laminierten Umschlag und Nagatos Brillengläser leuchteten für eine Sekunde.

Ende der Unterhaltung. Nagato kehrte zu ihrer stillen Leseherausforderung gegen das dicke Buch zurück und das Thema war beendet.

Die Stille war unfassbar drückend. Ich suchte nach irgendeinem Unterhaltungsthema und sagte beliebige Worte:

"Schreibst du deine eigenen Texte?"

Danach folgten 3/4 eines Taktes der Stille.

"Ich lese nur."

Ihre Augen huschten für den Bruchteil einer Sekunde zum Computer bevor sie sich hinter den Linsen versteckten, doch das entging meinem Blick nicht. Verstehe. Deswegen musste Nagato etwas machen, bevor sie mich den Computer benutzen lassen hat. Ich entwickelte ein unstillbares Verlangen, die Geschichte zu lesen, die Nagato geschrieben hatte. Was mag sie wohl geschrieben haben? Sicher Science Fiction. Es würde doch keine Liebesgeschichte sein, oder?

"..."

Es war schwer, mit Nagato überhaupt ein Gespräch zu beginnen. In dieser Hinsicht war diese Nagato nicht anders.

Ich nahm meine stille Betrachtung des Bücherregals wieder auf.

Irgendwie hielten meine Augen auf einem Buchrücken an.

Es war ein bekannter Titel. Damals als die SOS Brigade begann, hatte mir Nagato diesen ersten Band einer langen ausländischen Science Fiction Serie geliehen, ein Buch mit einer unheimlichen Wörterzahl. (Anmerkung Übersetzer: laut Anime handelt es sich hierbei um Dan Simmon's Hyperion) Jetzt wo ich's erwähne, Nagato war damals noch ein Meganekko und sie hatte mir dieses Buch aufgezwungen ohne eine Ausrede zu erlauben. "Nimm das!" sie hatte diese Worte gesagt und war dann zügig gegangen. Ich hatte zwei Wochen gebraucht um das ganze Ding durchzulesen. Für mich schienen seitdem Jahre vergangen zu sein. Zu viel war in der Zwischenzeit passiert.

Komische Gefühle der Nostalgie stiegen in mir auf und ich nahm das Hardcover aus dem Bücherregal. Ich stand nicht da und las in einer Bücherhandlung, daher strengte ich mich beim Lesen nicht besonders an. Ich blätterte wahllos über die Seiten und war schon davor, das Buch an seinen Platz zurückzustellen, als ein mir ein kleines rechteckiges Stück Papier vor die Füße fiel.

"Hmmm?"

Ich hob es auf. Es war ein Lesezeichen mit blumigen Zeichnungen. Es sah aus, wie eins dieser Lesezeichen, dass Bücherläden ohne zu fragen mit hineinlegten -- Lesezeichen?

Es war, als würde die Welt anfangen, sich um mich zu drehen. Ah... damals... ich öffnete dieses Buch in meinem Zimmer... fand dasselbe Lesezeichen... dann raste ich mit meinem Fahrrad los... ich konnte den Spruch aus dem Kopf aufsagen.

Heute Abend, sieben Uhr, ich warte auf dich im Park vor dem Bahnhof.

Ich hielt die Luft an und drehte es mit zitternden Händen um -- und ich sah:



"Bedingung für Programmstart: Sammle die Schlüssel. Zeitlimit: Zwei Tage später."



Dieser Satz, als wäre er eine alte Nachricht, stand in ordentlichen computerschriftartigen Zeichen auf dem Lesezeichen geschrieben, das aus dem Hardcover gefallen war.

Sofort drehte ich mich um und eilte in drei Schritten zu Nagatos Tisch. Meinen Blick auf ihre sich weitenden schwarzen Pupillen gerichtet, fragte ich: "Hast du das geschrieben?"

Nachdem sie einige Zeit auf die Rückseite des Lesezeichens, das ich ihr hinhielt, gestarrt hatte, richtete Nagato ihren Kopf auf. Mit einem verwunderten Ausdruck antwortete sie: "Es sieht meiner Schrift ähnlich. Aber... ich weiß nicht. Ich kann mich nicht daran erinnern, das geschrieben zu haben."

"... verstehe. Genau wie ich dachte. Nun, es ist in Ordnung. Ich wäre besorgt, wenn du es gewusst hättest. Weißt du, es gibt da etwas, das mich beunruhigt. Nun ja, vergiss mein Geplapper..."

Während ich eine Entschuldigung vor mich hinmurmelte, fühlte ich mich, als hätte mich mein Verstand verlassen.

Nagato.

Also ist diese Nachricht von dir, in Ordnung. Es ist nur eine trockene und eintönige Zeile von Buchstaben, doch ich bin erleichtert. Darf ich es als Geschenk der Nagato betrachten, die ich seit langem kenne? Es ist ein Hinweis wie ich die momentane Situation durchbrechen kann, richtig? Andernfalls würdest du nicht so einen Mahnungsartigen Kommentar schreiben?

Programm. Bedingung. Schlüssel. Deadline. Zwei Tage später.

... Zwei Tage später?

Heute war der 19. Sollte ich zwei Tage von genau diesem Moment weiterzählen? Oder sollte ich von gestern an zählen, als die ganze Welt anfing, verrücktzuspielen? Im schlimmsten Fall wäre die Deadline morgen am 20.

Die Überraschung kühlte allmählich ab, wie Magma, das langsam aus der Erdkruste floss. Ich weiß nichts, aber es klingt als müsste ich ein paar Schlüssel suchen um ein Programm zu starten. Doch was waren die Schlüssel? Wo waren sie versteckt? Wie viele gab es von ihnen? Wenn ich sie alle gesammelt haben würde, wo sollte ich sie für das Souvenir eintauschen?

Fragezeichen schwebten in Scharen über meinem Kopf und vereinten sich letztlich zu einem riesigen Fragezeichen.

Wenn ich dieses Programm starte, wird dann die Welt wieder normal werden?


Hastig nahm ich, beginnend von weit hinten, Bücher aus den Regalen und stellte sie wieder zurück und prüfte, ob dazwischen andere Lesezeichen lagen. Während ich Nagatos erstaunten Blick ertrug, suchte ich weiter, doch es nutzte nichts. Es gab keine anderen.

"Nur dieses eine, hä?"

Nun, wenn jemand zu gierig wird, zu viel haben will und nach jedem Souvenir greift, das er finden kann, wird ihn das Gewicht am Ende runter ziehen, so dass er von vorne beginnen muss. Planlos umherzuirren ist eine simple Verschwendung von sowohl Zeit als auch HP. Eins nach dem anderen; hol die Schlüssel. Der Gipfel war noch immer weit entfernt, doch zumindest hatte ich es geschafft, den Wegweiser zu finden.

Nachdem ich um Erlaubnis gebeten hatte, leerte ich meine Lunchbox aus und setzte mich diagonal gegenüber von Nagato. Während ich an meinem Essen knabberte, leerte ich auch meinen Geist von Gedanken. Nagato schien ihre Augen hin und wieder auf mich zu richten, doch ich bediente meine Essstäbchen mechanisch und konzentrierte mich auf die wichtige Aufgabe vor mir -- meinen Gehirnzellen fleißig Nährstoffe zuzuführen.

Während die Zeit verstrich, leerte sich meine Lunchbox. Ich war kurz davor, Tee zu bestellen, als ich bemerkte, dass Asahina-san nicht bei uns war. Ich war frustriert, doch ich dachte weiter nach. Das war der Moment der Wahrheit. Ich durfte diesen schwer erkämpften Hinweis nicht verkommen lassen. Schlüssel. Schlüssel. Schlüssel. Schlüssel...

Ich war sicher für zwei Stunden in einer heißen Denkrunde versunken.

Weil ich meine Dummheit immer mehr verabscheute, wurde ich letztlich von Mutlosigkeit überwältigt.

"Ich kapier's einfach nicht!" fluchte ich leise.

Die Schlüssel waren schonmal zu mehrdeutig. Es konnten unmöglich reale Schlüssel zum auf- und abschließen gemeint sein, daher dachte ich, dass es sich hier um etwas wie Schlüsselworte oder Schlüsselpersonen handeln musste. Aber der Bereich war immer noch zu groß. War es ein Gegenstand oder ein Spruch? War es mobil oder fest? Ich hätte am liebsten noch einige Hinweise in diese Richtung. Ich versuchte mir vorzustellen, was Nagato gedacht hatte, als sie das Lesezeichen beschrieben hatte, doch ich konnte mir nur vorstellen, wie sie ein schweres Buch las oder eine beeindruckende, aber schmerzhaft lange Ansprache hielt -- genau die Nagato, die ich so lange gekannt hatte.

Mit plötzlichem Interesse drehte ich meinen Kopf herüber; dort war die bewegungslose Nagato, als mache sie ein Nickerchen. Vielleicht bildete ich es mir nur ein, doch sie blieb ohne Fortschritt auf derselben Seite. Dennoch, als Beweis dafür, dass sie keinen Nachmittagsschlaf hielt, färbten sich ihre Wangen leicht rot, als sie meinen geistesabwesenden Blick bemerkte. Diese Nagato, das Literaturclubmitglied, war entweder von Natur aus unglaublich schüchtern oder es nicht gewohnt, von anderen beachtet zu werden.

Äußerlich sah sie genau gleich aus, doch sie reagierte immer noch auf eine ungewohnte Art, die mein Interesse weckte. Ich fixierte meine Augen absichtlich auf sie und beobachtete sie.

"..."

Auch wenn ihre Augen auf die Seiten gerichtet waren, war es offensichtlich, dass sie nicht ein einziges Wort las. Nagato keuchte leise durch leicht geöffnete Lippen, und der leichte Bewegungsrhythmus ihrer Brust wurde langsam sichtbar. Die leichte Rötung auf ihren Wangen wurde von Minute zu Minute dunkler. Um ehrlich zu sein, Nagato war ziemlich -- nein, sehr hübsch. Mir schoss eine Idee durch den Kopf, wenn auch nur kurz: Vielleicht war es gar keine so schlechte Idee, dem Literaturclub beizutreten und diese völlig neue Welt ohne Haruhi zu genießen.

Aber nein. Ich würde das Handtuch noch nicht werfen. Ich nahm das Lesezeichen aus meiner Tasche und drückte es fest, ohne es zu zerdrücken. Dass sie dieses Lesezeichen in diese Welt geschmuggelt hatte, bedeutete, dass die Nagato, die mit einem dreieckigen Hut las, noch etwas mit mir vorhatte. Ich hatte auch noch etwas vor! Ich hatte Haruhis selbstgemachtes Essen noch nicht probiert. Ich hatte das Bild von Asahina-san im Santa-Outfit noch nicht in meine Netzhaut gebrannt. Mein Spiel mit Koizumi war unterbrochen worden, als ich im Vorteil war, weil er damit beschäftigt war, den Raum zu dekorieren. Ich würde gewinnen, wenn wir so weitermachen würden, also würde ich andernfalls meine rechtmäßigen hundert Yen verlieren.


Die untergehende Sonne schien durch das Fenster und die Zeit war gekommen, dass sie sich als riesiger orangener Ball hinter dem Campus Block versteckte.

Ich war es leid, still auf meinem Stuhl zu sitzen und es würde nichts dabei rauskommen, wenn ich mein Gehirn noch weiter ausquetschte. Ich stand auf und griff nach meiner Tasche.

"Lassen wir's für heute gut sein."

"Okay."

Nagato schloss das Hardcover, das sie gelesen haben mochte oder auch nicht, stopfte es in ihre Tasche und stand auf. Hatte sie womöglich darauf gewartet, dass ich es laut aussprach?

Ich griff nach meiner Tasche. Sie bewegte sich keinen Zentimeter, als würde sie auf ewig still stehen, bis ich zuerst hinausging.

"Hey, Nagato?"

"Was?"

"Du wohnst alleine, oder?"

"... Ja."

Sie dachte sich sicher, wie zum Teufel konnte er das wissen?

Ich war kurz davor, zu fragen, ob sie mit ihrer Familie zusammen lebte, doch ich stutzte, als ich sah, wie sie ihre Wimpern leicht niederschlug. Erinnerungen an ihr Zimmer, das fast keine Möbel enthielt, stiegen in mir auf. Mein erster Besuch war sieben Monate her, und die kosmische telepathische Unterhaltung auf einer Skala, die keine Grenzen kannte, war in vieler Hinsicht einfach erschreckend. Der zweite Besuch war an Tanabata vor drei Jahren gewesen, und ich war zusammen mit Asahina-san dort gewesen. Der zweite Besuch lag eher auf der Zeitlinie als der erste, was ich als eine Leistung ansehe.

"Wie wäre es, eine Katze zu halten? Katzen sind wunderbar! Sie mögen die ganze Zeit schlaff wirken, doch manchmal frage ich mich, ob sie verstehen können, was ich sage. Ich wäre nicht überrascht, wenn es Katzen gäbe, die sprechen könnten. Das ist kein Witz."

"Haustiere verboten."

Nach der Antwort war sie eine Zeit lang still und klimperte traurig mit den Wimpern. Es klang wie das Geräusch des Windes von einer segelnden Schwalbe, als sie Luft holte und mit zerbrechlicher Stimme fragte:

"Möchtest du mitkommen?"

Nagato schaute auf meine Fingernägel.

"Wohin?"

fragten meine Fingernägel zurück.

"Zu mir nach Hause."

Eine stille Pause von der Dauer eines halben Taktes.

"... Kann ich?"

Was zum Teufel war passiert? War sie zurückhaltend, schüchtern oder aggressiv? Die Kurve der Psyche dieser Nagato war einfach nicht stetig! Oder ist die Mentalität eines normalen High-School Mädchens heutzutage genauso unregelmäßig wie die Lichtkurvenphase von Mira A?

"Sicher."

Nagato ging hinaus und entkam meinem Sichtfeld. Sie schaltete die Zimmerlichter aus, öffnete die Tür und verschwand im Flur.

Ich folgte natürlich. Nagatos Zimmer. Zimmer 708 in einem luxuriösen Apartment. Ich würde einfach einen Blick auf das Wohnzimmer werfen. Ich könnte dort einen neuen Hinweis finden.

Sollte ich dort ein anderes "Ich" schlafend vorfinden, würde ich es sofort mit meiner Faust aufwecken.



Auf dem Rückweg von der Schule sprachen Nagato und ich kein Wort.

Nagato ging einfach still geradeaus die Steigung hinunter und schritt dabei als bliese ihr ein starker kalter Wind entgegen. Ihr Haar war von plötzlichen Windböen zerzaust. Während ich ihren Hinterkopf anschaute bewegte ich einfach nur meine Beine weiter. Es gab nicht viele Themen, bei denen ich es für richtig hielt, sie anzuschneiden, und ich spürte, dass ich besser nicht nachfragen sollte, warum ich eingeladen worden war.

Nachdem sie einige Zeit gegangen war, hielt Nagato schließlich vor dem luxuriösen Appartementgebäude an. Wie oft ich hier war? Ich war zweimal in Nagatos Zimmer, einmal in Asakuras Zimmer und einmal auf dem Dach gewesen. Indem sie das Passwort in das Eingabefeld am Eingang eingab, schloss Nagato die Türen auf und betrat die Lobby ohne zurückzublicken.

Sie war sogar im Fahrstuhl still. Am achten Zimmer des siebten Stocks schob sie den Schlüssel in die Tür und öffnete sie, doch auch dann bat sie mich nur mit einer Geste herein.

Ich ging ohne ein Wort zu sagen. Die Anordnung im Zimmer war nicht anders als in meinem Gedächtnis. Es war einfach ein uninteressanter Raum. Es gab im Wohnzimmer keine Möbel abgesehen von einem Kotatsu. Wie üblich gab es nicht einmal Vorhänge.

Und dann war da das Gästezimmer. Es sollte der Raum sein, der durch eine Schiebetür getrennt war.

"Darf ich mir diesen Raum mal anschauen?"

fragte ich Nagato, die mit einem japanischen Teeservice aus der Küche kam. Nagato blinzelte langsam.

"Nur zu."

"Entschuldige mein Eindringen."

Die Schiebetür glitt auf, als hätte sie ein Kugellager.

"..."

Drinnen waren nur Tatamimatten.

Nun, ich hätte es ahnen müssen. Ich konnte unmöglich so oft in die Vergangenheit gereist sein.

Ich schob die Tür wieder in ihre Ursprungsposition und zeigte Nagato, die mich beobachtete, meine offenen Hände. Die Geste musste ihr nichts bedeutet haben. Dennoch setzte Nagato wortlos zwei Teetassen auf den Kotatsu-Tisch, setzte sich aufrecht mit ihren Beinen unter sich und begann damit, Tee einzuschenken.

Ich saß ihr gegenüber im Schneidersitz, in derselben Position in der ich auch bei meinem ersten Besuch gesessen hatte. Ich hatte ohne Grund mehrere Tassen Tee getrunken, den Nagato zubereitet hatte und danach ihrem Monolog über das Universum zugehört. Es war eine Jahreszeit voll frischen Grüns und extremer Hitze gewesen, ganz andere Dimensionen als die momentane Kälte. Selbst mein Herz war jetzt kühler.

Während wir still gegenübersitzend Tee tranken, sanken Nagatos Augen hinter ihre Brille herab.

Aus irgendeinem Grund zögerte Nagato. Ihr Mund öffnete sich, schloss sich aber wieder. Sie schaute zu mir auf, als hätte sie Mut gefasst, doch schaute dann wieder nach unten. Sie wiederholte das einige Male. Schließlich stellte sie ihre Teetasse beiseite und zwang ihre Stimme mit großer Anstrengung heraus:

"Ich bin dir schon mal begegnet."

Wie ein Zusatz:

"Außerhalb der Schule."

Wo?

"Erinnerst du dich?"

Was?

"Bibliothek."

Als ich das Wort hörte, sprang das Getriebe in meinem Gehirn quietschend an. Die Erinnerung mit Nagato in der Bibliothek kam hervor. Es war die erste Suche nach dem Mysteriösen.

"Diesen Mai,"

Nagato senkte ihren Blick,

"hast du mir geholfen, einen Bibliotheksausweis zu bekommen."

Meine Psyche wurde von einem elektrischen Schlag getroffen und versagte den Dienst.

... Ja. Andernfalls hättest du vor den Bücherregalen festgesteckt! Haruhis Anrufe kamen wie Telefonstreiche und es gab keine andere Möglichkeit uns schnell zum Treffpunkt zurückzubringen...

"Du..."

Aber als Nagato weiter erklärte, fand ich heraus, dass ihre Beschreibung der Situation anders war, als mein Eindruck. Hier war die Erklärung, die Nagato mir in ihrer leisen murmelnden Stimme gab:

Ungefähr Mitte Mai hatte Nagato die Stadtbibliothek zum ersten Mal besucht, doch sie hatte nicht gewusst, wie man einen Bibliotheksausweis bekommt. Es hätte ausgereicht, wenn sie einen der Bibliothekare gefragt hätte, doch die wenigen Bibliothekare waren beschäftigt gewesen. Darüberhinaus hatte Nagato, die introvertiert und schlecht mit Worten war, nicht den Mut aufgebracht, zu fragen, so dass sie anfing, verzweifelt um den Schalter herumzuwandern. Ein vorbeikommender High-School-Schüler konnte sie wohl nicht einfach so stehen sehen und bot an, für sie all die Prozeduren zu erledigen.

"Das warst du."

Nagato schaute mich an und unsere Augen trafen sich für eine halbe Sekunde, bevor sie ihre Augen wieder auf den Kotatsu fallen ließ.

"..."

Nagato und ich teilten uns das Punkt-Punkt-Punkt. Die Stille kehrte in die Leere des Wohnzimmers zurück, aber ich konnte keine Worte finden. Das lag daran, dass ich ihre Frage, ob ich mich erinnern konnte, unmöglich beantworten konnte. Meine und ihre Erinnerungen waren leicht unterschiedlich. Es stimmte, dass ich den Bibliotheksausweis für sie beantragt hatte, doch ich war kein Passant gewesen; stattdessen war ich derjenige gewesen, der sie überhaupt erst in die Bibliothek gebracht hatte. Wir hatten unsere Patrouille auf der Suche nach dem Mysteriösen, die zum Scheitern verurteilt war, aufgegeben und uns entschieden, unsere Zeit in der Bibliothek zu vertrödeln. Selbst wenn mein Erinnerungsvermögen so klein war, wie das einer jungen Seeanemone, ich könnte das Bild der stillen Nagato in Uniform niemals vergessen.

"..."

Unsicher, wie sie mit meinem Schweigen umgehen sollte, verzog Nagato ihre Lippen mit einer Spur von Trauer und begann mit ihrem schlanken Finger um den Rand der Teetasse zu kreisen. Als ich das kaum sichtbare Zittern ihres Fingers sah, hütete ich mich noch mehr davor, irgendein Thema anzuschneiden und die Stille wurde immer dichter.

Es wäre so einfach, ihr einfach zu antworten, dass ich mich erinnerte. Es wäre keine direkte Lüge. Es gäbe nur ein paar Lücken zur Wahrheit. In diesem Fall stellten diese Lücken das größte vorhandene Problem dar.

Warum gab es so einen Unterschied?

Die Außerirdische, die ich kannte, war irgendwohin verschwunden und hatte nur ein Lesezeichen zurückgelassen.


Ding-dong!

Das Klingeln der Gegensprechanlage durchbrach die ewige Stille. Ich wäre aufgrund des plötzlichen Geräuschs beinahe aus meiner sitzenden Haltung aufgesprungen. Nagatos Körper schüttelte sich vor Überraschung und richtete sich auf den Eingang.

Es klingelte erneut. Ein neuer Besucher war angekommen. Aber wer zum Teufel würde Nagatos Zimmer besuchen? Ich konnte mir niemanden vorstellen außer einem Lieferanten oder einem Geldeintreiber.

"..."

Wie eine Seele, die sich gerade von ihrem Körper gelöst hatte, stand Nagato auf und glitt ohne Schrittgeräusche zur Wand. Sie drückte einige Tasten an der Gegensprechanlage und lauschte der Stimme von jemandem. Dann wandte sie sich mir mit einem leicht besorgten Ausdruck zu.

Nagato sprach leise über den Lautsprecher, anscheinend gab sie dabei Absagen wie "Aber..." und "Nun..." von sich.

"Warte."

Offensichtlich war Nagato besiegt. Sie schwebte in Richtung Eingang und schloss die Tür auf.

"Sieh an, wer da ist."

Das Mädchen stürzte mit der Schulter gegen die Tür herein.

"Warum bist du hier? Das ist mal was Neues -- Nagato-san bringt einen Jungen mit."

Das Mädchen in einer Uniform der North High hielt mit beiden Händen einen Topf und zog gekonnt ihre Schuhe aus indem sie ihre Zehen gegen die Türschwelle drückte.

"Sag nicht, du hättest dich aufgezwungen!"

Sag du mir erst, warum du überhaupt hier bist! Es ist eine Überraschung, dein Gesicht außerhalb des Klassenzimmers zu sehen!

"Ich bin sowas wie eine Freiwillige. Es ist eine echte Überraschung, dich hier zu sehen!" Das hübsche Gesicht verzog sich zu einem Lächeln.

Sie war die Klassensprecherin, die hinter mir saß.

Mit anderen Worten, Ryouko Asakura war eingetroffen.


"Ich habe sicher zu viel gemacht. Es war so heiß und schwer!"

Mit einem Lächeln stellte Asakura den großen Topf auf den Kotatsu. Wenn jemand zu dieser Jahreszeit ein Lebensmittelgeschäft betreten würde, würde ihn auch dieser Geruch begrüßen. In dem Topf war Oden. War es von Asakura zubereitet worden?

"Genau. Gelegentlich teile ich sowas, das schnell in großen Mengen zubereitet werden kann, mit Nagato-san. Wenn man sie alleine ließe, wäre sie einfach unterernährt."

Nagato ging in die Küche, um Teller und Essstäbchen vorzubereiten. Man konnte das Klirren von Geschirr hören.

"So. Darf ich fragen, warum du hier bist? Das interessiert mich."

Mir fehlten die Worte. Ich war hier, weil Nagato mich eingeladen hatte, doch ich wusste nicht warum ich eingeladen worden war. Wegen der Geschichte mit der Bibliothek? Es hätte gereicht, im Clubraum darüber zu reden. Ich für meinen Teil war gehorsam gefolgt, weil ich dachte, hier könnten Hinweise sein, was diese "Schlüssel" wären, doch das konnte ich jetzt nicht laut sagen. Es wäre schlecht, sie dazu zu bringen, sich um meinen geistigen Zustand zu sorgen.

Ich dachte mir eine beliebige Lüge aus.

"Nun...Sicher. Ich nahm denselben Weg nach Hause wie Nagato... Ja, ich bin etwas unsicher, ob ich dem Literaturclub beitreten soll oder nicht. Also bin ich mit ihr gegangen und hab nach ihrer Meinung gefragt. Wir kamen am Apartment an, aber unsere Unterhaltung war noch nicht beendet, also lud sie mich ein. Ich hab mich nicht aufgedrängt."

"Du, im Literaturclub? Entschuldige aber ich wüsste nicht, wo das passen soll. Liest du überhaupt Bücher? Oder willst du sie schreiben?"

"Meine Frage ist eben, ob ich von jetzt an lesen oder schreiben sollte. Das ist alles."

Der Deckel wurde vom Topf genommen und ein appetitanregendes Aroma erfüllte den Raum vom Kotatsu aus. Die gekochten Eier, die in der Brühe trieben und sanken, hatten eine großartige Farbe angenommen.

Asakura-san, die aufrecht mit gekreuzten Beinen in der linken Ecke saß, warf mir misstrauische Blicke zu. Es könnte an mir gelegen haben, aber die Blicke waren so scharf, dass, wenn sie Gewicht gehabt hätten, meine Schläfe jetzt voller kleiner Löcher wäre. Die alte Asakura war auf halbem Wege zu einer Serienkillerin geworden, doch bei dieser Asakura konnte man das tief verwurzelte Selbstvertrauen hinter ihrer würdevollen Haltung erkennen. Es gab keinen Zweifel, das dieses Oden viel leckerer als irgendein anderes auf dieser Erde sein würde. Diese Aura setzte mich unter Druck. In diesem Moment ging mir auf mehrere Arten das Selbstvertrauen aus. Ich wanderte nur hin und her, sonst nichts.

Weil ich es nicht mehr ertragen konnte, griff ich nach meiner Tasche und stand auf.

"Oh, du isst nicht mit uns?"

Während ich Asakuras spöttischem Ton mit Stille begegnete, entschied ich mich, mich mit unauffälligen Schritten aus dem Wohnzimmer zurückzuziehen.

"Oh."

Ich stieß beinahe mit Nagato zusammen, die aus der Küche kam. In Nagatos Händen war ein Stapel kleiner Teller mit Essstäbchen und einer Tube Senf obendrauf.

"Ich gehe. Entschuldige mein Eindringen. Man sieht sich."

Ich war dabei, wegzugehen, als ich einen Zug, so sanft wie eine Feder, an meinem Arm spürte.

"..."

Nagato zog mit ihren Fingern an meinem Ärmel. Der Zug war sehr sanft, mit genausoviel Kraft, wie man benutzen würde, um einen neugeborenen Babyhamster aufzunehmen.

Nagato zog mit ihren Fingern an meinem Ärmel. Der Zug war sehr sanft, mit genausoviel Kraft, wie man benutzen würde, um einen neugeborenen Babyhamster aufzunehmen.

Es war ein schwacher Ausdruck. Nagato schaute einfach hinunter, während sie meinen Ärmel nur mit ihren Fingern berührte. Konnte es sein, dass sie nicht wollte, dass ich ging? Konnte es sein, dass sie sich bedrängt fühlte, wenn sie mit Asakura alleine war? In jedem Fall war ich einverstanden, besonders wenn ich eine so bitterlich verzweifelte Nagato sah.

"... ich mach nur Spaß! Ich werde mitessen! Oh Mann, ich verhungere! Wenn ich nicht bald etwas in meinen Magen bekäme, würde ich nichtmal den Heimweg überleben!"

Endlich zogen sich ihre Finger zurück. Ich vermisste diese Szene irgendwie. Normalerweise gäbe es für mich keine Möglichkeit, Nagato ihre Gedanken so deutlich anzusehen. Dieser Moment gewann durch seine Seltenheit an Wert.

Als sie sah, wie ich ins Wohnzimmer zurückglitt, verengte Asakura ihre Augen, als hätte sie alles verstanden.


Ich konzentrierte mich komplett darauf, mir Oden in den Mund zu stopfen. Meine Geschmacksnerven schrien ob des leckeren Vergnügens, doch im Grunde meines Herzens erkannte ich nicht, was genau ich da aß. Nagatos Fokus lag auf jedem kleinen Kauen und sie brauchte fast drei Minuten, nur um ihren Konbu zu kauen und zu schlucken. Von uns dreien redete nur Asakura föhlich und ich gab die ganze Zeit halbherzige Antworten zurück.

Als hätten wir ein Feldlager vor den Toren der Hölle dauerte das Mahl länger als eine Stunde und meine Schultern wurden sehr steif.

Endlich stand Asakura auf.

"Nagato-san, bitte pack die übrigen Portionen in einen anderen Behälter und stell ihn in den Kühlschrank. Ich werde morgen vorbeikommen und den Topf abholen, also behalte ihn bitte bis dahin."

Ich folgte ihr. Es war als wäre ich von allen Fesseln erlöst. Nagato nickte mehrdeutig und senkte ihre Augen, als sie uns an der Tür verabschiedete.

Ich stellte sicher, dass Asakura gegangen war, bevor ich Nagato zuflüsterte:

"Man sieht sich. Kann ich dich morgen im Clubraum besuchen? Ich hab sonst keinen Ort, an den ich nach der Schule gehen könnte."

Nagato richtete ihre Augen auf mich und...

... zeigte mir ein schwaches aber eindeutiges *Lächeln*.


Ich war buchstäblich geblendet.


Während der Fahrstuhl nach unten fuhr, kicherte Asakura.

"Hey, magst du Nagato-san?"

Nun, es ist nicht so, dass ich sie hasse. Wenn ich mich zwischen Mögen und Hassen entscheiden müsste, würde ich ersteres wählen, doch ich habe ohnehin keinen Grund, sie zu hassen. Sie ist meine Retterin. Jupp. Asakura, es war Nagato, die mich vor deiner mörderischen Klinge gerettet hat, also wie kann ich sie hassen?

... Das obige konnte ich nicht sagen. Diese Asakura war nicht die andere Asakura, und das gleiche galt für Nagato. In dieser Welt schien ich der Einzige zu sein, der einen anderen Blick auf die Dinge hatte, und jeder andere war normal geworden. Es gab immerhin keine SOS Brigade.

Wie interpretierte diese schöne Klassenkameradin mein Schweigen auf ihre Frage? Sie lachte einfach durch ihre Nase.

"Keine Chance, wie ich sehe. Ich habe zuviel gelesen , wie es scheint. Dein Lieblingstyp wäre wohl eher eher seltsam und Nagato-san passt einfach nicht in dieses Profil."

"Woher kennst du meinen Lieblingstyp?"

"Ich habs zufällig von Kunikida-san gehört. Ihr wart in derselben Klasse auf der Junior High, oder?"

Dieser Bastard, der einfach solchen Mist herumerzählt. Das war einfach Kunikidas Missverständniss. Ignorier das bitte.

"Aber du! Wenn du mit Nagato-san ausgehen willst, solltest du es besser ernst meinen. Andernfalls werde ich dir nie verzeihen! Nagato-san mag zwar anders scheinen, doch im Inneren ist sie emotional sehr zerbrechlich."

Warum schenkt Asakura Nagato so viel Aufmerksamkeit? In meiner ursprünglichen Welt war Asakura Nagatos Verstärkung -- das hätte ich verstanden. Nun, letztendlich war sie allerdings Amok gelaufen und daher gelöscht worden.

"Es ist eine Freundschaft, die dadurch gefördert wird, dass wir im selben Apartmentblock leben. Irgendwie kann ich sie einfach nicht alleinlassen. Wenn ich sie von weitem sehe, spüre ich, dass sie in Gefahr ist. Und irgendwo in mir ist dann das Bedürfnis gewachsen, sie zu beschützen, verstehst du?"

Ich mag sie verstanden haben oder auch nicht.

Die Unterhaltung endete hier und Asakura verließ den Lift auf der fünften Etage. Raum 505, erinnerte ich mich.

"Wir sehen uns morgen."

Asakuras lächelndes Gesicht wurde hinter der schließenden Tür weggesperrt.

Ich verließ den Apartmentblock und die dunkle Atmosphäre draußen war genauso kalt, wie eine Gefriertruhe. Der Nordwind stahl meinem Körper noch etwas anderes zusammen mit meiner Körperwärme.

Ich dachte darüber nach, den alten Hausmeister zu grüßen, entschied mich aber dann dagegen. Die Glasfenster an der Hausmeisterstation waren fest verschlossen und es war dunkel innen. Er schlief wahrscheinlich.

Ich würde auch am liebsten schnellstmöglich in mein Bett zurückkehren. Ich wäre sogar mit einem Traum zufrieden. Das Mädchen konnte genausoleicht unterbewusst in die Träume anderer gelangen.

"Du bist einfach eine Plage, ob du da bist oder nicht, also komm in so einem kritischen Moment endlich verdammt nochmal hier raus! Kannst du nicht ausnahmsweise mal auf meinen Wunsch hören...?"

flüsterte ich in den sternbesetzten Himmel und erkannte plötzlich mit einem Schock, worüber ich nachgedacht hatte. Ich würde mir am liebsten selbst hart auf den Kopf schlagen, dafür dass ich solche unheimlichen Gedanken hegte.

"Was zum Teufel..."

Das Gemurmel aus meinem Mund wurde zu weißem Atem und löste sich in Luft auf.


Ich wollte Haruhi sehen.




Kapitel 3[edit]

Der 20. Dezember

Es war der Morgen des dritten Tages seit sich die Welt verändert hatte, als ich aus einem traumlosen Schlaf erwachte. Wie üblich, kam ich aus dem Bett und fühlte mich, als hätte man meinen Magen mit einigen Duzend .300mm Kugeln gefüllt. Shamisen, der auf der Decke schlief, rollte plötzlich runter auf den Boden und blieb flach liegen. Ich trat sanft auf seinen Bauch und seufzte.

Als sie ihren Kopf durch die Tür streckte, sah meine Schwester entmutigt aus, als sie erkannte, dass ich aufgewacht war.

"Also, hat Shami gesprochen?"

Sie hat mich das seit vorgestern Abend immer wieder gefragt. Meine Antwort war immer die gleiche.

"Ne~in."

Als ich noch in Erinnerungen an das weiche Gefühl des Katzenfells an meinen Füßen schwelgte, hatte meine Schwester bereits begonnen, ihr kleines Lied zu summen, und trug Shamisen aus dem Zimmer. Es ist wunderbar, eine Katze zu sein, alles was sie machen ist essen, schlafen und ihr Fell lecken. Wie wünschte ich doch, mal für einen Tag mit ihm den Platz zu tauschen. Wer weiß, als Katze hätte ich vielleicht sogar das, was ich suchte, in Windeseile finden können.

Stimmt, ich hatte den Schlüssel noch immer nicht gefunden. Ich hatte auch nicht herausgefunden, was dieser Schlüssel eigentlich war. Vom Systemaktivierungsprogramm ganz zu schweigen. Wenn ich heute nichts unternehmen würde, würde die Welt so bleiben und vielleicht sogar noch erschreckender werden. Und was das Zeitlimit betraf -- wessen Idee war es überhaupt gewesen, so ein Limit zu verwenden? War es schon schwierig für Nagato, mir auch nur einen begrenzten Zeitraum zu bieten?

Ich ging zur Schule, ohne irgendwelche Fortschritte zu machen. Der düstere Himmel, der sich über allen Köpfen spannte, sah aus, als wäre es kurz davor zu schneien. Schien, als würde es dieses Jahr weiße Weihnachten geben; es könnte starken Schneefall geben. Es gab bislang wenige Vorhersagen über die Menge an Schnee, aber gemessen an der Kälte des diesjährigen Winters würde sie vermutlich groß werden. Haruhi wäre sicher aufgeregter als ein Hundewelpe, während sie sich auf den Winterausflug vorbereitete... gesetzt dem Fall, dass Haruhi noch existierte.

Es gab nichts bemerkenswertes, als ich wie üblich die Steigung zur North High hinaufstieg und letztlich in der Klasse 1-5 ankam. Meine Erschöpfung hatte sich dadurch körperlich manifestiert, dass ich langsam ging, so dass ich es gerade zum Läuten vor der ersten Stunde schaffte, mich an meinen Platz zu setzen. Wie gestern gab es viele, die wegen Krankheit fehlten, doch was erstaunlich war, war, dass Taniguchi nur einen Tag Ruhe gebraucht hatte. Auch wenn er noch immer seine Maske trug, war er trotzdem gekommen. Ich bemerkte erst jetzt, dass dieser Typ es liebte, zur Schule zu gehen.

Übrigens schenkte mir heute Asakura, die hinter mir saß, ein ziemlich faszinierendes Lächeln.

"Guten Morgen."

Asakura begrüßte mich einfach, wie sie jeden begrüßte. Ich nickte lediglich zurück.

Als das zweite Läuten den Unterrichtsbeginn verkündete, betrat Okabe-sensei energisch den Raum und begann die erste Stunde ernsthaft.



Ich hatte anscheinend schon vergessen, welcher Wochentag es war. Der heutige Stundenplan schien anders zu sein, als ich ihn in Erinnerung hatte, doch ich war mir nicht sicher. Ich war mir nicht mal sicher, ob ich letzte Woche an diesem Tag die selben Fächer gehabt hatte. Ich befürchte, ich würde es kaum bemerken, wenn man die Stundenpläne von gestern und heute vertauschen würde. War es nur ich, der komisch geworden war? Das als Haruhi Suzumiya bekannte Mädchen hat nie existiert, Asakura war die beliebteste Schülerin der Klasse und Asahina-san die unerreichbare Schülerin aus dem höheren Jahrgang, während Nagato das einzige Mitglied des Literaturclubs war.

Doch was war die Wirklichkeit? War die SOS Brigade und alles, was ich durchgemacht hatte, alles Teil meiner Vorstellung?

Verdammt, meine Gedanken werden immer negativer.

Während des Sportunterrichts in der ersten Stunde war ich der geistesabwesende Torwart, der sich nicht dafür interessierte, sein Tor zu verteidigen; die nächste Stunde war Mathe, alles ging einfach in mein linkes Ohr rein und aus meinem rechten Ohr raus; bevor ich es merkte, war es Pause.

Als ich auf meinem Tisch zusammensank um meinen Kopf abzukühlen...

"Yo, Kyon."

Es war Taniguchi. Er hängte seine Maske unter sein Kinn und zeigte sein typisches idiotisches Grinsen.

"Nächste Stunde ist Chemie, heute wird der Lehrer meine Reihe aussuchen um Fragen zu beantworten, hilf mir aus.

Dir helfen? Bist du verrückt? Dir ist schon klar, dass wir unsere gegenseitigen Stärken und Schwächen in- und auswendig kennen, oder? Woher soll ich etwas wissen, das du nicht weißt?

"Hey, Kunikida."

Ich rief meinen anderen Partner, der gerade von der Toillette wiederkam:

"Sag Taniguchi alles, was du über Natriumhydroxide weißt. Er will besonders wissen, ob sie sich mit Salzsäuren verstehen."

"Nun das ist einfach, sie werden neutralisiert, wenn man sie vermischt",

sagte Kunikida, während er durch Taniguchis Textbuch blätterte.

"Ah, also diese Frage. Berechne es erst in Mol, und dann kannst du es in Kilogramm umrechnen. Lass mich nachdenken..."

Man fühlt sich extrem hilflos, wenn man sieht, wie eine sachkundigen Person es so einfach erklärt.

Taniguchi nickte ununterbrochen, doch als Kunikida weiterdachte, schien er nicht mehr selbst weiterrechnen zu wollen. Er nahm meinen Kugelschreiber von meinem Tisch und kritzelte einige Nummern und Symbole in die leeren Felder in Taniguchis Textbuch.

Als alles erledigt war, grinste mich Taniguchi komisch an:

"Kyon, Kunikida hat mir während des Fussballspiels in Sport alles erzählt, du scheinst vorgestern etwas vorgehabt zu haben."

Warst du an dem Tag nicht auch in der Schule?

"Ich musste im Krankenzimmer ein Nickerchen machen und ich fühlte mich den ganzen Nachmittag schläfrig. Ich hab erst heute morgen davon erfahren. Ich hörte, du wärst durchgedreht. Hast du wirklich gesagt, Asakura sollte nicht existieren?"

"Mehr oder weniger."

Ich hielt meine Hand hoch und machte ein Zeichen, das aussagte: "Du kannst dich jetzt verpissen!" Doch Taniguchi schmunzelte und fuhr fort:

"Oh wie wünschte ich nur, ich wäre auch dagewesen. Man kann dich nur selten lächerlich umherschreien sehen."

Kunikida schien sich an etwas von dann zu erinnern und sagte:

"Kyon geht es heute besser. An dem Tag sah es so aus, als wolltest du dich mit Asakura-san anlegen. Hatte sie etwas gemacht, was dich aufgeregt hat?"

Selbst wenn ich es sagen würde, würde ich wie ein Verrückter behandelt. Also war es für mich nur natürlich, den Mund zu halten.

"Oh, ja, du sagtest, dass jemand von Asakura ersetzt worden wäre. Hast du diese Person gefunden? Ihr Name war Haruhi, richtig? Wer ist sie eigentlich?"

Würdest du bitte aufhören, mich daran zu erinnern? Momentan würde ich bei der Erwähnung dieses Namens selbst dann unfreiwillig anfangen zu zittern, wenn er nur wiederholt von einem Papagei gestottert würde.

"Haruhi?"

Siehst du? Selbst Taniguchi verdreht den Kopf. Nicht nur das, er sagt sogar:


"Diese Haruhi, du meinst doch nicht etwa Haruhi Suzumiya, oder?"


Ja, diese Haruhi Suzumiya......

Die Knochen in meinem Nacken gaben ein knackendes Geräusch von sich. Ich drehte meinen Kopf langsam und schaute auf den dummen Blick, den mir mein Klassenkamerad zuwarf.

"Taniguchi, was hast du gerade gesagt?"

"Ich sagte Suzumiya, das wilde Mädchen von der East Junior High. Ich war mit ihr drei Jahre in einer Klasse. Frag mich, wie's ihr geht...... Und wie kommts, dass du sie kennst? Du sagtest, sie sei durch Asakura ersetzt worden, worum ging es da eigentlich?"

Meine Augen wurden Augenblicklich weiß......

"DU! DU FLACHSCHÄDLIGER IDIOT!"

schrie ich und sprang sofort auf. Vielleicht waren sie von meinem plötzlichen Ausbruch verunsichert, denn sowohl Taniguchi als auch Kunikida wichen instinktiv etwas zurück.

"Wen nennst du hier 'flachschädlig?' Wenn ich ' flachschädlig' bin, dann bist du 'kahlköpfig'! Übrigens hat meine Familie schon seit Generationen silbernes Haar, du solltest also derjenige sein, der sich um seinen Haaransatz sorgen machen muss!"

Das geht dich nichts an! Ich packte Taniguchi am Kragen und zog ihn zu meinem Gesicht, bis sich unsere Nasen fast berührten.

"Du sagtest du kennst Haruhi?!"

"Wie kann ich sie nicht kennen? Ich könnte sie nicht mal nach fünfzig Jahren vergessen. Wenn es irgendjemanden von der East Junior High gibt, der sie nicht kennt, dann sollte derjenige sich durchecken lassen, ob er nicht an Amnesie leidet."

"Wo?"

Als würde ich ein Mantra rezitieren, stellte ich Frage um Frage:

"Wo ist das Mädchen? Wo ist Haruhi jetzt? Sag mir wo!"

"Was ist mit dir los? Bist du eine Taiko-Trommel? Hast du Haruhi irgendwo gesehen und dich auf den ersten Blick in sie verliebt? Gib es auf! Ich sag das nur zu deinem Besten. Auch wenn ihr Aussehen der Traum eines jeden Kerls ist, reicht ihr Verhalten aus, um diese Träume ein für alle Mal zu zerschmettern. Zum Beispiel hat sie..."

Mysteriöse geometrische Formen auf dem Sportplatz der Schule mit weißer Kreide gezeichnet, richtig? Das weiß ich schon. Ich bin nicht an ihrem vergangenen Strafregister interessiert, ich will einfach nur wissen wo zum Teufel Haruhi jetzt ist!

"Sie ist an der Kouyouen Schule",

antwortete Taniguchi als würde er die atomare Ordnung von Wasserstoff aufsagen.

"Wenn ich mich nicht irre, hat sie sich an der High School am Fuß des Hügels direkt beim Bahnhof eingeschrieben. Sie ist schon ein helles Köpfchen, daher ist es nur normal, dass sie auf so eine Elite High School geht."

Eliteschule?

"Ist Kouyouen wirklich so gut? Ich dachte es wäre nur eine Mädchenschule für die Reichen und Berühmten."

Taniguchi schaute mich mit mitleiderregenden Augen an und sagte:

"Kyon, ich weiß nicht, was sie dir in der Junior High gesagt haben, aber diese Schule war schon immer gemischt. Ganz zu schweigen davon, dass es eine der besten Schulen dieser Präfektur ist, was die Universitätsbeitrittsrate betrifft. So eine Schule in der Gegend zu haben, regt mich auf!"

Während ich Taniguchis Gemurmel lauschte, ließ ich langsam los.

Warum habe ich nicht früher daran gedacht? Ich sollte dafür Seppuku begehen.

Nur weil Haruhi nicht auf der North High war, war ich davon ausgegangen, dass sie in dieser Welt nicht existiert. Wie du siehst, war meine Vorstellungskraft schlechter als die einer riesigen Höhlengrille. Wenn ich nächsten Sommer zu meinen Verwandten aufs Land zurückkehre, sollte ich hingehen und mich mit einer ihrer Verwandten auf dem Balkon unterhalten, wir kommen sicher gut miteinander klar.

"Hey! Krieg dich wieder ein!" Taniguchi rückte seinen Kragen zurecht und sagte: "Kunikida, du hast Recht. Er ist durchgedreht und sein Zustand hat sich anscheinend verschlimmert."

Sag, was du willt, ich bin nicht in der Stimmung, mit dir zu streiten, weil es da im Moment jemanden gibt, der mir mehr auf den Keks ging, als der hinterhältige Taniguchi und der immer-nickende Kunikida.

Die Serie an unglücklichen Ereignissen war wirklich unglaublich. Wenn jemand aus der East Junior High an dem Tag in der Nähe gesessen hätte oder wenn Taniguchi zu dem Zeitpunkt in der Klasse gewesen wäre, dann hätte ich Haruhis Namen viel früher laut und deutlich gehört. Wessen Schuld war das eigentlich? Er soll herauskommen, damit ich den Bastard ordentlich verprügeln kann. Diese Rechnung kann aber an einem anderen Tag beglichen werden. Alles was beantwortet werden musste, war gefragt worden, alles was jetzt noch anstand, war, in Aktion zu treten.

"Wo gehst du hin, Kyon? Auf die Toilette?"

Ich drehte mich um, während ich in Richtung Klassentür eilte und sagte:

"Ich gehe heute früher."

So früh wie möglich.

"Was ist mit deiner Tasche?"

Die wäre mir nur im Weg.

"Kunikida, wenn Okabe fragt, sag ihm, ich hätte die Beulenpest mit Durchfall oder Grippe oder sowas in der Art und es tut verdammt weh! Oh, und Taniguchi..."

Ich erwies meinem Klassenkameraden, der mich mit offenem Mund verabschiedete meine aufrichtige Dankbarkeit:

"Danke!"

"Hä? Was......?"

Zuletzt sah ich, wie Taniguchi mit seinem Finger an seinem Kopf kreiste, dann schoss ich aus dem Klassenzimmer und innerhalb einer Minute war ich außerhalb des Schultores.



Es war wirklich schwer, den Hang mit hoher Geschwindigkeit hinunterzurennen. Ich rannte mit aller Kraft, weil ich zu aufgeregt war, und nach ungefähr zehn Minuten begannen meine Beine und meine Lunge sich darüber zu beschweren, dass ich sie überanstrengte, von meinem Herz ganz zu schweigen. Jetzt wo ich drüber nachdenke, hätte ich es sicher auch geschafft, wenn ich bis nach der dritten Stunde gewartet hätte. Zu dieser Jahreszeit hatte Kouyouen sicher auch einen halben Schultag. Es hätte gereicht, solange ich nur dort ankam, bevor die letzte Schulglocke läutete. Selbst wenn ich von der North High aus nur gegangen wäre, hätte es nicht länger als eine halbe Stunde gedauert.

Als ich merkte, wie schlecht mein Zeitmanagement war, hatte ich die Privatschule nahe dem Bahnhof schon erreicht, den Endpunkt meiner täglichen obligatorischen Kletterroute zur Schule. Es war sehr still in der Schule, hatten sie noch immer Unterricht? Ich schaute auf meine Uhr, die Stunden waren ungefähr zur gleichen Zeit wie an unserer Schule, sie hatten sicher gerade die dritten Stunde. Mit anderen Worten, ich hatte noch eine ganze Stunde Freizeit, bis sich die Schultore öffnen würden. Da ich bei dem kalten Wetter mit leeren Händen dastand, konnte ich nichts weiter tun, als zu warten.

"Vielleicht sollte ich gewaltsam reinstürmen......"

Wäre Haruhi in dieser Situation, dann hätte sie genau das gemacht, und sie hätte es schön gemacht. Leider hatte ich nicht dieses Selbstvertrauen, und nachdem ich langsam auf das Tor zugegangen war, drehte ich mich verzweifelt wieder um. Vor der Schule stand ein ernst dreinblickender Wachmann. Wie von einer teuren Privatschule zu erwarten.

Tatsächlich hätte ich die Schule auch über den Zaun infiltrieren können, das Problem war nur, dass der Zaun ziemlich hoch und mit Stacheldraht versehen war, es schien eine bessere Idee zu sein, darauf zu warten, dass sich die Schultore öffneten. Sollte ich mit Gewalt eindringen, wäre alles vorbei, sollte ich gefasst werden. Ich war bereits soweit gekommen, dass ich nicht vorhatte, das Spiel so leicht enden zu lassen. Schließlich konnte ich mich im Gegensatz zu Haruhi im Ernstfall immer noch beherrschen.



Und so wartete ich fast zwei Stunden.

Das letzte Läuten der Schulglocke klang wie eine alte Erinnerung und die Schultore öffneten sich, gefüllt mit Schülern die herausströmten, wie eine entfesselte Flut.

Taniguchi hatte Recht gehabt, das war wirklich eine gemischte Schule. Die Uniformen der Mädchen waren dieselben wie immer, die typische schwarze Schulmädchen-Uniform. Zwischen ihnen gingen die Kerle und sie waren in die traditionellen Gakuran Uniformen gekleidet. Das war das genaue Gegenteil der North High, wo die Mädchen die Matrosenuniform trugen und die Jungs die Anzüge. Was das Geschlechterverhältnis betraf, schienen die Mädchen in der Überzahl zu sein.....

"Wie kann das sein...... Vergiss es."

Unter den männlichen Schülern waren einige bekannte Gesichter, es waren die Schüler der Klasse 1-9. Und ich hatte gedacht, sie wären alle verschwunden, scheint als wären sie die ganze Zeit in dieser High School gewesen. Ich weiß nicht, ob es Zufall ist, oder nicht, doch ich habe bislang noch niemand aus meiner Junior High gesehen. Die, die ich bislang gesehen hatte, hatten mich kaum bemerkt und gingen zügig weiter, nachdem sie mir einen schnellen misstrauischen Blick zugeworfen hatten. Sie hatten jetzt sicher komplett neue Erinnerungen erhalten, höchstwahrscheinlich glücklichere Schulerinnerungen, weil sie zumindest nicht mehr jeden Tag den Hügel zur Schule hochsteigen mussten.

Ich wartete weiter und die Chancen, dass ich den Jackpot zog, waren 50/50. Wenn dieses Mädchen einem Club beigetreten war oder damit beschäftigt war, etwas zu planen, und in der Schule bleiben musste, dann war ich im Prinzip nur eine Vogelscheuche hier. Bitte, beeil dich und sei auf dem Heimweg und tauche hier vor mir auf.

Was wäre, wenn es eine SOS Brigade an dieser Kouyouen Schule gäbe, bei der andere Mitglieder als ich selbst an irgendwelchen Aktivitäten teilnahmen....

Als ich darüber nachdachte, zogen sich meine Innereien wie verrückt zusammen. Würde das nicht aus Asahina-san, Nagato, Koizumi und mir austauschbare Wegwerfartikel machen? Wenn das der Fall wäre, wäre ich noch schlimmer als ein Nebencharakter und wäre ein komplett Außenstehender. Ich will sowas nicht! Ich würde so ziemlich jeden anbeten! Sei es Jesus, Mohammad, Buddha, Mani, Zarathustra oder sogar Lovecraft! Wenn einer von ihnen mein Unwohlsein lindern könnte, würde ich an jede Prophezeihung oder Legende glauben, die sie predigen. Selbst wenn es diese Weltuntergangskult-Prediger wären, würde ich ihnen bereitwillig folgen. Nun verstand ich endlich, wie sich jemand fühlte, der sich an jeden Strohhalm klammerte und trotzdem hoffnungslos in einem Sumpfloch versank.

Nachdem ich für ungefähr zehn Minuten von Sorge und Depression verzehrt worden war:

"...... Puh,"

Ich seufzte tief ohne überhaupt die Bedeutung dieses Seufzers zu kennen. Warum stieß ich einen solchen Erleichterungsseufzer aus?


Weil sie aufgetaucht war.


Inmitten eines Meers aus Anzügen und Gakuran Uniformen war ein Gesicht, das ich bis zu meinem Tode nie vergessen würde.

Genau wie am ersten Schultag, als sie sich zuerst vorgestellt und die Luft im Klassenzimmer gerinnen lassen hatte, hatte sie langes Haar, das bis zu ihrer Hüfte reichte. Ich schaute kurz wie gelähmt und begann dann damit, mit meinen Fingern nachzuzählen, welchen Tag der Woche wir hatten. Heute war nicht der Tag, an dem sie ihr Haar offen tragen würde, anscheinend hatte diese Haruhi kein Interesse daran, mit ihrem Haar herumzuspielen.

Als wären sie darüber unglücklich, dass ich im Weg stand, gingen die Schüler der Kouyouen High links und rechts an mir vorbei. Ich hatte keine Ahnung, was sie von diesem Typen hielten, der wie ein Idiot vor ihrem Schultor stand, doch sie können denken, was immer sie wollen, und ich habe auch nicht die Zeit, mich um ihre Gedanken zu sorgen.

Ich stand still und richtete meinen Blick fest auf das Mädchen in seiner Anzug-Uniform, das sich mir langsam näherte.

Haruhi Suzumiya.

Endlich habe ich dich gefunden.



Ich stand still und richtete meinen Blick fest auf das Mädchen in seiner Anzug-Uniform, das sich mir langsam näherte.

Ohne es zu wollen, lächelte ich, was daran lag, dass ich nicht nur Haruhi gefunden hatte.

Ein Typ in einer Gakuran-Uniform ging neben Haruhi her und unterhielt sich mit ihr. Es war, mit einem Lächeln, das ich nie ausstehen konnte, wenn ich es sah, niemand anderes als Itsuki Koizumi. Nun, das ist mal ein überraschender Anhang.

Also sind sich die beiden schon so nahe gekommen, dass sie zusammen nach der Schule nach Hause gehen. Dennoch schien Haruhi nicht wirklich glücklich, ihr Gesichtsausdruck war immer noch derselbe, mit dem ich sie zu Beginn des Schuljahres zuerst gesehen hatte. Sie gab gelegentlich die eine oder andere schnelle Antwort und wandte ihren finsteren Blick dann wieder dem Asphalt zu.

Es ist das Mädchen von damals. Bevor sie überhaupt daran gedacht hatte, die SOS Brigade zu gründen, hatte sie, wohin auch immer sie in der Schule ging, diesen Gesichtsausdruck eines Meisters der Kampfkünste, der verzweifelt nach einem würdigen Gegner suchte, an dem er seine Fähigkeiten zur Schau stellen konnte, getragen. Dieser Ausdruck rief in mir ein Gefühl der Nostalgie hervor. Dies war die Haruhi, die von der Mittelmäßigkeit des normalen Lebens gelangweilt war und mit aller Kraft versuchte, etwas Spannung zu finden, ohne zu merken, dass sie alles manifestieren konnte, was sie wollte.

Egal, es mag immer Zeit sein, um in Erinnerungen zu schwelgen, nur nicht jetzt. Die beiden schienen mich nicht zu bemerken, während sie sich mir langsam näherten.

So hoffnungslos sich das auch anhören mag, ich konnte mein Herz schon nicht mehr davon abhalten, schneller zu schlagen. Würde mich jetzt ein Arzt untersuchen, er müsste sein Stethoskop abnehmen, weil der Zweitakt-Rhythmus der aus mir kommt, zu laut wäre. Das Wetter war frostig und doch schwitzte ich. Ich hoffe nur, dass meine zitternden Beine nur Teil meiner Einbildung sind, ich bin mir sicher, dass ich nicht so eine Memme bin.


...... Sie sind da. Haruhi und Koizumi sind vor mir angekommen.

"Hey!"

Es war für mich schwer genug, meine Stimme überhaupt rauszubekommen.

Haruhi hob ihren Kopf und erwiederte meinen Blick.

Ihre Beine, die in schwarzen Strümpfen steckten, hielten an.

"Was ist?"

Ihr Blick war so kalt wie ein Kühlschrank. Sie untersuchte meinen ganzen Körper mit diesem Blick und wandte ihn dann ab.

"Was willst du von mir? Nein, ich sollte besser fragen, wer bist du? Ich bin nicht die Art Mensch, die einfach jeden 'Hey!' zu sich sagen lässt. Wenn du flirten willst, geh woanders hin, ich hab keine Interesse an sowas."

Da ich mich bereits geistig darauf vorbereitet hatte, war es kein allzugroßer Schock. Wie erwartet kannte mich diese Haruhi nicht.

Koizumi blieb ebenfalls stehen und blickte mich kalt an. Anhand seines Ausdrucks würde ich nicht glauben, dass er mich überhaupt sieht, ganz zu schweigen davon, dass er mich kennt.

Ich wandte mich diesem Koizumi zu und fragte:

"Ist dies unsere erste Begegnung?"

Koizumi zuckte leicht mit den Achseln und sagte:

"Ich glaube schon. Darf ich fragen, wer du bist?"

"Bist du auf diese Schule gewechselt?"

"Ich bin diesen Frühling auf diese Schule gewechselt.... Woher wusstest du, dass ich die Schule gewechselt habe?"

"Weißt du etwas über eine Gruppe, die sich die 'Organisation' nennt?"

"'Organization?' Was willst du damit andeuten?"

Sein harmloses Lächeln war jenes Markenzeichen, das ich bereits kannte. Doch seine Augen verrieten eine gewisse Wachsamkeit. Genau wie Asahina-san kannte mich dieser Typ nicht.

"Haruhi."

Haruhis Gesicht zuckte und sie starrte mich mit ihren großen schwarzen Augen an.

"Wer hat dir erlaubt, mich beim Namen zu nennen? Wer zum Teufel bist du? Ich kann mich nicht daran erinnern, um die Gesellschaft von Perversen und Stalkern gebeten zu haben. Verschwinde endlich, du bist im Weg."

"Suzumiya."

"Du darfst mich auch nicht beim Nachnamen nennen. Woher kennst du meinen Namen überhaupt. Bist du von der East Junior High? Du musst von der North High kommen, das erkenne ich an der Uniform. Was will also ein Schüler der North High hier?"

schnaufte Haruhi und drehte sich um.

"Ignorier ihn einfach, Koizumi-kun. Tu einfach so, als existiere er gar nicht. Es macht keinen Sinn, Zeit mit diesem unhöflichen Kerl zu verschwenden, er ist ohnehin ein Idiot. Lass uns gehen!"

Warum ging Haruhi nach der Schule mit Koizumi nach Hause? Konnte es sein, dass Koizumi in dieser Welt meine Rolle übernommen hatte? Auch wenn mir der Gedanke eine Zeit lang durch den Kopf gegangen war, dachte ich da nicht wahnsinnig drüber nach.

"Warte!"

Ich griff nach Haruhis Schulter als sie sich von mir abwandte.

"Lass mich los!"

Haruhi drehte ihren Arm und schüttelte meine Hand ab. Ihr Gesicht war nun voller Wut, doch das war noch nicht grimmig genug, dass ich sie jetzt gehen lassen würde, sonst wären all diese Stunden, die ich hier gestanden hatte, sinnlos gewesen.

"Du gehst mir echt auf den Keks!"

Haruhi beugte sich runter und gab mir elegant einen tiefen Tritt.

Mein Knöchel schrie vor Schmerz, es tat so weh, dass ich mich fühlte, als würde ich ersticken, doch es war nicht schmerzhaft genug, mich auf dem Boden kriechen zu lassen. Nachdem ich mein Gleichgewicht wiedergefunden hatte, sagte ich trostlos:

"Sag mir nur eins."

Ich nahm mein letztes bisschen Mut zusammen. Wenn das nicht klappt, hab ich keinen Plan mehr. Dies war meine letzte Hoffnung - dann stellte ich ihr die Frage:

"Erinnerst du dich an das Tanabata Festival vor drei Jahren?"

Gerade als sie weggehen wollte, hielt Haruhi erneut an. Während ich auf ihr langes, dunkles Haar schaute, fuhr ich fort:

"An diesem Tag bist du in deine Schule geschlichen und hast auf dem Sportplatz mit weißer Kreide Zeichen gemalt."

"Und wenn schon?"

Haruhi drehte sich mit einem wütenden Gesichtsausdruck herum:

"Jeder weiß das bereits! Warum erwähnst du es?"

Ich wählte meine Worte mit Bedacht und versuchte es so schnell wie möglich zu beenden:

"Du bist damals nicht alleine gewesen, als du in die Schule geschlichen bist. Du warst mit einem Typen zusammen, der Asahina...... ein kleines Mädchen trug. Er war es, den du die Muster mit der weißen Kreide zeichnen lassen hast. Die Zeichen waren eine Nachricht für Hikoboshi und Orihime und bedeuteten ungefähr soviel wie 'Ich bin hier......!"

Ich konnte meinen Satz nicht beenden.

Haruhi packte mich mit der rechten Hand am Kragen und zog mich zu sich. Mit erschreckender Kraft gezogen, fiel ich vorwärts und stieß an Haruhis Kopf, der so hart wie Stein war.

"Autsch!"

Ich schaute sie protestierend an und ihre Augen blickten bösartig zurück. Ihr stechender Blick bohrte sich nun direkt in meinen. Das war ein nostalgischer Blick, genau wie Haruhis verärgerter Gesichtsausdruck.

Das Mädchen starrte mich verblüfft an, ihre Adern standen kurz davor zu platzen, als sie fragte:

"Wie kannst du das wissen!? Wer hat dir das erzählt!? Nein, ich habe es nie jemanden erzählt. Damals......"

Haruhi stoppte plötzlich, ihr Gesichtsausdruck veränderte sich dramatisch, als sie meine Uniform sah:

"North High...... Könnte es sein......!? Wie heißt du?"

Ich hatte Schwierigkeiten, zu atmen, weil sie meine Krawatte fest gepackt hielt. So ein wildes Mädchen. Nein, jetzt war nicht der Zeitpunkt um in Erinnerungen über Haruhis unglaubliche Kraft zu schwelgen. Mein Name? Sollte ich ihr meinen echten Namen sagen, den sie nie gehört hatte, oder sollte ich ihr diesen dummen Spitznamen nennen, den zu benutzen sich jeder angewöhnt hatte?

Egal was davon, es hätte keinen Effekt auf das Mädchen vor mir. Ich denke nicht, dass sie je einen dieser Namen gehört hat. In diesem Fall gibt es nur noch einen Namen den ich benutzen kann:

"John Smith."

Auch wenn ich versuchte, es ruhig zu sagen, war es schwer, wenn man am Kragen festgehalten wird. Siehst du nicht, dass ich Probleme mit dem Atmen habe...... Gerade als ich darüber nachdachte, fühlte ich, wie der starke Druck vor meiner Brust plötzlich verschwand.

"...... John Smith?"

Haruhi ließ meinen Kragen los und schien gelähmt, da sie ihre Hände noch in der Luft gestreckt ließ. Ich habe sie selten so gesehen. Mit offenen Mund sah Haruhi Suzumiya aus, als hätte der Sensenmann ihre Seele geholt.

"Also bist du es...... Du bist dieser John Smith? Der komische High School Schüler...... der mir...... in der East Junior High...... geholfen hat......"

Plötzlich stolperte Haruhi. Ihr langes dunkles Haar verdeckte ihre Augen, und gerade als sie dabei war, zu fallen, fing Koizumi sie rechtzeitig auf.

Die Verbindung war hergestellt.



Was meinst du mit 'geholfen'? Du hast mich praktisch alles machen lassen...... Doch ich würde meine Zeit nicht damit verschwenden, mit ihr zu streiten. Das ist es, endlich habe ich einen Hinweis gefunden! In dieser komplett anderen Welt gab es eine Person und nur eine Person, die eine Erinnerung mit mir teilt.

Also bist du es.

Diese Person war niemand geringeres als Haruhi Suzumiya.

Wenn diese Haruhi mich vor drei Jahren an Tanabata getroffen hatte, dann konnte diese Welt drei Jahre später auf diesen Zeitpunkt zurückverfolgt werden. Nicht alles "verschwindet spurlos". Der Teil der Geschichte, als ich mit Asahina-san drei Jahren zurückgereist und mit Nagatos Hilfe in die Gegenwart zurückgekehrt bin, existierte tatsächlich. Ich weiß nicht, was inzwischen schief gelaufen ist, doch zumindest war diese Welt vor drei Jahren dieselbe Welt wie die, die ich kannte, gewesen.

Nur, was war schiefgegeangen? Warum war ich der Einzige mit den ursprünglichen Erinnerungen?

Ich denke, darüber werde ich mir später den Kopf zerbrechen.

Ich schaute Haruhi an, deren Kiefer offenstand, als hätte sie ein Weltwunder gesehen, und sagte zu ihr:

"Ich werde alles erklären. Hast du Zeit? Es ist nämlich eine lange Geschichte....."



Als wir drei Schulter an Schulter gingen, sagte Haruhi:

"Ich habe John Smith zweimal gesehen. Kurz darauf, als ich auf dem Heimweg war, hörte ich wie jemand hinter mir herrief, was sagte er nochmal..... Ah ja! Etwas wie 'Gib gut acht auf den John Smith, der die Welt erschüttern wird!' Was soll das bedeuten?"

Ich habe sowas nie gesagt. Nachdem ich sichergestellt hatte, dass Haruhi außer Sichtweite des Sportplatzes war, habe ich Asahina-san geweckt und bin dann zu Nagatos Apartment gerannt. Könnte es noch einen John Smith geben? Doch wovon zum Teufel hatte dieser John Smith gesprochen?

Es klang als hätte er Haruhi einen Hinweis geben wollen.

"War dieser John derselbe John wie der, den du in der East Junior High gesehen hast?"

"Er war zu weit weg und es war zu dem Zeitpunkt dunkel. Ich kann mich an keins der Gesichter von den beiden gut erinnern. Doch seine Stimme klang wie deine und er trug eine North High Uniform."

Die Sache wurde immer komplizierter. Kaum dachte ich, ich hätte alles auf der Reihe, schon passten die Details nicht.

Wir suchten nach einem Cafe in der Nähe und betraten es. Ich hätte zu dem üblichen Cafe gehen wollen, das die SOS Brigade für ihre Treffen nutzte, weil es doch ein Wiedersehen der SOS Brigade war. Doch es war etwas weit von hier entfernt.

"Dieses andere Du, das ich kannte, ging auf die North High und am ersten Schultag hat sie folgendes gesagt....."

Noch bevor unsere Bestellung angekommen war, hatte ich schon mit meiner Geschichte begonnen. Bevor der Cafe au lait kalt genug war, dass man ihn in einem Schluck trinken konnte, hatte ich ihr eine komprimierte Version von allem erzählt, was bisher passiert war, ohne etwas auszulassen. Sachen wie dass eine Außerirdische, eine Zeitreisende und ein Esper sich in der SOS Brigade trafen und unser Club im Raum des Literaturclubs war.

Insbesondere erzählte ich ihr im Detail von meinem Zeitreiseabenteuer an Tanabata, da ich dachte, das wäre der wichtigste Teil.

Ich gab Haruhi ein generelles Bild davon, wie sie möglicherweise eine Göttin, eine Zeitstörung und eine evolutionäre Möglichkeit war, da keine dieser Theorien bislang bestätigt worden war. Ich erzählte ihr, dass sie eine unglaubliche in ihr verborgene Macht besaß und diese unbekannte Kraft sogar die Welt verändern konnte.

Das allein reichte, um dieses Mädchen sehr zu interessieren. Sie versank immer wieder in tiefe Gedanken und sagte schließlich:

"Wie konntest du die außerirdische Sprache lesen, die ich mir ausgedacht hatte? Es ist wahr, diese Symbole bedeuteten 'Ich bin hier, kommt und sucht nach mir!'"

"Jemand hat es mir übersetzt."

"Du meinst diese Außerirdische?"

"Ein von den außerirdischen zur Interaktion mit Menschen geschaffenes lebendes humanoides Interface um genau zu sein; so bezeichnet sie sich jedenfalls."

Ich erzählte ihnen alles über Nagato Yuki. Auf dem ersten Blick schien sie wie ein Extrageschenk des Literaturclubs an die Brigade, doch eigentlich spielt sie nur den ausdruckslosen stillen Bücherwurm. Dann erzählte ich ihnen von Asahina-san. Das ständig cosplayende Maskottchen, wie auch unsere Verantwortliche für die Öffentlichkeitsarbeit und exklusive Teedame der Brigade, war eigentlich eine Zeitreisende aus der Zukunft. Sie war es, mit der ich durch die Zeit zum Tanabata vor drei Jahren gereist bin, und dank Nagato haben wir es geschafft, zurückzukehren.

"Also heißt das, dass du dieser John bist, oder? Dann werd' ich dir glauben, es schadet ja nichts. Also hattest du damals mit Zeitreisen zu tun......"

Haruhi schaute mich mit Augen, die daran gewöhnt waren, Zeitreisende zu untersuchen, an und nickte mit dem Kopf.

Bist du nicht ein bisschen zu vertrauensselig? Ich hätte nicht gedacht, dass du es so leicht glauben würdest. Damals, als nur wir beide in der Stadt auf der Suche nach Mysteriösem waren, hast du meine Geschichte wie Müll behandelt, als ich sie dir in dem Café erzählt habe.

"Dieses andere Ich ist ein Idiot, aber ich glaube dir."

Haruhi lehnte sich vor und fügte hinzu:

"Weil Glauben mehr Spaß macht!"

Ich kannte dieses strahlende Lächeln, das wirkte, als würden hundert Blumen erblühen. Dies war das Lächeln, mit dem ich Haruhi zum ersten Mal lächeln gesehen hatte. Es war das Eine-Millionen-Watt Lächeln, dass sie getragen hatte, als sie im Englischunterricht plötzlich die Idee hatte, die SOS Brigade zu gründen.

"Nach diesem Tag bin ich losgegangen und habe jeden an der North High untersucht. Ich habe mich sogar machmal reingeschlichen, doch ich habe niemals jemanden gesehen, der John ähnlich sah. Ich war wütend auf mich selbst, weil ich mir sein Gesicht nicht vernünftig gemerkt hatte. Doch jetzt ergibt es Sinn, da du vor drei Jahren noch nicht einmal auf der North High eingeschrieben warst......"

Damals gab es zwei Versionen von mir, eine lebte das Leben eines sorglosen Junior-High-Schülers und die andere war ich, wie ich zusammen mit Asahina-san in Nagatos Gästezimmer in der Zeit eingefroren war.

Ich konnte auch das Schicksal dieses Wunderknaben hier erwähnen:

"In dieser Welt ist Koizumi ein Esper. Du hast mir oft geholfen, aber du hast mir auch einige Probleme beschert."

"Sollte das stimmen, wäre das ziemlich unglaublich",

sagte Koizumi mit einem halb-ungläubigen Blick, während er elegant seinen Tee trank.

Ich wandte mich erneut Haruhi zu.

"Warum bist du nicht auf die North High gekommen?"

"Es gibt da ehrlich gesagt keinen besonderen Grund für. Ich war nur wegen des Vorfalls an Tanabata an der North High interessiert. Doch zu dem Zeitpunkt an dem ich auf die High School kam, würde John bereits seinen Abschluss gemacht haben, ganz zu schweigen davon, dass ich ihn schon davor nicht hatte finden können. Außerdem hat Kouyouen eine bessere Universitätsbeitrittsrate und mein Klassenlehrer in der Junior High nervte mich immer damit, mich dort einzuschreiben, also habe ich es gemacht, nur um ihn ruhigzustellen. Tatsächlich ist es nicht wirklich wichtig, auf welche High School ich gehe, ehrlich."

Ich entschied mich auch Koizumi zu fragen:

"Wie sieht's mit dir aus? Warum bist du hierher gewechselt?"

"Du fragst mich, warum, nun meine Antwort ist ziemlich dieselbe wie Suzumiya-sans. Ich bin einfach dorthin gegangen, wohin mich meine akademischen Fähigkeiten geführt haben. Außerdem, ich will ja nicht sagen, dass die North High irgendwie schlecht ist, doch Kouyouen ist einfach so viel besser, wenn es um die Campuseinrichtungen geht."

Wie wahr, die North High hat nicht mal 'ne Klimaanlage.

Haruhi stöhnte und sagte:

"Die SOS Brigade, hm? ...... Klingt nach Spaß."

Alles nur dank dir.

"Wenn das was du sagst, wahr ist",

unterbrach Koizumi, der nun sein grinsendes Lächeln abgestellt hatte und mit einem amüsierten Ausdruck sagte:

"Basierend auf deiner Geschichte gibt es zwei Möglichkeiten."

Nun das hört sich wirklich so an, wie etwas, das Koizumi sagen würde.

"Die erste wäre, dass du aus deiner Heimatwelt kommend in einem Paralleluniversum gelandet bist; die zweite wäre, dass sich die ganze Welt abgesehen von dir geändert hat."

Darüber hab ich auch nachgedacht.

"Dennoch gibt es, egal was von beiden nun der Fall ist, noch ungeklärte Fragen. Wenn es ersteres ist, wo ist dann dein Gegenstück aus dieser Welt hin? Wenn es letzteres ist, dann ist es verwunderlich, dass du als einziger nicht verändert wurdest. Außer wenn du irgendeine unglaubliche Fähigkeit besitzt, dann würde das einiges erklären."

Tue ich nicht, und das kann ich dir garantieren.

Koizumi machte seine nervende Markenzeichen-Geste, indem er elegant mit den Schultern zuckte und fortfuhr:

"Wenn du aus einem Paralleluniversum stammst, dann musst du einen Weg finden, in die Welt zurückzukehren, aus der du kommst. Wenn die Welt komplett verändert wurde, dann musst du einen Weg finden, die Welt wieder in ihren Ursprungszustand zurückzuversetzen. Egal welche Möglichkeit es ist, um dein Problem zu lösen, musst du den Übeltäter finden der hinter all dem steckt, denn es ist möglich, dass der Übeltäter weiß, wie man die Dinge wieder in den Normalzustand bringt."

Wer außer Haruhi könnte es noch sein?

"Wer weiß? Vielleicht ist es ein Eindringling aus einem alternativen Universum, der die Erde als Spielfeld benutzt. Es könnte in der Zukunft auch ein böses Superhirn auftauchen."

Ich merkte sofort, dass er sich das nur ausdachte als er fortfuhr, da es aufgrund seines Tonfalls offensichtlich war, dass er Scheiße erzählte. Doch Haruhi merkte es überhaupt nicht und ihre Augen strahlten sogar, als sie sagte:

"Ich würde diese Nagato-san und Asahina-san wirklich gerne treffen. Oh ja, ich würde mir den Clubraum auch gerne mal ansehen. Wenn es wirklich ich war, die die Welt geändert hat, dann könnte ich mich vielleicht an etwas erinnern, wenn wir uns treffen. Denkst du nicht auch, John?"

Ja das stimmt. Ich hatte keinen Grund, zu widersprechen. Wenn dieses Mädchen wirklich hinter all dem steckte - zumindest glaubte ich das - dann könnte es wirklich etwas in ihr auslösen und sogar Nagato und Asahina-san wären vielleicht in der Lage, sich an mich zu erinnern. Sobald die Außerirdische und die Zeitreisende wieder normal wären, würde sich alles andere ganz leicht lösen lassen. Warte mal, hat sie mich gerade John genannt?

"Du sagtest, du würdest Kyon genannt, oder? John klingt besser, da es mehr wie ein Personenname wirkt, ganz zu schweigen davon, dass es ein sehr bekannter westlicher Name ist. Wer hat dir überhaupt diesen Kyon Spitznamen gegeben? Es klingt als würden dich die Leute gar nicht respektieren."

Es war meine Tante, die mir diesen Spitznamen gegeben hat, während meine Schwester dafür verantwortlich war, ihn überall zu verbreiten. Trotzdem fühlte ich mich befriedigt, dass sich diese Suzumiya darüber beschwerte. Ich frage mich, warum, da es noch nicht lange her war, dass ich diesen Spitznamen zuletzt gehört hatte.

"Dann lasst uns losgehen."

Ich könnte ja mal versuchen, zu fragen:

"Jetzt? Wohin?"

Haruhi war bereits aufgestanden und schrie mich wichtigtuerisch an:

"Zur North High natürlich!"

Einen Augenblick später war Haruhi, die es nicht einmal ertrug, darauf zu warten, dass sich die automatische Tür öffnete, aus dem Cafe gestürmt.

Ich fühlte mich sehr erleichtert, sie etwas derart Haruhimäßiges machen zu sehen.

Haruhi, du bist wirklich einmalig. Sobald du dir etwas ausdenkst, trittst du immer in weniger als zwei Sekunden in Aktion. Das bist definitiv du. Jedes Mal, wenn du die Clubraumtür wie ein Stier auftrittst, wissen wir, dass du wieder eine unglaubliche Idee zu verkünden hast. Nagato schien die einzige zu sein, die dabei ruhig bleiben konnte......

"Oh Mist!"

Ich schaute auf meine Uhr. Die Schulzeit war längst vorbei. Ich hatte das Versprechen, das ich gestern in Nagatos Apartment gegeben hatte, vergessen. Ich hatte gesagt, dass ich heute in den Clubraum kommen würde und trotzdem kam ich zu spät. In meinem Kopf tauchte ein Bild von einer deprimierten Nagato auf, wie sie verzweifelt darauf wartete, dass jemand an die Tür klopfte. Bitte warte noch ein wenig. Ich bin auf dem Weg.

Koizumi nahm die Rechnung auf, die Haruhi zurückgelassen hatte, und sagte:

"Also bezahle ich nur für Suzumiya-san?"

Wenn du auch für mich bezahlst, verrate ich dir noch mehr.

"Dann bin ich ganz Ohr."

Ich erzählte ihm einfach alles, was dieser Esper-Junge je zu mir gesagt hatte. Sachen wir das anthropische Prinzip oder das Haruhi eine Göttin sei, und dass er so weit gegangen war, einen mysteriösen Mordfall auf einer einsamen Insel zu inszenieren, nur um Haruhi zu unterhalten.

Als ich sah, dass Koizumi in tiefe Gedanken versank, fragte ich ihn:

"Könnte Haruhi der Übeltäter sein oder ist es jemand ganz anderes? Was glaubst du, ist der Fall?"

"Wenn die Suzumiya-san, von der du sprichst, wirklich unbegrenzte Fähigkeiten besitzt, dann ist es möglich, dass es ihr Werk ist."

Nun, mir fiel keine andere Person ein. Andererseits, wenn das wirklich der Fall wäre, würde das bedeuten, dass Haruhi Koizumi an ihrer Seite behalten hatte, während sie auf Nagato, Asahina-san und mich verichtet hatte. Ich will jetzt nicht klingen, als würde ich mich beschweren, aber ich glaube nicht, dass Haruhi mehr an Koizumi als von uns anderen interessiert ist. War dies wieder das Werk von Haruhis unterbewussten Kräften?

"Soll das heißen, dass ich mich geehrt fühlen sollte, dass mich Suzumiya-san ausgewählt hat?"

kicherte Koizumi und fuhr fort:

"Letztendlich, habe ich...... ja, ich habe Suzumiya-san gern."

"...... Ist das dein Ernst?"

Machst du Witze?

"Ich denke sie ist eine sehr fesselnde Person."

Wo hab ich das schonmal gehört? Koizumi fuhr in ernstem Ton fort:

"Dennoch ist Suzumiya-san nur an meinen oberflächlichen Eigenschaften interessiert. Sie sagte, es läge nur daran, dass ich die Schule gewechselt habe, dass sie überhaupt mit mir spricht. Und weil ich nur ein normaler Schulwechsler bin, scheint sie in letzter Zeit gelangweilt zu sein. In dieser SOS Brigade die du erwähnt hast, was hattest du da für besondere Eigenschaften? Wenn du keine hast, dann bedeutet das, dass Suzumiya-san dich sehr mag, zumindest wenn diese Suzumiya-san dieselbe Person ist, wie die Suzumiya-san, die ich kenne."

Egal wann, ich kann mich nicht daran erinnern, in meinem Lebenslauf irgendwelche Fähigkeiten erwähnt zu haben, die mich direkt in die Klapsmühle bringen würden, abgesehen von der ziemlich nutzlosen Fähigkeit, unbeabsichtigt in mysteriöse Ereignisse hineingezogen zu werden.

Haruhi steckte ihren Kopf durch die Tür und rief uns mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht zu:

"Warum seid ihr beiden noch hier? Beeilt euch endlich!"

Während Koizumi an der Kasse darauf wartete, dass die Bedienung das Wechselgeld abgezählt hatte, tat ich meinen ersten Schritt aus dem warmen Cafe zurück in die Kälte draußen, in der jeder Atemzug sichtbar wurde.

Ein Taxi wartete vor dem Eingang des Cafes. Anscheinend hatte Haruhi es angehalten. Sah so aus, als wollte sie so schnell wie möglich zur North High. Übrigens war dies nicht das mysteriöse schwarze Taxi, mit dem Koizumi und ich gelegentlich fuhren, sondern ein normales, gelbes Taxi.

"Zur North High, volle Kraft voraus!"

befahl Haruhi dem Fahrer, als sie ins Taxi sprang. Ich folgte mit Koizumi und saß auf dem Rücksitz. Der Fahrer, ein Mann mittleren Alters, zuckte nicht, weil er von einem kleinen Mädchen herumkommandiert wurde, sondern lächelte nur penibel und trat aufs Gaspedal.

"Ich hab kein Problem damit, wenn du in die North High hineinstürmst", sagte ich neben Haruhis Gesicht, "aber deine Uniform würde zu sehr auffallen. Schüler von anderen Schulen brauchen einen Grund, um reinzukommen, sonst gibt es Probleme, wenn die Lehrer es mitkriegen."

Haruhi trug ihre schwarze Anzuguniform und Koizumi seine Gakuran Uniform. Es waren am Nachmittag nicht viele Schüler anwesend, da es nur ein halber Schultag war, doch wenn sie einfach das Territorium von Schülern in Matrosenuniformen und Marineblau betreten würden, dann würden sie offen erklären, dass sie von einer anderen Schule kamen.

"Nun, das ist....."

Haruhi dachte drei Sekunden lang nach und sagte:

"John, hattest du heute Sport? Nein, ist sogar egal, wenn nicht. Deine Sportuniform ist in deinem Klassenzimmer, oder?"

Nun, ich habe im Sportunterricht in der ersten Stunde Fußball gespielt.

"Dann, hast du deine Sportuniform und deinen Trainingsanzug mitgebracht?"

Hab ich, aber warum fragst du?

Haruhi lächelte geheimnisvoll:

"Ich werde nun meinen Plan für diese Mission erklären. John, Koizumi-kun, hört mir zu.

Ist es wirklich wichtig, dass der Taxifahrer nichts mitbekommt? Trotzdem lehnten wir uns gehorsam nach vorne und lauschten, als Haruhi leise ihre Missionsbesprechung durchführte.

"Das klingt wirklich nach etwas, das du machen würdest",

antwortete ich und blickte zu Koizumi, der einen undeutbaren Gesichtsausdruck zeigte, als er eine Grimasse zog.



Ich stieg in der Nähe der North High als Erster aus dem Taxi aus und ging zurück zu meinem Klassenzimmer um Haruhis Infiltration der North High vorzubereiten.

Übrigens wurde die Taxigebühr auch von Koizumi bezahlt. Dieser Koizumi war im Prinzip Haruhis wandelnde Geldbörse. Ich weiß nicht, was der arme Typ gemacht hat, um das zu verdienen. Könnten seine Gefühle für Haruhi romantischer Natur sein? Ich würde wirklich gerne fragen, was ihm an Haruhi gefiel. Doch ich erinnere mich, das Taniguchi mal gesagt hat, dass Haruhi ziemlich beliebt bei den Jungen in der Junior High gewesen sei, auch wenn sie exzentrisch war. Das ist keine Überraschung; wenn sie die SOS Brigade nicht in dieser Schule gegründet hätte, wäre sie damit beschäftigt, ausnahmslos jedem Typen auszuweichen, der ihr nachstellt. Heißt das, dass die SOS Brigade eigentlich Haruhis Rückzugsort ist? Dadurch, dass sie die unbestrittene Anführerin eines solch mysteriösen Clubs geworden ist, würde jeder vernünftige Typ ihr ausweichen, wie der Schlagmann einem starken Wurf. Anstatt dreimal auszuholen und vom Ball am Kopf getroffen zu werden, würden die meisten Menschen es vorziehen, dem Ball ganz auszuweichen und gemütlich zur ersten Base zu gehen.

Darüber dachte ich nach, während ich ins oberste Stockwerk ging.

Es waren nicht viele Leute im Schulgebäude, doch es war nicht komplett leer. Schüler, die sich dazu entschieden hatten, ihren Clubaktivitäten nachzugehen, weil sie sonst nichts besseres zu tun hatten, waren hier und da verstreut. Glücklicherweise war der Klassenraum 1-5 leer. Ehrlich gesagt hatte ich ein wenig Angst davor, von Okabe-sensei erwischt zu werden. Wenn er wäre, würde er wissen wollen, warum jemand, der sich dazu entschieden hatte, sich den Rest des Tages freizunehmen, zurück in die Klasse schleichen wollte.

Irgendwer hatte beschlossen, zu helfen und meinen Tisch gesäubert; ich denke mal, dass es wohl Asakura war. Ich fragte mich, wo meine Bücher und Schreibsachen hin verschwunden sind, anscheinend waren sie weggeräumt worden. Nur meine Tasche hing an einer Seite meines Tisches, während die Lederschuhe, nach denen ich suchte, auf der anderen Seite des Tisches hingen.

"Sie hat wirklich alles durchdacht."

Ich seufzte ob Haruhis Sorgfältigkeit, als ich meinen Beutel mit meiner Sportuniform herausholte. In dieser großen Sporttasche waren ein kurzärmliges Sporthemd, eine Paar Shorts, eine Trainingsjacke und eine Trainingshose, die alle während des Sportunterrichts in der ersten Stunde getragen worden waren. Der Infiltrationsplan, den sich Haruhi im Taxi ausgedacht hatte, war offensichtlich "sich als North High Schüler verkleiden". "Koizumi-kun wird deine Sportuniform tragen, während ich deine Jacke und Hose trage. Dann werden wir einfach durchs Vordertor laufen; jeder wird einfach denken, wir wären vom Leichtathletikclub und wären gerade mit dem Joggen fertig. Dieser Plan ist perfekt."

Mit anderen Worten hatten wir wie Insekten zu lernen, uns zu tarnen. Immerhin war es besser, als sich einfach einen beliebigen Typen und ein Mädchen von der North High auf dem Heimweg zu schnappen und ihnen die Kleider auszuziehen.

"Nun, das ist auch keine schlechte Idee",

sagte Haruhi lässig, als sie an einer Ecke stand, die ein gutes Stück vom Schultor entfernt war, wo sie auf mich wartete.

"Es ist unwahrscheinlicher, das wir verdächtigt werden, wenn wir uns so wie du kleiden. Warum hast du uns von dieser noch besseren Idee nicht früher erzählt?"

Das ist Straßenräuberei! Wie könnte ich so etwas machen?

Haruhi öffnete die Schleife des Beutels, drehte ihn erbarmungslos um und leerte seinen Inhalt aus. Das Resultat war, dass die vier Kleidungsstücke nun auf der Betonstraße lagen.

"Hast du sie gewaschen?"

Vor ungefähr einer Woche.

"Verzeihung, Suzumiya-san."

Koizumi schaute meine schmutzige Sportuniform an, wie eine Wüstenmaus einen mongolischen Tiger, der sie in eine Sackgasse getrieben hatte, und sagte:

"Also wo ziehen wir uns um? Gibt es hier in der Nähe ein gutes Versteck?"

"Wir können uns hier umziehen",

antwortete Haruhi schnell und schnappte sich sofort die Hose.

"Es sind nicht viele Leute hier und es ist nicht allzu kalt, wenn du dich schnell umziehst. Keine Angst, ich dreh' mich um. John, dreh dich auch um, wir werden ihn decken."

Sie warf mir einen schnellen Blick zu. Was hat das zu bedeuten?

"Ich hätte kein Problem damit, beobachtet zu werden."

Sie lächelte verschmitzt und begann dann, die Hose unter ihrem Rock anzuziehen.

"Ich wusste nicht, dass du so lange Beine hast."

Sie kniete sich hin um die lange Hose hochzukrempeln, und nachdem sie die Länge angepasst hatte, stand sie auf und öffnete ihren Rock.

Der Rock rutschte einfach von ihre Hüfte runter. Dann zog sie ihren schwarzen Blazer aus. Als sie anfing, ihre Bluse aufzuknöpfen, drehte ich mich schnell um.

"Ist schon ok. Ich trage ohnehin ein T-Shirt darunter."

Die Bluse fiel auf den Blazer und den Rock. Ich wandte meinen Blick langsam zurück. Ein kurzärmeliges weißes T-Shirt und eine Sporthose tragend stand Haruhi stolz da, ihr langes Haar im Wind flatternd. Als ich sie so anstarrte, hatte ich plötzlich das Bedürfnis, einen gewissen Anblick wiederzusehen.

"Hey, möchtest du dir einen Pferdeschwanz binden?"

Haruhi erwiderte meinen Blick

"Warum?"

Das hat keinen besonderen Grund, mir gefällt's einfach besser, ehrlich.

Haruhi schnaubte beiläufig:

"Einen Pferdeschwanz zu binden mag einfach aussehen, doch einen schönen Pferdeschwanz zu binden ist leichter gesagt als getan!"

Dennoch nahm Haruhi ein Gummiband aus ihrem Blazer am Boden und band ihr langes dunkes Haar elegant hinter ihren Kopf zusammen.

Dennoch nahm Haruhi ein Gummiband aus ihrem Blazer am Boden und band ihr langes dunkes Haar elegant hinter ihren Kopf zusammen.

"Gar nicht mal so schlecht. Nun sehe ich mehr nach jemandem aus dem Leichtathletikclub aus. Denkst du, es ist OK?"

Ich finde es wunderbar. Für mich hat sich ihr Charme um mindestens 36% erhöht.

"Trottel."

Gerade als ich mich fragte, wie ich darauf reagieren sollte, merkte ich, dass sie nur so tat als wäre sie sauer. Ich hätte es besser wissen müssen.

Auch wenn es etwas länger gedauert hatte, hatte auch Koizumi sich fertig umgezogen. Es musste ihm schwerfallen, bei diesem eisigen Wetter ein kurzärmliges T-Shirt und Shorts zu tragen. Ganz zu schweigen davon, dass er die Klamotten von jemand anderem tragen musste, was für ihn besonders seltsam gewesen sein muss. Mit Gänsehaut zitternd fragte Koizumi:

"Suzumiya-san, du wirst deine Jacke nicht tragen oder? Was dagegen, wenn ich sie mir ausleihe?"

Haruhi trug auch kurzärmlig, doch sie hatte ein Lächeln aufgesetzt, das ausreichte um die Kälte zu vertreiben und sagte:

"Geht nicht. Ich brauche die Jacke, um meine Tasche zu verstecken. Ich bin so getarnt bereits so weit gekommen, ich werde es nicht durch eine Tasche ruinieren."

Tatsächlich sahen die Schultaschen der Kouyouen Schule und der North High von außen leicht unterschiedlich aus. Haruhi öffnete die Trainingsjacke wie eine Tischdecke, hüllte ihre und Koizumis Taschen darin ein und befahl mir dann, sie zu tragen. Dann stopfte sie ihre und Koizumis Sachen in meinen Beutel und bat mich, auch den zu tragen.

"Nun denn."

Haruhi legte ihre Arme an ihre Hüfte und sagte:

"Jetzt sehen wir aus, als kämen mir vom Marathontraining. Nicht schlecht, was?"

Du bist natürlich nicht schlecht, doch was ist mit mir? Wo findet man ein Mitglied eines Leichtathletikclubs, das, während es zum Marathontraining geht, viele Sachen mit sich rumschleppt und dabei gleichzeitig auch noch seine normale Uniform trägt?

"Nun, betrachte dich doch als den Manager des Leichtathletikclubs! Und nun! Eins, zwei, fight! Eins, zwei, fight!"

Als das Mädchen mit dem Pferdeschwanz loslief, tauschten Koizumi und ich Blicke aus. Dann zuckten wir gleichzeitig mit den Achseln und folgten ihr.

Sowohl dieser Koizumi als auch ich wussten, dass es extrem schwierig war, Haruhi davon abzuhalten, loszulaufen, egal unter welchen Umständen. Also konnten wir nichts tun, als ihr nachzujagen.

So war es schon immer gewesen, oder?

Ich weiß nicht, ob das gut oder schlecht ist, aber anders als bei Kouyouen sind die Tore der North High immer geöffnet. Wachen sind nirgends zu sehen. Alles verlief nach Plan; Haruhi's vorgetäuschter Marathonlauf, bei dem sie Slogans rief, endete kurz nachdem wir sicher an unserem Ziel angekommen waren, der Eingangshalle. Ich hätte nie gedacht, dass es so ein Theater wäre, Haruhi und Koizumi einfach in meine Schule zu bringen; vor drei Tagen hatten sie diesen Ort noch regelmäßig besucht und verlassen.

"So ein alter Komplex! Warum sind die Wände vorgefertigt? Sind öffentliche Schulen wirklich so arm? Ich lag richtig, dass ich mich nicht hier eingeschrieben habe."

Ich lauschte ihrer sehr wahren Meinung, während ich meinen Blick von den Reihen an Schuhschränken abwandte. Ich war bereits in meine Innenschuhe geschlüpft. Als ich mich noch fragte, ob es noch mehr Slipper für Gäste gäbe, hatte Haruhi bereits beiläufig den nächsten Spind geöffnet und hielt die Schuhe irgendeines Schülers in der Hand.

Es war typisch für Haruhi, sowas zu machen. Ich lächelte instinktiv komisch.

"Warum lächelst du? Du siehst echt doof aus. Ist ja nicht so, als hätte ich etwas lustiges gemacht."

Nachdem sie das gesagt hatte, hörte ich schnell auf zu lächeln. Sie hatte Recht: Egal welches Gesetz Haruhi gerade brach, jetzt war nicht die Zeit zum Lächeln.

Ich nahm an, dass Taniguchis Schuhgröße ungefähr Koizumis entspräche, darum ging ich hin, nahm Taniguchis Schuhe und gab sie ihm.

"Entschuldige."

Mit einem gar nicht entschuldigend klingenden Tonfall dankte mir Koizumi höflich und zog die Schuhe an. Ich stopfte die Sportschuhe, die er getragen hatte, in Taniguchis Spind.

Dann nahm ich ihre Taschen, die in die Jacke gehüllt waren, und trug sie wieder unter meinem Arm.

"Ich zeige euch den Weg, folgt mir."

"Halt!"

Haruhi stoppte mich, als ich gerade losgehen wollte. Ihre Finger spielten unbewusst mit ihrem Pferdeschwanz als sie sagte:

"Diese Außerirdische Nagato-san, sie ist im Literaturclubraum, oder?"

Um genau zu sein ist die momentane Nagato eine normale High School Schülerin, die früher eine Außerirdische war. Trotzdem denke ich, dass sie noch immer darauf wartet, dass ich vorbeikomme.

"Diese Nagato-san läuft uns sicher nicht weg. Lasst uns diese Zeitreisende Asahina-san schnappen. Wo ist sie?"

Sie ist sicher nach Hause gegangen...... Plötzlich kam mir ein Gedanke. Meine Instinkte waren nicht nur zur Show da, ich brauchte nichtmal meine Erinnerungen durchzugehen. Ich kann mit Sicherheit sagen, dass diese Asahina-san, die mich nicht kennt, einige Kalligraphiesachen dabeihatte. Bevor sie in die SOS Brigade gepresst wurde, war sie ein Mitglied des Kalligraphieclubs gewesen. Das heißt, sie ist im Moment noch in der Schule.

"Alles klar, dann hier lang."

Tut mir leid, Nagato. Warte bitte noch ein bisschen länger. Wir müssen zum Kalligraphieclubraum gehen, bevor wir dich besuchen können. Während ich im Stillen betete, dass der Kalligraphieclub heute stattfand, wurde ich von selbst schneller.



Diejenige, die die Tür zum Clubraum öffnete, war Haruhi. Dieses Mädchen hatte einfach keine Ahnung von der Anklopf-Etikette. Während Koizumi unbehaglich im Flur stand, war ich nicht in der Stimmung, sie über solche Nebensächlichkeiten zu belehren.

Es waren drei Mädchen im Kalligraphieclubraum; anscheinend übten sie Kalligraphie für Neujahrsgrüße.

"Wer von euch hier ist Asahina-san?"

"...... Kann ich euch helfen?"

Das kleinste der drei Mädchen öffnete seine Augen weit und sagte mit schüchterner Stimme durch seine Kirschroten Lippen:

"Was gibt es......"

Asahina-san saß elegant auf dem Stuhl und hielt ihren Pinsel in die Luft.

Ich lehnte mich über Haruhis Schulter und inspizierte den Raum. Tsuruya-san war nicht hier. Ich seufzte erleichtert. Mir fiel ein, dass sie nicht im Kalligraphieclub war.

Haruhi flüsterte mir ins Ohr:

"Das ist sie, oder? Ist sie wirklich im zweiten Jahr? Sie sieht eher wie eine Schülerin der Junior High aus."

"Ich dachte auch, sie wäre eine Junior High Schülerin. Aber du hast recht, sie ist Asahina-san."

Nachdem sie das gehört hatte, ging Haruhi mit großen Schritten auf sie zu und begann diesem kleinen Engel, der ganz steif geworden war, während sie ihren Pinsel hielt, gewaltigen Blödsinn zu erzählen:

"Ich bin Suzumiya von der Informationsabteilung des Schülerrats. Asahina-san, der Grund warum ich gekommen bin, ist dass ich dich etwas fragen muss. Hast du kurz Zeit?"

Du solltest deine Lügen besser vorbereiten, besonders wenn du nur ein kurzärmliges T-Shirt und eine Sporthose anhast!

Asahina-san blinzelte ununterbrochen mit den Augen und sagte nervös:

"Schülerrat...... Informationsabteilung? Was ist das..... aber ich weiß doch nichts."

"Das ist egal, komm einfach mit mir mit!"

Haruhi schnappte sich ihren Pinsel und warf ihn neben das Papier, dann griff sie nach Asahina-sans Arm und zog sie mit Gewalt hoch. Die anderen Clubmitglieder waren zu geschockt und verängstigt, um etwas sagen zu können. Wenn Tsuruya-san hiergewesen wäre, hätte ich vielleicht einen interessanten und phantastischen Kampf zwischen Haruhi und ihr beobachten können. Haruhi schlang ihren Arm um Asahina-sans Hüfte und entführte sie einfach ohne eine Erklärung.

"Deine Brüste...... Sie sind riesig. Hmm, du bist einzigartig. Das mag ich!"

sagte Haruhi fröhlich, als sie die Brüste einer älteren Schülerin einer anderen Schule begrapschte.

"Kyaa! Wah! Wh... Wha... Hä?!"

Als sie merkte, dass ich an der Tür stand, wurden Asahina-sans Augen noch weiter. Sie dachte sicher Das ist der Perversling von neulich! Asahina-san blickte auch furchterfüllt zu Koizumi, der auf einem Bein stand um warm zu bleiben, weil er fror, solange er im Flur stand. Koizumi schaute Asahina-san an, wie eine wildfremde Person und sagte:

"Ich bin kein schlechter Mensch, ehrlich."

Hör auf, so zu tun, als hättest du nichts mit der Sache zu tun. Besonders wenn du so gekleidet bist, Koizumi. Es wird nicht klappen.

Wie eine Mutter, die versuchte, ihr Kind davon abzuhalten, wieder wegzulaufen, nachdem es erfahren hat, dass es zum Zahnarzt musste, hob Haruhi die sich wehrende Asahina-san hoch und sagte:

"Hey, John, damit fehlt nur noch Nagato-san. Beeil dich und bring mich zu ihr."

Das brauchst du mir nicht zu sagen.

Schließlich musste ich zu dem Ort eilen, bevor ein aufmerksamer Schüler oder Lehrer, der bemerkt hatte, dass ich den Unterricht geschwänzt hatte, mich fand.

Der Ort, der sich im dritten Stock des Gebäudes befand, dass als die alte Baracke bekannt war, das Hauptquartier der SOS Brigade, das offiziell als der Clubraum des Literaturclubs bekannt war.



Dieses Mal klopfte ich an die Tür, bevor ich sie öffnete.

"Hey, Nagato."

Das bebrillte Mädchen hob ihren Blick von dem dicken Wälzer aus der Bücherei auf dem Tisch.

"Ah......"

Als sie sah, dass ich es war, seufzte Nagato erleichtert.

"Hä?"

Als sie sah, wie mir Haruhi hineinfolgte, weiteten sich ihre Augen.

"......Hä?"

Als sie sah, wie Asahina-san von Haruhi hereingeschleppt wurde, öffnete sie ihren Mund.

"......"

Als sie sah, wie Koizumi als Letzter eintrat, war sie sprachlos.

"Hallöchen."

Haruhi lächelte fröhlich. Nachdem sie sichergestellt hatte, dass jeder im Raum war, ging sie hin und verschloss die Tür. Klick! Als sie dieses Geräusch hörten, zeigten sowohl Nagato als auch Asahina-san die gleiche Reaktion - ihre Körper wurden starr vor Angst.

"W... Was machst du?"

Genau wie an jenem Tag war Asahina-san den Tränen nahe.

"W-Wo bin ich? Warum hast du mich hergebracht? Und, w-warum schliesst du die Tür ab? Was willst du von mir?"

Es war genau die gleiche Antwort, selbst ich war vor Nostalgie zu Tränen gerührt.

"Sei ruhig!"

Genau wie damals hatte Haruhi die Situation mit Gewalt unter Kontrolle und untersuchte dann den ganzen Raum.

"Also ist dieses brillentragende Mädchen Nagato-san? Hallo! Ich bin Haruhi Suzumiya! Der hier in der Sportuniform ist Koizumi-kun; während dieses kleine Mädchen mit den überdurchschnittlich großen Brüsten Asahina-san ist. Und was diesen Typen betrifft, den solltest du kennen, oder? Er heißt John Smith!"

"John Smith...?"

Nagato sah verblüfft aus, als sie ihre Brille hochschob und mich ungläubig anschaute. Ich zuckte mit den Achseln und akzeptierte diesen dummen Namen. Sowohl Kyon als auch John klangen doof.

"Also... das ist die SOS Brigade, hä? Hier ist ja nicht viel, aber es ist kein schlechter Raum. Er ist es wert, einige Sachen herzubringen."

Wie eine neugierige Katze, die in eine neue Wohnung gebracht worden war, wanderte Haruhi durch den Raum, schaute aus dem Fenster, untersuchte die Bücher auf dem Bücherregal, die interessant aussahen, und sagte dann zu mir:

"Also, was machen wir als nächstes?"

Sag nicht, du hast nicht darüber nachgedacht, bevor du dich entschieden hat, herzukommen? Mensch, das war sowas von typisch für Haruhis Denkweise.

"Ich bin dafür, diesem Raum zu unserem Hauptquartier zu machen, doch es ist so aufwendig, hier herzukommen. Es wäre Zeitverschwendung nach der Schule hier rüberzukommen. Ich hab keine Verbindung zu irgendwem an der North High. Oh ja, warum machen wir nicht einfach eine Zeit ab und treffen uns im Cafe vor dem Bahnhof?"

Nachdem das gesagt war, wusste niemand außer mir und dem Mädchen, das gerade gesprochen hatte, was los war.

Nagato sah aus wie eine Puppe mit einem besorgten Gesichtsausdruck; Asahina-san verhielt sich komisch, während sie zitterte; während Koizumi begann, Grimassen zu schneiden.

Ich musste etwas sagen, doch bevor ich sprechen konnte.....


Ding!


Plötzlich gab der Computer, den keiner berührt hatte, einige elektronische Geräusche von sich. Nagato drehte instintiv den Kopf.

"Hä?"

Asahina-san musste ihre Hüfte anheben, um zu sehen, was vor sich ging. All mein Wissen darüber, wie diese Maschinen funktionierten, war von diesem Computer weggesaugt worden.

Der alte Röhrenmonitor gab ein statisches Geräusch von sich und leuchtete langsam auf - ich konnte das nur anhand der Spiegelung in Nagatos Brille erkennen.

Das hätte vom Geräusch der sich drehenden Festplatte begleitet werden sollen, doch es war kein Geräusch zu hören. Das hab ich schonmal passieren sehen... Nein, ich erinnerte mich, dass ich damals die Maschine erst anstellen musste... Das Bild für das Betriebessystem erschien nicht, stattdessen zeigte der Bildschirm eine komische Erscheinung, die mir sehr bekannt vorkam...

"Lass mich mal schauen."

Mein Körper bewegte sich von alleine. Ich schob Haruhi beiseite und huschte vor den Bildschirm.

Der dunkle, graue Bildschirm zeigte lautlos eine Zeile an Wörtern.


  YUKI.N > Wenn du das hier liest, bin ich wahrscheinlich nicht mehr ich selbst.


... Ja, stimmt genau, Nagato...

"Was geht hier vor? Niemand tippt etwas, das ist unheimlich!"

"Vielleicht wurde es programmiert, zu einer bestimmten Zeit zu starten? Aber dieser Computer sieht echt alt aus. Es muss für so eine alte Maschine echt viel Arbeit sein."

Ich konnte nichts von dem verstehen, was Haruhi und Koizumi hinter mir sagten. Ich wagte nicht einmal zu blinzeln, aus Angst ein Wort oder einen Satz zu verpassen. Ich konnte in meinen Ohren mein Herz schlagen hören, während ich auf den Bildschrim starrte.


  YUKI.N > Wenn diese Nachricht erscheint, bedeutet das, dass du, ich, Haruhi Suzumiya,
Mikuru Asahina und Itsuki Koizumi alle hier versammelt sind.


Es war als würden die Worte so erscheinen, dass es zu meiner Lesegeschwindigkeit passte. Ohne weitere Beschreibung schrieb der Cursor dann die folgenden Worte:


  YUKI.N > Dies ist der Schlüssel. Du hast die Antwort gefunden.


Ich hatte die Antwort nicht wirklich gefunden. Ich war vielmehr darüber gestolpert, während Koizumi und ich gewaltsam von Haruhi mitgeschleift worden waren. Diese Haruhi ist wirklich sehr nützlich.... Übrigens, Nagato, es ist schon eine Weile her.

Ich fühlte mich nostalgisch, als ich die Wörter auf dem Bildschirm betrachtete. Auch wenn die Zeilen unvertont waren, konnte ich in meinem Herzen Nagato jedes Wort monoton vorlesen hören. Der Cursor bewegte sich weiter:


  YUKI.N > Dies ist das Notausstiegsprogramm. Um es zu aktivieren drücke die Enter-Taste,
andernfalls drücke irgendeine andere Taste. Einmal aktiviert, wirst du eine Chance erhalten, das
Raum-Zeit-Kontinuum zu reparieren. Allerdings kann weder Erfolg, noch deine sichere Rückkehr
garantiert werden.


Notausstiegs...... Programm. Das ist es! Es ist in diesem Computer!


  YUKI.N > Dieses Programm kann nur einmal ausgeführt werden. Einmal ausgeführt wird es deaktiviert
werden. Solltest du dich entscheiden, es nicht zu aktivieren, wird es ebenfalls deaktiviert
werden. Bist du bereit?


Das war die letzte Zeile an Wörtern. Der Cursor am Ende flackerte ununterbrochen.

Sollte ich "Enter" drücken? Oder sollte ich eine andere Taste drücken?

Als ich wieder zu mir kam, merkte ich, dass Haruhi mir über die Schulter schaute.

"Was bedeutet das alles? Ist es eine geheime Organisation? John, hör auf rumzualbern und erklär es endlich!"

Ich ignorierte Haruhi, Koizumi und Asahina-san komplett. In diesem Moment waren meine Augen weder auf Haruhi mit ihrem Pferdeschwanz, Koizumi in meiner Sportuniform noch auf die allzeit-hübsche Asahina-san gerichtet. Ich widmete all meine Aufmerksamkeit auf diesen Computer und die einzige andere Person im Raum. Ich sagte zu dem bebrillten Mädchen, das erstaunt auf den Bildschirm starrte:

"Nagato, kannst du dich daran erinnern?"

"... Nein."

"Bist du sicher?"

"Warum fragst du?"

Warum hatte sie es so eilig, jegliche Beteiligung zu abzustreiten? Du warst es, die diese Wörter getippt hat...... Das wollte ich sagen, doch wenn ich das getan hätte, wäre diese Nagato vermutlich ausgeflippt.

Ich entschied mich, den letzten Teil der Nachricht noch einmal zu untersuchen.

Dies war eine Nachricht, die Nagato mir hinterlassen hatte, es war die Nagato, die ich schon immer kannte, gewesen, die sie geschrieben hatte. Um ehrlich zu sein verstand ich nicht wirklich, was dieses Notausstiegsprogramm bedeutete, und die Ausschlussklausel, dass der Erfolg nicht komplett garantiert werden könne, beunruhigte mich.

Dennoch war ich so weit gekommen, es brachte nichts, sich darüber Sorgen zu machen. Ich hatte immer mein ganzes Vertrauen in diese Nagato gesetzt, und ich konnte ihr auch jetzt nur wieder vertrauen. Sie macht selten Fehler. Wem außer Nagato, dem stillen von Außerirdischen geschaffenen Lebenden Humanoiden Interface, das mein Leben mehrmals gerettet hatte, konnte ich sonst vertrauen? Wenn ich selbst an dem zweifelte, was sie sagt, dann müsste ich wirklich daran zweifeln, dass mein eigener Verstand noch funktioniert.

"Hey, John. Was ist los? Du siehst so komisch aus."

Haruhis Stimme klang als käme sie aus der Ferne.

"Bitte lass mich kurz in Ruhe. Ich versuche, meine Gedanken zu ordnen."

Gerade jetzt musste ich wirklich alles überdenken. Eine Haruhi und ein Koizumi, die auf eine andere Schule gingen, eine Asahina-san, die keine Zeitreisende war, und eine Nagato, die nichts zu wissen schien. Als ich darüber nachgedacht hatte, merkte ich, dass dies nicht die Dinge waren, um die ich mich jetzt sorgen sollte.

Die Worte, die Nagato auf den Bildschirm geschrieben hatte, waren ihre persönlichen Gedanken. Die Echtheit dieser Nachricht konnte nicht angezweifelt werden.

Ich streckte meine Arme aus und atmete tief durch.

Das war es...

Das einzige, was ich sicher wusste, war, dass ich aus dieser Welt rauskommen wollte. Ich wollte die SOS Brigade, an die ich mich so sehr gewöhnt hatte, dass sie ein Teil meines Alltags geworden war, wiedersehen, ebenso wie jeden in dieser Welt. Die Haruhi, Asahina-san, Koizumi und Nagato hier waren nicht diejenigen, die ich kannte. Es gab hier keine 'Organisation' oder Datenintegrations-Entität und die erwachsene Version von Asahina-san würde diese Welt nie besuchen, weil alles so durcheinander war.

Ich brauchte nicht lange, um mich zu entscheiden.

Ich zog ein zerknülltes Papierstück aus meiner Jacke...

"Tut mir leid, Nagato aber du kannst es wiederhaben."

Nagatos blasse Finger streckten sich langsam aus, um das leere Clubanmeldeformular entgegenzunehmen. Als ich losließ, flatterte das Anmeldeformular herum, obwohl es hier kaum Wind gab. Nachdem sie einmal danebengegriffen hatte, erwischte sie es schließlich beim zweiten Versuch.

"Das..."

Nagatos Stimme zitterte sogar, ihr Augen waren von ihren Wimpern verborgen.

"Allerdings," erklärte ich schnell, "war ich um ehrlich zu sein schon von Anfang an ein Mitglied dieses Raums. Ich musste dem Literaturclub nicht beitreten, der Grund dafür ist..."

Haruhi, Koizumi und Asahina-san schauten mich alle an und dachten Wovon zum Teufel spricht er? Nagato's Gesichtsausdruck wurde von ihrem Haar verdeckt, also konnte ich ihn nicht richtig sehen. Es spielt keine Rolle. Keine Angst, Nagato. Was auch immer als nächstes passieren wird, ich werde definitiv in diesen Raum zurückkehren.

"Der Grund dafür ist, weil ich ein Mitglied der SOS Brigade bin."

Bist du bereit?

Worauf du wetten kannst.

Ich streckte meine Finger aus und drückte die Enter-Taste.


Im nächsten Moment......


"Huch?!"

Als ich aufstand wurde ich von einem sehr intensiven Schwindelgefühl getroffen. Ich griff unfreiwillig an den Tisch als sich vor meinen Augen alles drehte. Ich konnte es in meinen Ohren summen hören, als ich die Geräusche von Leuten hörte, die in großer Entfernung sprachen. Alles wurde schwarz. Ich verlor jegliches Gleichgewichtsgefühl, ich fühlte mich, als würde ich umhertreiben wie das Blatt eines Baumes, dass in einen schnellen endlosen Strudel gefallen war. Die Stimmen, die mich riefen, begannen davonzutreiben, was versuchten sie zu sagen? War es John oder Kyon? Ich war mir selbst nicht sicher, es klang nicht, als käme es von Haruhi. Es ist so dunkel, falle ich? Wo falle ich hin? Jemand sollte es mir zumindest sagen.

Meine Gedanken waren in totalem Chaos. Waren meine Augen wirklich offen? Ich konnte nichts sehen oder hören. Ich konnte nur fühlen, dass ich schwebte. Wo war eigentlich mein Körper? Was war mit Haruhi? Alles war durcheinander. Koizumi, Asahina-san, wo bin ich? Wohin ging ich eigentlich? Was erwartet mich eigentlich in diesem Notausstiegsprogramm?

Nagato......

"Huch!?"

Ich schrie erneut, meine Knöchel wären beinahe umgeknickt, ehe ich es gerade noch schaffte, mich abzustützen. Erst da merkte ich, dass ich noch immer stand.

"Was zum Teufel...?"

Es war überall dunkel, wenn auch nicht so dunkel, als dass man seine eigenen Finger nicht hätte sehen können. Ich war erleichtert, noch sehen zu können.

"Wo bin ich...?"

Ich schaute mich im sanften Licht, das durch das Fenster schien, um und bestimmte meine Position. Dies sieht aus wie ein Raum und ich scheine mich auf einen Tisch zu stützen. Auf dem Tisch steht ein alter Computer...

"Der Literaturclubraum!"



Es war derselbe Literaturclubraum wie zuvor.

Doch Nagato war nicht hier. Haruhi, Asahina-san und Koizumi waren ebenfalls verschwunden. Nur ich war übriggeblieben. Die Sonne scheint bereits untergegangen zu sein, auch wenn noch vor kurzem Sonnenlicht durchs Fenster geschienen hat. Es ist vielmehr ein wenig zu schnell dunkel geworden. Ich schaute durch das Fenster in den spärlich bevölkerten Nachthimmel und sah einige Sterne funkeln. Die Zeit vergeht wirklich schnell.

Der Raum war genauso wie vorher. Es gab ein Bücherregal, einen langen Tisch und einen alten Computer. Ich verstand sofort, als ich dies sah. Ich war nicht in meine ursprüngliche Welt zurückgekehrt, da hier kein Zeug von der SOS Brigade rumlag. Der Kommandantentisch war nicht hier, ebensowenig wie Asahina-sans Cosplay-Garderobe. Es war noch immer ein leerer Literaturclubraum ... aber...

Der Schweiß von meiner Stirn tropfte in meine Augen. Ich wischte ihn sofort mit meinem Jackenärmel weg.

Irgendetwas stimmt nicht.

Was hatte dieses Gefühl der Orientierungslosigkeit zu bedeuten? Ich wusste bereits wo ich war, Das war tatsächlich der Literaturclubraum. Bist du eine Taiko-Trommel? Ich erinnerte mich plötzlich an das Wortspiel, das Taniguchi vorhin gemacht hatte, doch das war nicht das Problem. Ja, das Problem war nicht, wo sich dieser Ort befand.

"Das ist..."

Plötzlich erkannte ich den Grund dafür, dass ich mich so orientierungslos fühlte. Gleichzeitig fühlte sich meine Körpertemperatur an, als wäre sie stark angestiegen, doch das war nicht direkt zutreffend. Die Wahrheit war, dass die Umgebungstemperatur bereits hoch war, daher war meine Körpertemperatur ebenfalls angestiegen, also war das keine Illusion.

Ich konnte es nicht mehr aushalten und zog meine Jacke aus. Alle Poren an meinem Körper öffneten sich gleichzeitig und schwitzten. Dann zog ich meinen Pullover aus und rollte meine Hemdsärmel hoch, doch die Hitze, die sich in diesem Raum aufgestaut hatte, nahm kaum ab.

"Das ist zu heiß!"

begann ich mich zu beschweren.

"Es ist so heiß wie..."

Eine heiße Sommernacht.

In diesem Fall gab es nur eine Frage, die ich jetzt stellen sollte:


Welche Jahreszeit herrschte jetzt gerade?



Kapitel 4[edit]

Ich denke, jeder der diese Erfahrung gemacht hat, wird wissen, wie unheimlich es ist, alleine im Dunkeln durch die Schule zu laufen.

Ich warf meine Jacke über die Schulter und ging langsam aus dem Clubraum. Wie ein Ninja versuchte ich, keine unnötigen Geräusche zu machen, als ich die Treppe hinuterstieg, und jedesmal bevor ich um eine Ecke bog, versicherte ich mich erst, dass dort niemand auf mich wartete. Das war wirklich anstrengend! Ich hatte keine Ahnung, welchen Tag wir hatten, aber es wäre sehr ungünstig gewesen, wenn mich irgendein Lehrer auf Wache gesehen hätte. Ich wüsste nichtmal, wie ich ihm das hier erklären sollte - ehrlich gesagt wünschte ich, jemand würde mir erklären was hier gerade passierte!

Nachdem ich eine Weile durch die schwüle Luft gelaufen war, erreichte ich endlich schweißgebadet die Eingangshalle.

"Was haben wir denn da..."

sagte ich und öffnete danach mein Schuhfach. Darin befanden sich die Schuhe von jemand anderen - ich war ziemlich sicher, dass es nicht meine waren. Dass jemand nur das Fach verwechselt und aus Versehen meine Schuhe genommen hatte, schloss ich schnell aus. Es war mitten im Sommer, also muss ich wieder in eine Parallelwelt gesprungen sein -- wirklich beeindruckend, was für eine Phantasie ich habe. Der Besitzer dieses Schuhfaches war jedenfalls nicht ich, sondern jemand aus dieser Parallelwelt. Ich war nicht so überrascht, wie ich es eigentlich hätte sein sollen, denn entweder weil ich mich an das alles schon gewöhnt hatte, oder weil ich mich schon an diese überwältigenden Ereignisse gewöhnt hatte.

"Kann man nichts machen."

Natürlich ist es unangebracht, die Schuhe für drinnen außerhalb der Schule zu tragen, aber ich hatte keine andere Wahl. Ich wollte diese Schule so schnell wie möglich verlassen. Wie erwartet war die Eingangstür nachts verschlossen, also begab ich mich zu einem der Fenster in der Nähe, entriegelte es und hob es vorsichtig an. Langsam atmete ich die Nachtluft ein und sprang aus dem Fenster, genau auf die steinernen Stufen, auf denen mich Haruhi aufgeweckt hatte, als wir uns in der geschlossenen Dimension befunden hatten.

Nachdem ich etwa zehn Sekunden gewartet hatte und ich mir sicher war, dass mich niemand sehen konnte, ging ich weiter.

Es war draußen genauso heiß wie in der Schule. Es war diese typische schwüle japanische Sommerhitze. Da ich gerade aus dem eiskalten Winter kam, entschlossen sich meine Schweißporen, mich regelrecht in Schweiß zu baden. Ich wischte ihn mir mit meinem langärmeligen Hemd aus dem Gesicht und ging zum Schultor.

Nachdem ich erstmal im Freien war, war es einfach. Ich muss der Schule für ihren nicht vorhandenen Sicherheitsdienst danken - es reichte aus, über den Zaun zu klettern, und schon war ich draußen. Nachdem ich den Zaun überwunden hatte, hob ich meine Jacke, die ich vorher über den Zaun geworfen hatte, wieder auf, und dachte beim Betrachten des Sternenhimmels darüber nach, was ich als nächstes machen sollte.

Erstmal musste ich herauszufinden, welches Datum wir hatten, Schließlich bestand zwischen der Vergangenheit und der Zukunft ein großer Zeitunterschied.

Ich konnte auch erstmal den Hügel runterlaufen. Auf dem Weg nach unten sollte es einen kleinen Laden geben. Wenn ich einfach in eines der umliegenden Häuser ginge und die Bewohner fragen würde "Welches Jahr und welchen Monat haben wir heute?" würde man mich wohl für einen dieser verrückten High-School-Schüler halten und einsperren lassen. Es war besser, wenn ich irgendwo hinging, wo ich das Datum herausbekommen konnte, ohne jemanden fragen zu müssen.

"Aber es ist wirklich ziemlich heiß..."

Mir war ja schon alleine durch die Winteruniform heiß, aber nun klebte sogar meine Hose durch den ganzen Schweiß an den Beinen. Das war der Moment, in dem ich anfing, den Erfinder dieser Synthetikfasern wirklich zu hassen. Ganz zu schweigen davon, dass sie im Winter nichtmal warmhält; sie war nur dazu gedacht, gut auszusehen.

Dass ich mir wegen sowas Gedanken machen konnte, bedeutete, dass mein Gehirn wieder anfing, richtig zu arbeiten. Anstatt im Winter frierend auf den Beginn des Frühlings zu warten, ziehe ich es vor, mich über den heißen Sommer zu beschweren, während ich mich dabei mit einem Fächer abkühle. Davon mal abgesehen ist in meinem ersten Sommer auf der High School so einiges passiert, das zwar geistig und körperlich sehr anstrengend gewesen ist, aber nachdem ich es erstmal hinter mir hatte, schon gar nicht mehr so schlimm erschien. Und immerhin konnte ich Asahina-san in einem Badeanzug bewundern. Dabei fällt mir auf, dass wir bis jetzt keine SOS Brigade-artigen Aktivitäten im Winter hatten.

Während meine Gedanken sich um den Geschmack des Eintopfes, den ich verpasste, drehten, lief ich den Abhang hinunter. Nach 15 Minuten sah ich endlich ein beleuchtetes Schild. Es war der kleine Laden, den ich ab und zu aufsuchte, um mir einen kleinen Snack für den Heimweg mitzunehmen. Ich wusste nun zumindest, dass die aktuelle Uhrzeit vor dem Zeitpunkt liegen muss, an dem der Laden schloss.

Ungeduldig warte ich darauf, dass sich die automatische Tür öffnete, und schaute mich erstmal um, als ich drinnen war. Es dauerte eine Weile, bis ich mich an die Kühle der Klimaanlage gewöhnt hatte. Währenddessen schaute ich ausgiebig auf die Analoguhr an der Wand.

Acht Uhr dreißig.

Da die Sonne schon untergegangen war, musste es acht Uhr dreißig abends sein.

Was war mit dem Datum? Welches Jahr hatten wir? Es gab eine Menge Zeitungen auf dem Regal und jede von ihnen wäre recht. Ich nahm mir willkürlich eine der Sportzeitschriften und blätterte sie hastig durch. Es war egal was da stand, selbst wenn es sich um die wildesten Gerüchte, die von einem drittklassigen Magazin aufgegriffen worden waren, handelte, würden sie nicht so weit gehen das Datum oben auf der Seite zu fälschen, nicht wahr?

Mein Blick hielt an einer bestimmten Stelle an und dann sah ich es.

Eine Zahlenfolge, die einige Leute als Glücksfall bezeichnen würden, war zu sehen.

Welches Jahr hatten wir? Als ob ich die Zeitschrift aufsaugen wollte, kontrollierte ich sorgfältig das Datum oben auf der Seite. Der Verkäufer sah mich ziemlich genervt an, aber das war mir zu diesem Zeitpunkt völlig egal.

Ich starrte immer und immer wieder auf die vierstellige Nummer. Wenn ich das Jahr aus dem ich gekommen war -- dort wo wir immer noch den kalten Dezember hatten -- von der Jahreszahl auf dieser Zeitschrift abziehen würde... selbst ein Kind könnte diese einfache Matheaufgabe lösen.

"Das ist es also, Nagato..."

Ich hob meinen Kopf von der Zeitschrift und seufzte schwer, während ich an die Decke starrte.

Das fröhlich romantische Tanabata-Fest.


Heute war der 7. Juli vor 3 Jahren.


Tanabata vor drei Jahren... was war an diesem Tag passiert?

Das Tanabata "dieses Jahres" war wie eine Rhapsodie; nachdem wir unsere Wünsche aufgeschrieben und an Bambusstäben aufgehängt hatten, nahm ich Asahina-sans Einladung an, und reiste zu diesem Tag in die Vergangenheit. Danach traf ich Asahina-sans ältere Version, die mich dazu drängte, in jener Nacht zur East Junior High zu gehen. Und so traf ich eine Haruhi in der siebten Klasse, die gerade dabei war, über einen Zaun zu klettern, und wurde gezwungen, ihr dabei zu helfen, mit weißer Kreide eine Nachricht fürs All auf den Sportplatz der Schule zu schreiben.

Etwas später brachte mich Asahina-san (klein), die ihr Gerät zum Zeitreisen (genannt ZEZG) verloren hatte, zu Nagatos hochklassiger Wohnung, wo wir beide für drei Jahre schliefen, um wieder in die Zeit zurückzukehren, aus der wir gekommen waren…

"Das bedeutet..."

Das war leichter, als eine einfache Matheaufgabe. Ich musste nichts anderes tun, als genau das zu wiederholen, was ich damals gemacht hatte. Das ist es! Ich hab endlich raus was ich machen muss, damit in diese verrückte Welt wieder Ordnung einkehrt.

Das muss es sein, oder?

Meine Beine zitterten ziemlich stark, nicht weil ich Angst hatte, sondern vor Aufregung von der Erkenntnis, dass etwas Wichtiges getan werden musste.

Vor drei Jahren. Tanabata. Die East Junior High. Die mysteriösen Zeichen. John Smith.

Als die scheinbar zusammenhanglosen Stücke endlich begannen, sich zusammenzufügen, gelangte ich zu einer Erkenntnis. Es war eine ebenso einfache wie eindeutige Erkenntnis. Ich wiederholte:

"Das bedeutet..."

"Sie" sind "hier".

Die verführerisch anmutige Asahina-san (groß) und Nagato Yuki im Standby-Modus.

Die beiden nützlichen Personen, die mir helfen konnten, waren hier in dieser Zeitebene.



Ich warf die Zeitschrift auf den Boden, und während ich aus dem Laden stürmte, dachte ich nach.

Ich erinnerte mich an das erste Mal, als ich vor drei Jahren, was genau jetzt war, hier ankam. Asahina-san (klein) hatte mich auf der Bank im Park nahe der Kouyouen-Station aufgeweckt und mir gesagt: "Es ist ungefähr neun Uhr abends." Wenn ich ungefähr eine halbe Stunde rennen würde, sollte ich rechtzeitig ankommen. Das Problem war nur, dass ich nicht wusste, ob der Übeltäter auch diese Zeitebene verändert hatte. Wenn es Veränderungen gäbe, dann würde ich hier mein anderes Ich nicht anfinden. Aber unabhängig davon musste ich entweder Asahina-san (groß) oder Nagato in ihrer Luxuswohnung treffen; oder alle beide. Das bedeutete, es gab zwei Orte, zu denen ich gehen konnte, und ich musste mich entscheiden, wohin ich zuerst sollte

Nagato würde die ganze Zeit in ihrer Wohnung sein, also konnte ich jederzeit zu ihr, aber Asahina-san (groß) konnte ich nur zu diesem ganz bestimmten Zeitpunkt an diesem ganz bestimmten Ort antreffen.

Die wie eine Lehrerin gekleidete, erwachsene Asahina-san, die aus einer noch weiter entfernten Zukunft als die mir bekannte Asahina-san stammte, war diejenige, die mir einen Tipp bezüglich Schneewittchen gegeben hatte und danach ziemlich schnell verschwunden war. Das Bild, wie sie ihrem jüngeren Ich in die Wange kniff und fröhlich lachte, war mir noch frisch im Gedächtnis.

Diese Asahina-san muss wissen, wer ich war, daran sollte kein Zweifel bestehen.



Obwohl der Park nicht weit vom Bahnhof entfernt ist, waren kaum Leute zu sehen. Vielleicht liegt es daran, dass es im Moment sehr spät ist; das ist die ideale Zeit für alle möglichen Arten vom suspekten Gestalten, um aufzutauchen. Ich frage mich, ob dies das heilige Land der Freaks ist... das Gleiche dachte ich schon, als ich das erste Mal während des letzten Tanabatas hierherkam.

Ich hatte kein Bedürfnis, einen spektakulären Auftritt hinzulegen, daher musste ich fernab des Weges im Dunkeln die Ziegelmauer entlanggehen. Obwohl die Bezeichnung "Mauer" vielleicht etwas übertrieben ist, denn die Wand ging mir nur bis zur Taille. Auf ihr war ein Drahtzaun gespannt und alle Möglichen Arten von Büschen umgaben sie. Es war sehr einfach, sich hier zu verstecken, ohne von irgendjemandem im Park gesehen zu werden, selbst am Tag, und in der Nacht erst recht, obwohl ich auf Fußgänger außerhalb aufpassen musste, die mir hinter meinem Rücken verwirrte Blicke zuwarfen.

Ich rief mir die Position der Bank, auf der ich damals aufgewacht war, ins Gedächtnis und bewegte mich langsam entlang der Wand, um ein passendes Versteck zu finden.

Es war fast neun.

Ich schätze, was ich tue, kann man Voyeurismus nennen. Als ich meinen Kopf aus den Büschen rausstreckte, sah ich endlich, was ich sehen wollte.

"Das ist die Richtige."

Es fühlte sich an, als ob ich einen Film mit mir als Hauptdarsteller ansehen würde. Und es fühlte sich so an, als würde ich mich selbst innerhalb einer Traumlandschaft mit den Augen eines anderen sehen.

"Aber wie soll ich das erklären..."

Die Bank erschien im Licht der Lampen, als ob sie davon übergossen würde. Obwohl sie etwas entfernt war, konnte ich zweifellos erkennen, dass die beiden Personen auf ihr Uniformen der North High trugen. Es war genauso wie in meiner Erinnerung.

Mein jüngeres Ich und Asahina-san (klein) saßen auf der Bank.

Das andere Ich lag mit seinem Kopf auf Asahina-sans Schoß und schlief. Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass ich nicht von etwas träumte, wonach man lechzen konnte. Wie könnte jemand überhaupt gut schlafen, wenn er nicht mal auf dem schönsten Kissen der Welt süße Träume hätte?

Die als Kissen benutze Asahina-san schaute mir ab und zu beim Schlafen zu, blies mir ins Ohr oder spielte damit herum. Mann, ich wurde wirklich langsam eifersüchtig... Moment, warum wurde ich auf mich selbst eifersüchtig?

Für einen Augenblick hatte ich wirklich Lust, mein anderes Ich zur Seite zu schieben und seinen Platz einzunehmen, aber letztendlich entschloss ich mich, diesen Drang zu unterdrücken. Das Ich in dieser Zeitebene hatte mich damals nicht gesehen. Wenn ich jetzt aus dem Gebüsch herausstürmte, würde das nur für unnötige Komplikationen sorgen... nicht wahr? Jemand hatte das Raum-Zeit-Kontinuum sowieso schon durcheinandergewirbelt; das Letzte, was ich wollte, war noch weiter ins Chaos zu stürzen.

Also unterdrückte ich diesen irrationalen Impuls meines Körpers und spielte weiter den Spanner. Je länger ich darüber nachdachte, desto stolzer wurde ich darauf, in so einer Situation ruhig bleiben zu können.

Mit diesen Gedanken fuhr ich mit meiner Observation fort. Asahina-san bewegte ihre kirschroten Lippen und sagte etwas, während "Ich" mich leicht bewegte und dann langsam aufwachte. Ich konnte von hier, wo ich mich versteckte, nicht hören was Asahina-san gesagt hatte, aber ich erinnerte mich deutlich daran, dass Asahina-san gesagt hatte: "Oh, bist du aufgewacht?"

Nachdem Asahina-san eine Weile mit "mir" gesprochen hatte, wurde sie müde und legte ihren Kopf auf "meine" Schulter.

Der Busch hinter der Bank raschelte und dann erschien sie.

Sie trug eine weiße, langärmelige Bluse und einen blauen Mini-Rock. Ich könnte dieses Lehrerinnenoutfit niemals vergessen.

Kurz vor Ende Mai hatte sie mir eine Nachricht geschrieben, in der sie mich darum bat, sie zu treffen, und mir später den Hinweis auf Schneewittchen gegeben. Sie hatte mir sogar von ihrem sternförmigen Muttermal erzählt. Und dann ließ sie an diesem Tag, also an Tanabata, Asahina-san (klein) einschlafen und führte mich zu Haruhi, bevor sie verschwand...

Die erwachsene Version von Asahina-san.

Da Asahina-san (groß) aus einer noch viel weiter entfernten Zukunft stammte, als Asahina-san die Zeitreisende, war sie im Laufe der Zeit größer geworden und ihr ganzer Körper hatte sich prächtig entwickelt.

Es war genauso wie damals.

Ich bin ja am Tanabata vor drei Jahren selbst hier gewesen, und vor meinen Augen spielte sich genau das ab, an was ich mich erinnern konnte.

Nachdem sie eine Weile mit "mir" gesprochen hatte, beugte sich Asahina-san (groß) runter, um Asahina-san (klein) leicht zu zwicken und dann zu tätscheln. Daraufhin stand sie wieder auf und sagte etwas zu "mir".

Es war ihre Aufgabe, dich hierherzubringen, und von nun an ist es meine Aufgabe, dich zu führen.

Äh... was soll das...

Ich denke das war es, was gesagt wurde.

Nachdem Asahina-san (groß) dem "ich" mit offenem Mund alles erklärt hatte, machte sie sich auf den Weg und verschwand aus dem Schein der Straßenlampe. Erst jetzt wurde mir klar, dass sie in Richtung des Ausgangs ging, der entgegengesetzt von dem liegt, der zur East Junior High führt.

"Ich" blieb zurück und sah Asahina-san (klein) beim Schlafen zu, während "ich" über etwas nachdachte. Ich versuchte mich zu erinnern, über was "ich" nachgedacht hatte, aber ich gab es nach ein paar Sekunden auf, in der Vergangenheit zu schwelgen, da ich Asahina-san (groß) nicht aus den Augen verlieren wollte.

Ich sprang aus dem Gebüsch, hinter dem ich mich versteckte, und lief schnell am Rand des Parks entlang. Es gab keinen Grund, mich länger zu verbergen, da "ich" damals meinem anderen Ich nicht über den Weg gelaufen war. Zu dieser Zeit drehten sich "meine" Gedanken ja auch nicht um mich aus einer anderen Zeitebene, noch wusste "ich", dass es ein anderes Ich in dieser Zeitebene gab. Das macht Sinn, denn mein damaliges "Ich" hätte sich sicherlich nicht vorstellen können, wie stark das Raum-Zeit-Kontinuum in meiner Zeitebene durcheinandergeraten würde. Ich hatte keine Zeit, mich weiter um "mich" zu kümmern, der zu sehr damit beschäftigt war, Asahina-san (klein) auf seinem Rücken zu tragen, um sich um andere Dinge Sorgen zu machen. Ich entschloss mich, wegzugehen.

Hinter der nächsten Ecke sah ich sie in etwa hundert Meter Entfernung. Sie entfernte sich von mir. Die klackenden Geräusche ihrer hochhackigen Schuhe klangen melodisch. Sie schien nicht in Eile zu sein -- das passte mir, da ich sie schnellstmöglich sehen wollte. Wenn ich sie nun verlieren würde, dann wüsste ich nicht, wieso ich mir extra die Mühe gemacht hätte, herzukommen.

Indem ich etwas schneller ging, verkürzte ich meinen Abstand zu ihr. Unter dem gedämpften Licht bei Nacht schienen ihre langen Beine und ihr langes Haar beinahe zu glitzern. Obwohl ich nur ihren Rücken sehen konnte, war ich sicher, dass sie es war.

Es dauerte nicht lange, bis ich sie erreichte und sie rufen konnte:

"Asahina-san!"

Sie hielt an. Die klackenden Geräusche ihrer hochhackigen Schuhe hörten auf. Das weiche, braune Haar auf ihren Rücken flatterte. Wie in Zeitlupe drehte sie sich langsam um.

Ich fragte mich, was sie sagen würde.

Oh? Haben wir uns nicht eben erst voneinander verabschiedet?

Bist du mir etwa die ganze Zeit gefolgt? So was darfst du doch nicht machen.

He, wo ist mein anderes Ich?

Letztendlich war es nichts davon.

"Guten Abend, Kyon-kun."

Mit einem strahlenden Lächeln auf dem Gesicht, das genauso hübsch war, wie ich es in Erinnerung hatte, begrüßte sie mich.

Mit einem strahlenden Lächeln auf dem Gesicht, das genauso hübsch war, wie ich es in Erinnerung hatte, begrüßte sie mich.

"Es ist eine Weile her. Zumindest für 'dich'."

Die erwachsene Asahina-san zwinkerte, nachdem sie das gesagt hatte. Es war tatsächlich das Lächeln, das ich das letzte Mal vor fünf Monaten gesehen hatte.

Mit dem Gesichtsausdruck eines erleichterten Kindes sagte Asahina-san (groß):

"Gott sei Dank treffen wir uns hier wieder. Wenn ich ehrlich bin, war ich schon etwas besorgt, dass ich etwas falsch gemacht hätte."

"Ich bin immer noch ziemlich ungeschickt", sagte Asahina-san und streckte dabei niedlich ihre Zunge heraus. Es war so eine bezaubernde Aktion, dass sie ausreichte, um die Knochen im Körper zum Schmelzen zu bringen. Aber wäre ich jetzt in einen Haufen Staub zerschmolzen, dann hätte ich alles verloren.

Diese Asahina-san wusste, was ich als nächstes zu tun hatte.

Ich versuchte, meine Zunge, die anscheinend einen eigenen Willen besaß, unter Kontrolle zu halten, und sagte:

"Asahina-san, du wusstest also, dass ich kommen würde... Du wusstest, dass ich in diese Zeitebene und an diesen Ort zurückkehren würde, oder?"

"Ja", Asahina-san nickte, "denn das ist ein vorbestimmtes Ereignis."

"An Tanabata brachte mich die kleine Asahina-san zum Tanabata drei Jahre zuvor... also heute. Du musst diejenige gewesen sein, die alles in die Wege geleitet hat, habe ich Recht?"

"Ja, das war eine Voraussetzung. Sonst wärst du jetzt nicht hier."

Wenn ich nicht zur East Junior High gegangen wäre und dieses Graffiti gezeichnet hätte, hätte ich der Siebtklässlerin Haruhi nicht erzählt, dass mein Name "John Smith" sei. Das würde natürlich bedeuten, dass die Haruhi im ersten Jahrgang der Kouyouen-Schule nie etwas von diesem Namen gehört hätte. Mit anderen Worten wäre es für mich unmöglich gewesen, die Verbindung herzustellen. Denn außer diesem Namen gab es zwischen mir und der anderen Haruhi, mit der ich noch vor wenigen Stunden zusammen gewesen war, keine Verbindung. Demzufolge hätten wir Fünf uns nicht im Clubraum versammelt und das Notausstiegsprogramm wäre nicht ausgeführt worden.

In diesem Moment fiel mir eine andere Frage ein. Dieser andere John Smith... könnte es sein!?

"Das bist du Kyon-kun. Das aktuelle Du."

Asahina-san schenkte mir ein Lächeln, das so schön wie eine weiße Rose war.

"Es ist ein wenig anstrengend, im Stehen zu reden. Lass uns einen Platz zum Hinsetzen finden. Wir haben noch Zeit."

Die Kraft in ihrem Lächeln und ihren Worten reichte aus, um alle Anspannung und Verwirrung aus mir zu vertreiben.

Dass Asahina-san hier war, bedeutete, dass die Zukunft immer noch existierte. Nicht die chaotische Zukunft nach dem 18. Dezember, sondern die mir bekannte Zukunft, aus der ich und die Haruhi und Asahina-san, die ich kannte, stammen.

Es musste einen Weg geben.

Ich gewann etwas Zuversicht, die mich erleichterte. Als ob sie diese Zuversicht noch steigern wollte, fuhr Asahina-san fort:

"Von nun an wird es meine Aufgabe sein, dich zu führen. Aber danach bist du auf dich alleine gestellt. Ich werde dir dann folgen."

Und darauf folgte ein Zwinkern, das ausreichte, um meine Knie weich werden zu lassen.



Wir kehrten in den Park zurück und setzten uns auf die Bank, auf der vor kurzem noch Asahina-san (klein) und "Ich" gesessen hatten. Bevor sich Asahina-san (groß) hinsetzte, strich sie über die Bank, als würde sie ein altes Erbstück berühren. Ich setzte mich ebenfalls ernst schauend langsam hin. Die Bank war immer noch warm von der Körperwärme von Asahina-san und mir, die vor fünf Monaten drei Jahre in die Vergangenheit gereist waren.

Ich fragte hastig:

"Ist etwas mit dem Fluss der Zeit passiert? Mir ist klar, dass die Zeitebene, von der ich komme, mit diesem Tanabata verbunden ist. Sonst wäre ich nicht hier gelandet. Also, Asahina-san... bedeutet das, dass es zwischen der Zukunft, aus der du kommst, und der veränderten Zukunft, aus der ich komme, keine Verbindung gibt?"

"Ich kann dir die Einzelheiten nicht erklären."

Das dachte ich mir, mal wieder eine dieser klassifizierten Informationen, was?

"Nein."

Asahina-san schüttelte ihren Kopf:

"Es wäre zu kompliziert, dir das zu erklären. Unsere STC-Theorie basiert auf bestimmten Konzepten. Es ist zu kompliziert, sie so zu erklären, dass du sie verstehst. Erinnerst du dich noch daran, als ich dir das erste Mal von meiner wahren Identität erzählt habe?"

Natürlich tue ich das. Wir saßen beide zusammen am Ufer des Flusses, während hinter unserem Rücken die Blüten der Kirschbäume herunterfielen, als Asahina-san, von der ich dachte sie wäre nichts anderes als eine süße Schülerin aus einer der höheren Klassen, mir die erschütternde Wahrheit offenbarte, dass sie eine Zeitreisende war.

"Hab ich dir damals nicht etwas erzählt, das du kaum verstanden hast? Darum geht es. Würde ich es dir erklären, würde es dich nur noch mehr verwirren."

Asahina-san klopfte sanft gegen ihren Kopf und zwinkerte gleichzeitig. Alles was sie macht ist einfach nur sexy.

"Dieses Konzept kann nicht durch Sprache vermittelt werden, das geht nur über andere Wege. Verstehst du?"

Nein, das tat ich nicht. Als wolle Asahina-san einem Kindergartenschüler das Rechnen beibringen, fuhr Asahina-san fort, mir, dem bereits schwindelig wurde, zu erklären:

"Hm, aber bald wirst du es verstehen. Ganz sicher. Das ist alles, was ich dir im Moment sagen kann."

Bald wirst du es verstehen. Wo hatte ich das schonmal gehört? Genau, es war Nagato. Nagato hatte mir dasselbe schonmal gesagt... Nein, Moment...

Ein Geistesblitz durchfuhr die Synapsen in meinem Gehirn, als ich antwortete:

"Vor den Sommerferien... das was Nagato sagte, als wir gerade mit dieser riesigen Höhlengrille zu tun hatten... es ging darum, dass Computer in der Zukunft nicht mehr so sind wie heute, kann es sein..."

"Wow, ich bin beeindruckt. Du kannst dich noch daran erinnern? Du hast Recht, das Gegenstück zu Computern oder dem so genannten Internet in deiner Zeitebene, äh... es existiert in meiner Zeit nicht mehr im materiellen Sinne, sondern nur noch als etwas Immaterielles in unseren Gehirnen. Das gilt auch für das ZEZG."

Dieses Ding, das eigentlich nicht verschwinden konnte, aber das doch verloren gegangen war.

"Ist es ein Zeitreisegerät?"

"Es ist ein Zeitebenen-Zerstörungsgerät."

Ist das nicht eigentlich eine geheime Information?

"Damals war es das für mich. Aber für mich wurden die Regeln deutlich gelockert. Die Tatsache, dass ich hier bin, zeigt, dass ich sehr hart gearbeitet habe."

Asahina-san klopfte sich stolz auf die Brust, ihre Bluse stand kurz davor aufzuplatzen. Physikalisch unmögliche Körpermaße tauchten vor meinen Augen auf, und ich wäre bei diesem Anblick wohl normalerweise ins Reich der Träume weggetreten, aber bedauerlicherweise war ich nicht in der Stimmung, den Hunger meiner Augen mit diesem Anblick zu befriedigen. Also fragte ich weiter:

"Und was ist die Ursache der Veränderung? Ich weiß, dass sich die Zukunft die ich kenne verändert hat, aber wann hat das angefangen?"

"Für nähere Details solltest du Nagato-san in dieser Zeitebene fragen. Ich kann dir nur eines sagen: Die Veränderung deiner Zeitebene beginnt von 'jetzt' an in drei Jahren, am Morgen des 18. Dezembers."

Aus meiner Sicht also vor zwei Tagen. War es also die Zeitebene, die sich verändert hatte? In diesem Fall... ich versuchte mich nochmal an die beiden Möglichkeiten zu erinnern, die Koizumi genannte hatte. Also war die Theorie ohne eine alternative Realität die Richtige.

"Das stimmt. Über Nacht wurden die STC-Dateien... ich meine, die gesamte Welt wurde verändert. Nur deine Erinnerungen blieben unangetastet. Es gab ein starkes Zeitbeben, das selbst in der fernen Zukunft noch messbar war."

Es war nicht so, dass ich nicht interessiert gewesen wäre, was dieses STC oder Zeitbeben war, aber ich hatte einfach nicht die Zeit mich näher mit solch unwichtigen Dingen zu beschäftigen, da es dringendere Fragen gab, die ich stellen musste:

"Asahina-san, heißt das, dass Du hier gewartet hast, um diese riesige Veränderung in der Zukunft, in die sogar ich verwickelt wurde, aufzuklären?"

"Ich kann das nicht alleine", sagte sie mit finsterer Miene, "Nagato muss mir dabei helfen. Natürlich kann es auch nicht ohne Kyon-kun erledigt werden."

"Und wer ist der Verantwortliche? Ich kann mir nur Haruhi vorstellen..."

"Nein."

Asahina-san hörte auf zu lächeln und sagte ernst:

"Es war nicht Suzumiya-san. Der Täter ist jemand anderes."

"War es jemand unbekanntes? Wie ein Dimensionsreisender aus einer Parallelwelt oder sowas?"

"Nein."

Asahina-san unterbrach mich und schaute sah dabei aus irgendeinem Grund besorgt aus.

"Es war jemand, den du sehr gut kennst."


Nachdem Asahina-san auf ihre Uhr geschaut hatte, sagte sie, dass noch etwas Zeit sei, und begann in Erinnerungen an die SOS-Brigade zu schwelgen. Ich hatte das alles erst in diesem Jahr erlebt, aber für sie war es schon viele Jahre her. Von Haruhi in den Clubraum geschleppt zu werden, gezwungen, sich als Bunny-Girl zu verkleiden, an Tanabata Wünsche zu äußern, eine Krimigeschichte auf einer einsamen Insel zu lösen, während des O-Bon-Festes Yukatas zu tragen, wie die ganze Brigade sich versammelt hatte, um die Hausaufgaben über die Sommerferien zu lösen, was alles passiert ist, als wir den Film gedreht haben... als meine Erinnerungen nach und nach wieder auflebten, wurde Asahina-sans Stimme immer leiser.

Ich war schon gespannt zu erfahren, was die Zukunft für mich bereithielt und hoffte, dass Asahina-san sich irgendwann verplappern würde, aber sie vermied es, zuviel zu verraten und blieb beim Small Talk.

"Selbst wenn es ganz schön anstrengend gewesen ist, sind das schöne Erinnerungen."

Nach dieser abschließenden Stellungnahme schaute mich Asahina-san schweigend an.

Ich dachte darüber nach was ich sagen sollte, als ich etwas Weiches und Warmes auf meiner Schulter spürte. Es war Asahina-sans Kopf. Was hatte das zu bedeuten? Das Gewicht ihres Körpers, der an mir lehnte, war sein Gewicht in Gold wert - der Druck und Asahina-sans süßlicher Duft stimulierten meine Nerven und lösten die wildesten Phantasien in meinem Kopf aus. Ich konnte einfach nicht mehr klar denken. Was wollte sie mir mit diesem Geruch vom Stoff ihrer Bluse sagen? Erwartete sie von mir eine Reaktion? Asahina-san lehnte weiterhin mit geschlossenen Augen auf meiner Schulter und sagte nichts, obwohl ich fühlte, wie sich ihre kirschroten Lippen bewegten. Es schien so, als ob sie etwas flüstern würde, aber was war es?

Könnte es sein... ich fing wieder an zu tagträumen. Wäre es möglich, dass diese Asahina-san auch einschlief, nur damit noch eine weitere Asahina-san auftauchen würde und mir wieder etwas Geheimnisvolles erzählen könnte? Und so würde ich für immer an diesem Ort bleiben, während ich unzählige Asahina-sans aus unterschiedlichen Zeitebenen träfe... Verdammt, meine Gedanken wurden wie die Wäsche in einer Waschmaschine durcheinandergewirbelt, immer und immer wieder im Kreis. Was dachte ich da eigentlich? Könnte mir das mal jemand sagen?

Asahina-san lehnte noch ungefähr eine Minute an mir und dann:

"He he."

Sie lächelte, als ob sie meine Gedanken lesen könnte und sagte:

"Es ist gleich soweit. Lass uns losgehen."

Sie stand auf, als wäre nichts passiert und, obwohl es eigentlich schade war, hatte ich keine andere Wahl als in die Wirklichkeit zurückzukehren. Sie hat Recht, es ist Zeit, aufzubrechen. Äh... wohin gehen wir eigentlich?

Zum zweiten Ziel.

Nach Asahina-sans Uhr war es zehn Uhr in der Nacht. Das war der Zeitpunkt, als "ich" meine Rolle als Komplize der Siebtklässlerin Haruhi vollendet hatte und damit fertig geworden war, Graffiti auf den Sportplatz der East Junior High zu zeichnen. Gerade hielt "ich" die Hand einer schluchzenden Asahina-san (klein), als wir Nagatos Wohnung betraten. Zu dieser Zeit hielt die Zeit für "mich" drei Jahre lang an.

Zeit, Nagato einen weiteren Besuch abzustatten.

"Aber vorher..."

sagte Asahina-san mit einem strahlenden Lächeln, das jedes Herz zum Klopfen bringen würde.

"Gibt es nicht noch etwas, was du zu erledigen hast?"



Nachdem ich etwas vom Park weggegangen war, erreichte ich ein Wohngebiet.

Gemäß Asahina-sans Anweisungen betrat ich in eine kleine Gasse.

Vor mir auf in der Dunkelheit war eine kleine Gestalt, die wie der Wind davonstürmte. Mit Paaren kleiner Arme und Beine, die aus ihrem T-Shirt und ihrer kurzen Hose herausragten, entfernte sie mit wehenden Haaren immer weiter.

"Hey!"

Die kleine Gestalt in T-Shirt und kurzer Hose drehte langsam ihren Kopf. Nachdem ich mir sicher war, dass sie mich bemerkt hatte, formte ich mit meinen Händen einen Trichter vor meinem Mund und schrie so laut es ging:

"Gib gut acht auf den John Smith, der die Welt erschüttern wird!"

Nachdem sie mir einen Blick zugeworfen hatte, drehte sich die Siebtklässlerin herum, wobei sie aus irgendeinem Grund genervt aussah, und marschierte davon.

Vermutlich dachte sie, dass sie mich ohnehin finden würde, wenn sie zur North High ginge, deswegen machte sie keine Anstalten, stehenzubleiben. Ich schaute noch eine Weile den mittellangen, dunklen Haaren hinterher und fügte dann leise hinzu:

"Bitte erinnere dich daran, Haruhi. Du musst dich an den Namen John Smith erinnern..."

Ich betete von ganzem Herzen zu der zwölfjährigen Haruhi, die die East Junior High vermutlich noch eine ganze Weile auf den Kopf stellen würde.

Bitte vergiss nicht, dass ich hier gewesen bin.



Ich kannte den Weg zu der Luxuswohnung wie meine Westentasche, also konnte ich dort praktisch mit geschlossenen Augen hinlaufen. Während ich direkt vor Asahina-san herlief, hob ich meinen Kopf und schaute zu dem Gebäude, das ich erst vor etwa zwanzig Stunden besucht hatte. Obwohl wir immer noch draußen waren, hatte Asahina-san ihren schönen Körper bereits hinter mir versteckt.

"... Kyon-kun, ich möchte dich um etwas bitten."

Als ich sah, wie sie mich praktisch anflehte, gab es für mich keinen Grund, sie im Stich zu lassen. Egal aus welcher Zeitperiode Asahina-san stammt, bin ich nicht seltsam genug, ihre Bitte abzuschlagen

"Tut mir leid, aber ich fühle mich in Nagatos Gegenwart immer noch unwohl..."

Ich erinnerte mich daran, dass Asahina-san (klein) sich schon im Clubraum immer so distanziert verhalten hatte und auch als sie das letzte Mal hierher gekommen war. Abgesehen von Haruhi war Koizumi der Einzige, der in Anwesenheit einer Außerirdischen und einer Zeitreisenden ruhig bleiben konnte.

"Das ist schon in Ordnung. Ich verstehe das."

Sagte ich verständnisvoll, während ich die Nummer 708 an der Tastatur vor dem Eingang eingab. Danach drückte ich die Klingel.

Ein paar Sekunden später kamen ein paar knackende Geräusche aus der Sprechanlage, also hörte jemand am anderen Ende zu.

Stille wurde mit Stille beantwortet, die in meinem Ohr widerhallte.

"Nagato, ich bin's."

Stille.

"Tut mir leid, ich weiß selber nicht, wie ich das erklären soll. Jedenfalls bin ich aus der Zukunft zurückgekommen. Asahina-san ist auch bei mir, also die erwachsene Version von ihr. Ach, für dich ist das ja eine differentielle Temporalvariante."

Stille.

"Ich brauche deine Hilfe. Immerhin bist du es gewesen, die mich in diese Zeitebene geschleudert hat."

Stille.

"Asahina-san und ich sollten eigentlich in deiner Wohnung sein, stimmt's? Wir sollten im Gästezimmer schlafen, in dem die Zeit angehalten wurde..."

Piep. Das Schloss der Tür öffnete sich.

"Kommt rein."

Es war sehr beruhigend, Nagatos Stimme durch die Sprechanlage zu hören. Die Stimme war so ruhig wie immer, ohne ein Anzeichen von Aufregung oder Sorge, obwohl es klang, als wäre sie überrascht, aber vielleicht hatte ich mir das auch nur eingebildet. Es gibt nichts, was Nagato nicht tun kann. Selbst in dieser Situation wird sie einen Ausweg finden, sonst bin ich am Ende.

Als ob sie mit ihren hochhackigen Schuhen eine Festung betreten würde, klammerte sich Asahina-san nervös mit ihrem Finger an meinen Gürtel, wobei sie extrem nervös wirkte. Nachdem sich seine Tür geöffnet hatte, brachte uns der Aufzug nach oben, sobald wir ihn betreten hatten.

Endlich erreichten wir den wohlbekannten Raum mit der Nummer 708.

Draußen gab es eine Klingel, aber sie funktionierte noch nicht, also klopfte leise ich an die Tür. Obwohl ich niemanden hinter der Tür ausmachen konnte, öffnete sie sich trotzdem.

"..."

Das bebrillte Gesicht schaute durch den Türspalt, erst zu mir und dann zu Asahina-san und dann wieder zurück zu mir.

"..."

Sie war gleichzeitig so ausdruckslos und still, so frei von jeglicher Emotion, dass ich sie am liebsten angefleht hätte, irgendetwas zu sagen. Das war eindeutig Nagato, die Nagato Yuki, wie ich sie am Anfang gekannt hatte. Die original Nagato, vom Anfang des Schuljahres im Frühling, und ebenso diejenige, die "ich vor drei Jahren" um Hilfe gebeten hatte.

"Können wir reinkommen?"

Nach einem nachdenklichen Moment der Stille nickte Nagato kurz und drehte sich dann in Richtung Zimmer. Ich schätze, das heißt "Ja". Ich sagte zu der schönen Frau, die unruhig wirkend direkt hinter mir stand:

"Gehen wir, Asahina-san."

"Ah... du hast Recht, es wird schon schief gehen."

Das klang so, als würde sie es zu sich selber sagen.

Nebenbei, wie oft habe ich diesen Ort eigentlich schon besucht? Laut meiner biologischen Uhr war es das vierte Mal, aber chronologisch gesehen eigentlich erst das zweite Mal. Ich war von dem Zeitablauf bereits so verwirrt, dass ich stolz darauf war, dass meine biologische Uhr immer noch richtig ging. Nachdem ich vom Winter in den Sommer und gleich zweimal drei Jahre in die Vergangenheit gereist bin, wäre es normal gewesen, wenn etwas mit mir passiert wäre, aber mir ging es gut. Und nicht nur das, meine Gedanken waren so klar wie seit meiner Geburt nicht mehr. Vielleicht hatte ich mich an diese surrealen Ereignisse schon so gewöhnt, dass ich sie für normal hielt. Bei jemand anderem hätte es wahrscheinlich schon einen Kurzschluss im Gehirn gegeben.

Ich sah mich nochmal um und stellte fest, dass Nagatos Zimmer genauso kalt und leblos war, wie ich es in Erinnerung hatte. Es unterschied sich nicht von dem "vor drei Jahren", zu dem wir im Mai zurückgereist waren.

Mit Erleichterung stellte ich fest, dass Nagato immer noch die Nagato war, die ich kannte. Sie war immer noch ausdrucks- und emotionslos und würde, egal was passierte, niemals in Panik geraten, diese stets zuverlässige Außerirdische.

Ich zog meine Schuhe aus und ging durch den engen Flur, bis ich im Wohnzimmer ankam. Nagato wartete dort schon. Sie stand alleine da und starrte Asahina-san und mich schweigend an. Selbst wenn unser Besuch sie überrascht hatte, so konnte man das nicht von ihrem Gesicht ablesen. Vielleicht hatte sie sich aber auch schon daran gewöhnt, dass ich aus der Zukunft zu Besuch kam, obwohl ich selbst nicht immer und immer wieder an diesen Tag zurückkehren will.

"Ich denke wir können die Vorstellungen überspringen."

Da Nagato sich nicht hinsetzte, blieben Asahina-san und ich auch stehen.

"Das ist die erwachsene Version von Asahina-san. Ich denke ihr habt euch schonmal getroffen." Als ich das sagte, fiel mir ein, dass das eigentlich drei Jahre später gewesen war. "Entschuldigung, ihr werdet euch treffen. Jedenfalls ist das hier ebenfalls Asahina-san, also zerbrich dir nicht zu sehr den Kopf."

Nagato begutachtete Asahina-san mit den Augen eines Prüfers während des nationalen Mathematikexamens. Danach ließ sie ihren Blick durch das Wohnzimmer wandern, nur um letztendlich wieder die sexy Gestalt hinter mir zu fixieren und sagte:

"Verstanden."

Sie nickte leicht, wobei ihre Haare sich so gut wie gar nicht bewegten.

Als ich Nagatos Blick folgte, fiel mir der Raum auf - dieser besondere Raum neben dem Wohnzimmer, der durch eine Papiertür von uns getrennt war.

"Kann das geöffnet werden?"

Nagato schüttelte den Kopf in Richtung des Raumes, auf den ich deutete, und sagte:

"Negativ. Der gesamte strukturelle Aufbau des Raumes wurde in der Zeit eingefroren."

Ich war gleichermaßen enttäuscht und erleichtert, als ich das hörte.

Dann spürte ich einen warmen Luftzug an meinem Hals. Es war Asahina-san, die erleichtert seufzte. Sie hatte wohl an dasselbe gedacht. Wenn sie gesehen hätte, wie sie zusammen mit mir gemütlich im selben Futon schlief, was hätte sie wohl gedacht? Ich hätte sie gern gefragt, aber im Moment war es wichtiger, zu erklären, was gerade vor sich ging.

"Nagato, es tut mir wirklich leid, dass ich dich ständig so plötzlich besuche. Wie auch immer, kannst du dir bitte unsere Geschichte anhören?"

Wieviel hatte ihr mein anderes Ich im Nachbarzimmer schon erzählt? Die Geschichte der SOS-Brigade bis zum Tanabata, oder? Also musste ich einfach da ansetzen und ihr erzählen, was in der zweiten Hälfte des Jahres passiert war, von dem melancholischen Frühling, in dem ich mich mit Haruhis Langeweile herumschlagen musste, bis zu meinen unaufhörlichen Seufzern, die ich während des Filmdrehs von mir gegeben hatte. Natürlich warst du auch mit dabei, Nagato. Du bist immer zur Rettung geeilt. Und nach all dem hatte sich die Welt plötzlich verändert, als ich vorgestern aufgewacht bin. Ich wollte wissen, wieso alle ihre Erinnerung an die Geschehnisse verloren hatten und ich gezwungen gewesen war, mithilfe des Notausstiegsprogramms, das Nagato vorbereitet hatte, hierher zu kommen.

Es würde eine Weile dauern, wenn ich ins Detail ginge, also beschränkte ich mich auf die Kurzfassung, die ich schon Haruhi erzählt hatte. Ich übersprang die kleineren Details und konzentrierte mich auf die wichtigen Teile der Geschichte. Für dieses Mädchen war das mehr als genug.

"... so war das. Und so bin ich dank dir wieder hier."

Da ein Beweis wichtiger war, als eine bloße Behauptung, zog ich das zerknitterte Lesezeichen aus der Tasche meiner Jacke und überreichte es Nagato so, als würde ich einem Phantom einen Talisman geben.

"......"

Nagato ergriff das Lesezeichen mit ihren Fingerspitzen, schaute sich kurz das Blumenmuster an und studierte den Text auf der Rückseite, wie ein Archäologe, der gerade aus einem Felsboden der Kreidezeit einen LCD-Fernseher ausgegraben hatte. Es schien, als würde sie für alle Ewigkeit diese Wörter studieren, also unterbrach ich ihre Untersuchung:

"Was soll ich nun machen?"

"Ich... ich würde gerne diese temporale Anomalie korrigieren."

Die Stimme von Asahina-san klang so nervös, als wolle sie gerade ihrem Traummann ihre Liebe gestehen. In der Gegenwart Nagatos verhielt sich Asahina-san selbst nach so vielen Jahren immer noch genauso unsicher wie sonst. Dachte ich zumindest.

"Nagato-san... kannst du uns bitte helfen? Du bist die Einzige, die die veränderte Zeitebene wieder in ihren Originalzustand zurückversetzen kann. Ich bitte dich..."

Asahina-san legte ihre Handflächen zusammen und schloss ihre Augen als würde sie gerade eine Gottheit anbeten. Oh große Göttin Nagato, auch ich bete zu dir und bitte dich um Gnade. Bitte lass mich in den Clubraum zurückkehren, in dem ich Asahina-san sehen und ihren selbstgebrauten Tee genießen, mit Koizumi Brettspiele spielen, und dich wie eine Statue dasitzen und lesen sehen kann, während Haruhi ständig in den Raum gestürmt kommt. Mehr wünsche ich mir gar nicht.

"......"

Nagato hob ihren Kopf von dem Lesezeichen und blickte direkt in den Himmel. Ich konnte verstehen, dass Asahina-san so nervös war, da sie keine Chance zu gewinnen hatte, wenn sie einer anderen Partei als Nagato angehörte. Ich meine, gibt es überhaupt jemanden auf dieser Welt, der Nagato das Wasser reichen kann? Bestenfalls Haruhi.

Die perfekte Akustik dieser Luxuswohnung sorgte dafür, dass absolut kein Echo entstand. Es war so leise, dass es schien, als wäre die Zeit stehengeblieben. Nagato und ich tauschten Blicke aus, und ich sah sie wenige Millimeter weit nicken.

"Lass es mich bestätigen",

sagte sie. Als ich sie fragen wollte, was sie bestätigen wollte, schloss sie ihre Augen.

"......"

Kurze Zeit später öffnete sie sie wieder und schaute mich mit ihren obsidianschwarzen Augen an.

"Außerstande zu synchronisieren",

sagte sie schnell und blickte mich dann an. Ihr Gesichtsausdruck hatte sich etwas verändert, und diesmal bildete ich mir das nicht nur ein. Es war dieser Ausdruck, den sie schon zwischen Frühling und Sommer gehabt hatte, selbst Koizumi hatte diese Veränderung erkannt. Seit sie uns getroffen hatte, hatte sich Nagatos Gesichtsausdruck Schritt für Schritt verändert, obwohl das hier noch nicht die Nagato war, die ich vom Winter her kannte.

Ihre blassenroten Lippen bewegten sich ein weiteres Mal:

"Ich bin nicht in der Lage, auf meine temporale Variante aus jener Zeitebene zuzugreifen, da sie einen Schutzschild aufgebaut hat, der selektiv meine Zugriffsversuche blockiert."

Obwohl ich nicht verstand, was das heißen sollte, stieg Unbehagen in mir auf. Heißt das, dass es nichts gibt, was du tun kannst?

Nagato ignorierte meine Ängste und fuhr fort:

"Aber ich habe eine ungefähre Vorstellung von der Gesamtsituation. Eine Wiederherstellung ist möglich."

Sie strich sanft über die Wörter auf dem Lesezeichen. Danach begann sie mit einer Stimme, die Wörter wie ein Schneeball sammelte, zu erzählen:

"Der temporale Umwandler hat Suzumiya Haruhis Fähigkeit zur Erzeugung von Daten vollständig ausgenutzt und so einen Teil der Daten der Welt verändert."

Ihre gewohnt ruhige Stimme klang so beruhigend wie eine dieser Spieluhren, mit denen ich als Baby getröstet worden war.

"Deshalb besitzt die veränderte Suzumiya Haruhi nicht mehr die Macht, Daten zu erzeugen. Desweiteren existiert in dieser Welt die Entität des integrierten Datenbewusstseins nicht."

Ich verstand das nicht ganz, aber es klang sehr ernst. Anscheinend hat außer mir jeder, Haruhi eingeschlossen, einen neuen Satz Erinnerungen bekommen; eine Mädchenschule ist zu einer gemeinsamen Schule geworden; ein Teil der Schüler der North High ist in diese andere Schule versetzt wordem, während all ihre Erinnerungen im Geheimen verändert worden sind; der Agent der 'Organisation', die Außerirdische Nagato und die Zeitreisende Asahina-san führen nun alle ein anderes Leben; ganz zu schweigen davon, dass Asakura zurückgekehrt ist, während niemand an der North High irgendwelche Erinnerungen an Haruhi hat. Und nun scheint es auch noch, dass sogar Nagatos Chef gelöscht worden ist.

Was für ein Chaos.

"Durch Einsatz der von Haruhi gestohlenen Kräfte war es dem temporalen Umwandler möglich, die Erinnerungsdaten innerhalb eines Zeitraums von 365 Tagen zu verändern."

Mit anderen Worten waren alle Erinnerungen über den Zeitraum vom letzten Dezember - von der Zeit aus der ich kam betrachtet - bis zum 17. Dezember dieses Jahres vollständig verändert worden. Was aber die Erinnerungen an das Tanabata vor drei Jahren - also jetzt - anging, gab es nichts, was der Täter tun konnte. Weil Haruhi in der Lage war, sich daran zu erinnern, was an Tanabata geschehen war, konnte ich hierherkommen. Nur wer ist dieser Vollidiot, der genau den gleichen Blödsinn wie Haruhi treibt?

Nagatos Blick konzentrierte sich weiter auf mich.

"Um die Welt wieder in ihren originalen Zustand zu versetzen, muss jemand von hier zum 18. Dezember in drei Jahren reisen und das Wiederherstellungsprogramm ausführen, direkt nachdem der temporale Umwandler die Veränderung durchgeführt hat."

Also werden wir als nächstes drei Jahre in die Zukunft reisen, nicht wahr? Diejenige, die die Wiederherstellung ausführt, wirst wohl du sein, oder?

"Ich kann nicht gehen."

Warum nicht?

Als Nagato auf das Gästezimmer zeigte, verstand ich sofort.

"Ich kann sie nicht alleinlassen."

Gemäß Nagatos Erklärung konnte sie selbst keine Zeitreisen durchführen, um die Zeit in dem Raum, in dem mein anderes Ich und Asahina-san schliefen, weiter anhalten zu können. Mit einer Stimme, als würde sie die Zeit ansagen, fuhr sie dann fort:

"Aktivere Notfallmodus."

"Was bedeutet das?" Ich wurde etwas nervös.

"Harmonisierung."

Ich verstand es immer noch nicht.

Nagato nahm langsam ihre Brille ab und umfasste sie mit ihren Händen. Und dann fing die Brille an zu schweben, als würde sie an einem unsichtbaren Faden hängen. Hätte ich das eine normale Person machen gesehen, wäre ich wohl davon ausgegangen, dass sich an ihren Fingern ein unsichtbarer Faden befindet. Natürlich würde Nagato niemals so etwas Normales machen.

Verformung.

Der Rahmen und die Gläser begannen sich zu verbiegen und nahmen bald eine Art seltsame Strudelform an, bis sich die Brille von einem Augenblick auf den anderen in einen anderen Gegenstand verwandelt hatte. Ich hatte diese Form schonmal gesehen; es war eine Form, die jedem Menschen Angst einjagen würde.

Ich stellte zögernd fest:

"Es sieht wie eine ziemlich große Spritze aus."

"Das ist korrekt."

Eine farblose Flüssigkeit befand sich in der Spritze. Aber wer sollte damit gestochen werden?

"Das ist das Wiederherstellungsprogramm, das in den Körper des temporalen Umwandlers injiziert werden muss."

Beim Anblick der scharfen Nadel am Ende der Spritze drehte ich mich instinktiv weg.

"Äh... gibt es da keine zuverlässigere Methode? Es tut mir ja leid, das zu sagen, aber ich bin ein Amateur wenn es um sowas geht. Es wäre ziemlich verheerend wenn ich die falsche Stelle treffen würde."

Nagatos dunkle Augen, die wie ein LCD-Bildschirm funkelten, schauten auf die Spritze in ihrer Hand und sie sagte:

"Ist das so?"

Sie breitete ihre Hände wieder aus und die Spritze wurde ein weiteres Mal zu einem Strudel, bevor sie eine neue Form annahm. Als ich die Form dieses neuen Gegenstands sah, seufzte ich erleichtert auf.

"Noch ein Gegenstand, der für einen gewaltigen Aufruhr sorgen wird."

Dieses Mal war es eine Pistole aus rostfreiem Stahl mit einer kleinen Düse.

Nagato nahm die glänzende Metallwaffe, die wie eine brandneue Spielzeugpistole aussah, in ihre Hand und überreichte sie mir.

"Die Wahrscheinlichkeit, mit ihr Kleidung zu durchdringen ist sehr hoch, aber falls möglich, wäre es besser, wenn du direkt auf die Haut des Ziels feuern würdest."

"Was ist mit Patronen? Sind in dem Ding echte Patronen drin?"

Sie sah eher wie eine Aluminium- oder Plastikpistole aus.

"Dies ist eine Nadelpistole, das Programm befindet sich in der Spitze der Nadel."

Mit so einem Ding kam ich psychologisch besser zurecht als mit einer riesigen Spritze. Ich nahm die Pistole und war überrascht, wie leicht sie war.

"Ach ja..."

Ich stellte endlich die Frage, die ich mich lange Zeit nicht zu fragen getraut hatte:

"Wer ist der Übeltäter? Wer ist derjenige, der die Welt verändert hat? Wenn es nicht Haruhi war, wer dann? Kannst du es mir sagen?"

Ich hörte Asahina-san leise seufzen.

Nagato öffnete langsam ihren Mund und nannte mir ruhig und ausdruckslos den Namen des Verantwortlichen.




Kapitel 5[edit]

"..."

Ich wusste noch immer nicht, was ich sagen sollte. Nagato wandte sich zu Asahina-san und sagte:

"Lass mich dir die Raum-Zeit-Koordinaten des Zieles geben."

"Oh, in Ordnung."

Wie ein artiger Hund, der seinem Herrchen die Pfote geben will, streckte Asahina-san ihre Hand aus.

"Nur zu."

Nagato tippte leicht mit ihrem Finger auf Asahina-sans Handrücken und zog ihn danach wieder zurück... Das war alles? Asahina-san schien sich jedenfalls damit zufriedenzugeben.

"Jetzt verstehe ich alles, Nagato-san. Wir müssen nichts weiter machen als 'sie' zu kurieren, oder? Das sollte nicht schwer sein, da 'sie' zu diesem Zeitpunkt ja keine Kräfte haben wird..."

Die Zeitreisende wirkte entschlossen und ballte ihre Faust, dann sagte die Außerirdische:

"Bitte wartet."

Die brillenlose Nagato sagte daraufhin:

"In eurem Zustand wärt ihr von den Veränderungen im Raum-Zeit-Kontinuum auch betroffen. Es ist nötig, Gegenmaßnahmen zu ergreifen."

Dann streckte sie ihre Hand aus.

"Deine Hand."

Wofür? Wollte sie Hände schütteln? Ich streckte gehorsam meine rechte Hand aus. Nagatos eiskalte Finger ergriffen mein Handgelenk, wodurch sich mein Herzschlag für eine Weile beschleunigte.

"…"

Plötzlich bewegte Nagato ihr missmutig wirkendes Gesicht in Richtung meines Armes.

"Huch!"

rief ich unfreiwillig. Es war wohl eine unvermeidbare Reaktion, nehme ich an. Die neben mir kniende Nagato berührte mein Handgelenk nicht nur sanft mit ihren Lippen, sondern entblößte sogar ihre Zähne. Es war wie während dem Filmdreh, als sie Asahina-san ständig angegriffen und gebissen hatte.

Es tat eigentlich nicht weh, sondern fühlte sich eher so wie die sanften, spielerischen Bisse von Shamisen an, die ich immer zu spüren bekam, wenn ich ihn streichelte. Obwohl es so prickelte, als würde mich etwas stechen, als sich die Eckzähne in meine Haut gruben, tat es überhaupt nicht weh. Vielleicht lag es daran, dass Nagatos Speichel irgendein Betäubungsmittel enthielt, das die Schmerzen unterdrückte. Es fühlte sich eher wie ein Moskitostich an.

Die neben mir kniende Nagato berührte mein Handgelenk nicht nur sanft mit ihren Lippen, sondern entblößte sogar ihre Zähne.

Nachdem sie etwa fünf bis zehn Sekunden in meine Hand gebissen hatte, hob Nagato langsam ihren Kopf.

"Deine Körperoberfläche wurde mit einem datenmanipulierenden Tarnfeld und Schutzschild versehen",

sagte Nagato ohne dabei auch nur rot zu werden. Asahina-san hielt sich hingegen die Hände vor den Mund und wirkte ziemlich beeindruckt. Ich fühlte mich etwas benommen und schaute auf mein Handgelenk. Dort waren zwei kleine Löcher zu sehen, die wirkten, als stammten sie von einem Vampirbiss. Während ich sie anblickte, begannen die beiden Löcher zu heilen und verschwanden spurlos. Genauso wie bei Asahina-san während des Filmdrehs, waren auch in meinen Körper Nagatos Nanomaschinen injiziert worden.

"Du auch."

Gemäß Nagatos Aufforderung streckte die verängstigte Asahina-san ihre Hand aus.

"Es ist eine Weile her, seit du mir das letzte Mal eine Injektion gegeben hast. Es muss für dich damals schwer gewesen sein..."

"Das ist das erste Mal, dass ich dir eine Injektion gebe."

"Ach ja, stimmt. Das hatte ich vergessen..."

Mit fest geschlossenen Augen streckte die Zeitreisende ihr Handgelenk aus und empfing die Kusszeremonie des Aliens. Das Injizieren der Nanomaschinen dauerte bei ihr nicht so lange wie bei mir. Nachdem es vorbei war, fing Asahina-san an, trocken zu husten.

"Lass uns losgehen. Kyon-kun, jetzt wird es ernst."

Wirklich? Die Aufwärmphase hatte diesmal ganz schön lange gedauert! Andererseits gab ich nur mein Bestes, das hier für alle nachzuerzählen, obwohl ich es eigentlich nicht wollte.

"Danke."

Ich versuchte, ruhig zu bleiben, als ich mich bei der Herrin der Wohnung bedankte. Die stille Nagato reagierte nicht. Ich konnte keinerlei Persönlichkeit in ihren Zügen erkennen. Aber ich hatte trotzdem aus irgendeinem Grund das Gefühl, dass sich die dort vor mir stehende Nagato einsam fühlte. Lag ich mit meiner Annahme richtig?

"Also bis dann, Nagato. Stell sicher, dass du, bis Haruhi und ich auftauchen, im Literaturclubraum auf uns wartest."

Das von Außerirdischen erschaffene, organische Wesen nickte mechanisch, als wäre es eine Puppe, der man gerade Leben eingehaucht hatte.

"Ich werde warten."

Dieser Satz reichte aus, um in meinem Herzen ein geheimnisvolles Feuer zu entfachen. Obwohl es nicht heller war als das eines Zigarettenstummels, den jemand auszumachen vergessen hatte. Während ich darüber nachdachte, woher dieser kleine Funken kam, sagte Asahina-san:

"Damit dir nicht unwohl wird..."

Sie hielt meine Schultern fest.

"Könntest du bitte deine Augen schließen?"

Ich folgte ihren Anweisungen. Asahina-san schien direkt vor mir zu stehen und hielt meine Hände.

"Kyon-kun."

Diese weiche Stimme klang einfach zu angenehm. Wollte sie mir einen Kuss geben?

"Los geht's"

Bitte, mach weiter. Du kannst mich so oft küssen wie du willst; je leidenschaftlicher, desto besser. Gerade als ich das dachte...

Das dramatische Schwindelgefühl hatte begonnen. Es war gut, dass ich meine Augen geschlossen hatte. Selbst wenn ich sie geöffnet hätte, hätte ich um mich herum vermutlich sowieso nur Schwärze gesehen, als ob es einen Stromausfall gegeben hätte. Nun fühlte ich mich so, als ob ich ohne Gurt in einer Achterbahn sitzen würde; ich war nicht mehr sicher, ob mein Blut meinen Körper verlassen hatte oder in mein Gehirn strömte. Das Gefühl, schwerelos durch die Gegend zu schweben, hielt an. Obwohl ich meine Augen geschlossen hielt, wurde mir trotzdem schwindelig. Dass ich nicht das Bewusstsein verlor, verdanke ich nur der Wärme, die ich durch Asahina-sans Hand fühlte.

Wie viele Minuten dauerte es schon? Oder waren es sogar Stunden? Ich hatte mein Raum- und Zeitgefühl völlig verloren. Ich halte es nicht mehr lange aus. Asahina-san, ich hab das Gefühl, ich muss mich übergeben...

Als ich mich gerade unhöflich nach etwas umschauen wollte, in das ich mich übergeben konnte...

"Äh... wir sind angekommen."

Endlich fühlte ich nach langer Zeit wieder festen Boden unter meinen Füßen. Die Kälte des Bodens kroch durch meine Socken in meinen Körper. Mein Gleichgewichtssinn funktionierte auch wieder. Und der Drang, mich zu übergeben, war plötzlich auch verschwunden, als hätte ich ihn mir nur eingebildet gehabt.

"Du kannst die Augen wieder öffnen. Glücklicherweise sind wir am Ort gelandet, den Nagato-san uns genannt hat... und die Zeit stimmt auch."

Ich hob meinen Kopf und sah am Nachthimmel einige Sternenbilder des Winters funkeln. Da die Luft sauberer war, konnte man die Sterne viel deutlicher als im Sommer erkennen. Ich drehte mich um und erkannte sofort das Dach der North High, das sich weit über die Dächer der Wohnhäuser erhob.

Um nochmal zu bestätigen, wo ich mich befand, schaute ich mich um. Obwohl es dunkel war, konnte ich mich nicht täuschen. Erst vor wenigen Stunden hatte ich hier gestanden. Ich konnte mich immer noch sehr gut an Haruhi mit Pferdeschwanz und Koizumi in meiner Sportuniform erinnern.

Das hier war der Ort, an dem sich die beiden umgezogen hatten. Musste wohl ein Zufall sein, nehme ich an!

Und welche Zeit war es?

Asahina-san sagte, während sie auf ihre Uhr schaute:

"Es ist 4:48 am Morgen des 18. Dezembers. In ungefähr fünf Minuten wird die Welt verändert werden."

Von dem 20., an dem ich die "Enter"-Taste drückte und drei Jahre in der Zeit zurückreiste aus gesehen, lag der 18. zwei Tage in der Vergangenheit. An diesem Tag ging ich wie üblich zur Schule ohne zu ahnen, was geschehen würde, und als ich sah, dass sich die North High komplett verändert hatte, stürzte ich in einen Zustand des Chaos. Haruhi war plötzlich verschwunden, während Asakura zurückgekehrt war, und Asahina erkannte mich nicht, wohingegen Nagato zu einer völlig anderen Person geworden war.

Hier hatte alles begonnen, ich befand mich nun in der Zeitperiode, in der die Veränderung stattfinden würde. Anders ausgedrückt konnte ich es auch verhindern, und das war der Grund, aus dem ich jetzt hier stand.

Während ich von der intensiven Erwartung aufgeputscht wurde...

"Oh nein! Ich hab meine Schuhe vergessen!"

rief Asahina-san leise aus.

Da wir direkt aus einer Wohnung in die Zukunft gereist waren, hatten wir natürlich keine Schuhe an. Wie von Asahina-san zu erwarten war, konnte nicht mal eine Zeitreise ihre Schusseligkeit kurieren…

"Wird Nagato sich für mich gut um sie kümmern?"

Ihre Unsicherheit ließ meine eigene Nervosität für einen Moment verschwinden. Ich war mir sicher, dass sie sich gut um sie kümmern würde. Immerhin hatte sie es geschafft, einen Tanzaku (eine Art Talisman) drei Jahre lang aufzubewahren. Sie würde ein Paar Schuhe nicht so leicht verlieren. Du kannst jederzeit zu ihrer Wohnung gehen und in ihrem Schrank nachsehen...

Als ich ruhig darüber nachdachte, fuhr plötzlich ein sehr unangenehmes Gefühl durch meinen Körper, als hätte ich einen Stromschlag bekommen.

Das lag daran, dass ich keine Schuhe trug, ganz zu schweigen davon, dass ich vom Sommer zurück in den eisigen Winter gesprungen war, so dass sich die Kälte besonders intensiv anfühlte. Ich dachte sofort daran, die Jacke, die ich immer noch in meinen Händen hielt, wieder anzuziehen. Aber dann bemerkte ich, dass Asahina-san zittere, während sie ihre Arme fest um sich geschlungen hatte. Nun ja, wenn man bei diesen niedrigen Temperaturen nur eine langärmelige Bluse und einen engen Minirock trug, war es nur natürlich, dass man verdammt fror.

"Zieh das hier an."

Ich legte ihr meine Jacke um die bebenden Schultern. Selbst ich war von meiner Selbstlosigkeit beeindruckt.

"Oh, vielen Dank. Es tut mir so leid."

Es gibt keinen Grund sich zu entschuldigen, das war nichts. Hättest du vor drei Jahren nicht auf mich gewartet, dann hätte ich gar nicht hierher zurückkommen können. Das allein reichte schon aus, dass ich alle meine Klamotten für sie ausgezogen hätte.

Asahina-san schenkte mir ein Lächeln, das Sinnlichkeit und Niedlichkeit perfekt verband, und mehr als der Hälfte derjenigen, die es zu sehen bekämen, weiche Knie bescheren würde, und sagte dann ernst:

"Es ist gleich soweit."

Vielleicht war es gar nicht mal so schlecht, dass wir unsere Schuhe vergessen hatten, denn so machten wir beim Laufen keine Geräusche. Trotzdem wagten Asahina-san und ich es, laut zu atmen, als wir mit kleinen Schritten in Richtung Eingang der North High gingen. Wir hielten an der Ecke und steckten wie Jäger, die ihrer Beute folgten, nur unsere Köpfe heraus, um den Pfad vor uns im Dunkeln zu beobachten.

Obwohl es in dieser Gegend wenig Straßenlaternen gibt, stand eine von ihnen direkt vor dem Tor. Nur im beleuchteten Gebiet war etwas zu erkennen. Obwohl das Licht nur schwach war, würden wir trotzdem erkennen können, wer darunter stand.

"Da kommt sie..."

Eine warme Hand legte sich auf meine Schulter. Ich fühlte Asahina-sans intensiven, aber trotzdem süßen Atem in meinem Ohr. Normalerweise wäre ich wie verzaubert gewesen, aber ich war jetzt nicht in der Stimmung dafür.

Der Raum-Zeit-Umwandler tauchte aus den Schatten auf und war nun deutlich unter der Lampe zu erkennen.

Eine Uniform der North High. Dies war die Person, von der Nagato gesprochen hatte. "Diese Person" war der Übeltäter, der unsere Welt verändert, die Mitglieder der SOS-Brigade getrennt und alle zu normalen Menschen gemacht hatte. Nur meine Erinnerungen waren verblieben, während die Erinnerungen und Vorgeschichten aller anderen völlig verändert worden waren.

"Diese Person" war gerade dabei, sich ans Werk zu machen.



Ich konnte noch nicht losstürmen, ich musste warten, bis sich alles verändert hatte. Das war die Anweisung, die mir Nagato gegeben hatte. Sonst würde die Zeitlinie, in der ich das Ausstiegsprogramm aktiviert hatte, niemals existiert haben. Ich hatte nicht wirklich verstanden was Nagato meinte, obwohl sie und Asahina-san sich ihrer Sache ziemlich sicher waren. Sie kennen sich anscheinend ziemlich gut mit dem Zeitfluss aus, während eine Person wie ich das nie verstehen könnte. Da ich es sowieso nicht verstehen werde, kann ich auch gleich den Anweisungen der Profis folgen. Diese Nagato würde niemals lügen, wie sie immer mit einem ernsten Gesichtsausdruck an unserer Seite stand...

Ich umklammerte die kleine Nadelpistole, die ich von Nagato bekommen hatte, fest und wartete weiter still ab.

Mit gleichmäßigen Schritten erschien "diese Person" vor dem Tor der North High. Sie hob ihren Kopf, um den in Dunkelheit getauchten Schulkomplex zu betrachten und hielt an.

Der Rock ihrer Matrosenuniform flatterte im Wind.

Sie schien uns nicht zu bemerken. Das lag an den Nanomaschinen, die Nagato uns injiziert hatte, damit sie die Oberflächen unserer Körper mit einem Schutzschild und einem Tarnfeld umgaben.

"Diese Person" hob plötzlich einen Arm und machte eine Bewegung, als wolle sie etwas in der Luft greifen. Es sah irgendwie unnatürlich aus, als würde etwas sie kontrollieren, aber ich wusste, dass das nicht der Fall war.

"Unglaublich", rief Asahina-san. "Das war ein mächtiges Zeitbeben. Sie hatte wirklich solche Kräfte... Ich kann es immer noch kaum glauben, selbst nachdem ich es gerade mit meinen eigenen Augen gesehen habe."

Meine eigenen Augen konnten keine solche Veränderung erkennen. Der Nachthimmel war immer noch dunkel. Trotzdem schien Asahina-san bemerkt zu haben, wie diese Person auf irgendeine Weise eine gewaltige Veränderung der Weltgeschichte vorgenommen hatte. Allerdings stammt sie auch aus der Zukunft, es ist also keine Überraschung, dass sie es wahrnehmen kann.

Asahina-san lehnte sich eng an mich. Eigentlich hätte uns die Veränderung der Welt durch "diese Person" auch beeinflusst, aber durch Nagatos Biss waren wir geschützt. Nagato und Asahina-san hatten mir wirklich weitergeholfen, meine Entscheidung war also richtig gewesen. Als nächstes kam nun die Aktion, die die ganze Sache beenden würde; ich konnte mir einfach nicht erlauben, an der letzten Hürde zu scheitern.

Als ich sah, dass die Person ihren Arm runternahm und sich plötzlich in unsere Richtung drehte, hielt ich meinen Atem an. Zunächst dachte ich, dass sie bemerkte hätte, dass wir sie beobachtet hatten, aber anscheinend schaute sie sich nur um.

"Keine Angst, sie hat uns nicht bemerkt. Sie wurde gerade 'wiedergeboren'. Das Zeitbeben... die Veränderung der Welt ist abgeschlossen. Kyon-kun, nun sind wir am Zug",

sagte Asahina-san mit einer angespannten und ernsten Stimme und gab mir das Signal.

Ich trat aus der Dunkelheit hervor und begab mich in Richtung Schultor. Es gab keinen Grund, sich zu beeilen, da sie nicht weglaufen würde. Wie erwartet stand "diese Person", als sie mich im Licht der Straßenlaterne bemerkte, immer noch vor dem Schultor. Die einzige Veränderung war ihr Gesichtsausdruck. Als ich ihren erstaunten Gesichtsausdruck sah, fühlte ich mich auf einmal melancholisch.

"Hallo",

rief ich ihr zu. Ich näherte mich ihr wie einem Freund, den ich lange nicht gesehen hatte.

"Ich bin's. Wir sehen uns also wieder."

Aus Asahina-sans Tonfall konnte ich etwas schließen. Von allen Leuten die ich kannte, gab es außer Haruhi nur eine einzige Person, bei der Asahina-san sich so unsicher fühlte. Denkt darüber nach. Nach dem 18. waren sämtliche Geheimidentitäten der SOS-Brigade Mitglieder plötzlich verschwunden gewesen. Trotzdem waren die Persönlichkeiten von allen gleich geblieben, abgesehen von einer einzigen, bei der sich Handlungen, Ausdrucksweise und Verhalten komplett verändert hatten.

Unter dem dunklen Nachthimmel stand die kleine Gestalt in der Uniform der North High und wusste nicht, was gerade geschah. Sie schien nicht zu wissen, warum sie hier war, wie ein Schlafwandler, der plötzlich aufgewacht ist und sich verwirrt umschaut...

"Nagato",

sagte ich.

"Das war alles dein Werk, nicht wahr?"

Es war Nagato mit ihrer Brille. Nach dem 18. war diese Nagto Yuki lediglich das einzige verbliebene Mitglied des Literaturclubs; sie war weder ein Alien noch irgendeine Entität, nur ein äußerst schüchterner Bücherwurm.

Die brillentragende Nagato sah jetzt noch überraschter aus und verstand nicht, was gerade geschah.

"Warum... warum... bist du hier?"

"Dasselbe wollte ich dich gerade fragen, weiß du überhaupt, weshalb du hier bist?"

"Ich gehe nur spazieren",

sagte Nagato nervös, während sich ihre Augen weiteten. Die Brille im Gesicht des Mädchens, das ich ansah, reflektierte das Licht der Straßenlaternen. Ich blickte sie so an und dachte:

Nein, so ist es nicht, Nagato.

Dieses Mädchen war einfach nur erschöpft. Den ganzen Tag von Haruhi herumgescheucht zu werden, während man mein Leben retten muss, und hinter unserem Rücken noch an einem geheimen Ort tätig ist - es war nur natürlich, dass sie von all dem erschöpft war.

Als wir vor einer Weile in Nagatos Wohnung waren, sagte die Nagato von vor drei Jahren folgendes:

"Die fehlerhaften Dateien, die sich in meiner Erinnerungsdatenbank angesammelt haben, werden eine anormale Reaktion auslösen. Es ist vorhersehbar, dass dies unausweichlich ist. Am 18. Dezember drei Jahre in der Zukunft werde ich die Welt rekonstruieren."

Sie fuhr ruhig fort:

"Es gibt keine Gegenmaßnahmen, da ich nicht weiß, wie derartige Fehler auftreten konnten."

Aber ich schon.

Ich kenne den Grund für Nagatos unerklärliches, abnormales Verhalten und weiß, woher diese fehlerhaften Dateien, die sie angesammelt hat, kommen.

Es war eines der elementarsten Grundbedürfnisse. Selbst für eine aus komplexen Programmen bestehende künstliche Intelligenz, selbst für eine Androidenschnittstelle, die sowas nie installiert bekommen hatte, war es natürlich, so ein Verlangen zu entwickeln, nachdem er eine Weile gelebt hat. Du wirst es niemals verstehen, aber ich schon. Und Haruhi wahrscheinlich auch.

Ich fuhr fort, Nagatos verwirrten Gesichtsausdruck offen zu beobachten. Das Traummädchen aus dem Literaturclub wirkte nun noch beklommener. Als ich sah, wie hilflos sie wirkte, konnte ich nur in meinem Inneren schreien: Nagato! Das nennt man Gefühle!

Weil du eigentlich nicht dafür vorgesehen warst, Emotionen zu haben, war deine Reaktion umso heftiger. Du wolltest vermutlich am liebsten schreien, durchdrehen oder Haruhi ein "Du dummes Mädchen! Ich hab genug von dir!" an den Kopf werfen, stimmt's? Nein, selbst wenn sie nicht so gedacht hatte, war das, was sie getan hatte, absolut verständlich. Ich kann ihr das vergeben, weil ich schließlich selbst teilweise dafür verantwortlich war. Ich hatte mich zu sehr auf sie verlassen, hatte mich daran gewöhnt, dass Nagato sich um alles kümmerte. Ich dachte immer, dass ich, solange Nagato mir half, mein Gehirn ausschalten könnte. Was für ein Idiot ich doch gewesen war; ein noch größerer Idiot als Haruhi. Deshalb hatte ich kein Recht, ihr irgendetwas vorzuwerfen.

Deshalb war Nagato - dieses Mädchen hier, auf die dumme Idee gekommen, die Welt zu verändern.

War es also eine anormale Reaktion oder ein Programmfehler?

Junge, du nervst wirklich, es war keines von beiden.

Das war es, was Nagato sich gewünscht hatte - eine normale Welt wie diese.

Sie ließ nur meine Erinnerungen unangetastet und veränderte die aller anderen, inklusive ihrer eigenen.

Jetzt verstand ich endlich die Frage, die mich die letzten Tage beschäftigt hatte:


Warum war ich der einzige, der nicht beeinflusst worden war?


Die Antwort war einfach, das Mädchen wollte mich die entscheiden lassen:

Ist die veränderte Welt besser? Oder ist die ursprüngliche Welt besser? Gemäß ihrem sorgfältig ausgearbeiteten Drehbuch lag die endgültige Entscheidung bei mir.

"Verdammt nochmal!"

Zur Hölle mit entscheiden! Ich hatte niemals eine Wahl!

Hätte ich einfach nur die SOS-Brigade zurückgewollt, dann hätte ich nicht extra zurückkehren müssen. Ich hätte sie in der neuen Welt einfach neu gründen können. Haruhi und Koizumi würden zwar auf eine andere Schule gehen, aber das wäre kein großes Problem. Nennen wir es einfach ein außerschulisches Hobby. Dieser mysteriöse Club könnte sich wie üblich im Cafe treffen. Dort würde Haruhi mit irgendwelchem lächerlichen Kram ankommen, während Koizumi die ganze Zeit grinsen würde. Asahina-san würde extrem verstört aussehen und ich würde mein Gesicht einfach mit einem mürrischen Ausdruck abwenden... Ein Bild dieser Szene entstand auf einmal vor meinem geistigen Auge. Die Nagato dort würde vermutlich auch beunruhigt aussehen, aber natürlich trotzdem still ihr Buch weiterlesen. Aber...

Das wäre nicht die SOS-Brigade, die ich kannte. Nagato wäre keine Außerirdische mehr, Asahina-san keine Zeitreisende aus der Zukunft und Koizumi wäre nur ein normaler Mensch, während Haruhi keine außergewöhnlichen Kräfte mehr besäße. Es wäre einfach nur ein gewöhnlicher, normaler und glücklicher Club.

Würde mir das gefallen? Wäre das nicht sogar besser?

Wie hatte ich eigentlich am Anfang gedacht? Was hatte ich von Haruhis ständigen Spinnereien jenseits des gesunden Menschenverstandes gehalten?

Einfach schrecklich.

Es reicht!

Bist du blöd?

Ich hab die Schnauze voll von dir!

"..."

Mein Herz begann zu schmerzen.

Ein normaler High-School-Schüler, der dazu gezwungen wurde an irgendwelchen anstrengenden Aktivitäten teilzunehmen, sich ständig bei Haruhi beschwerte und es trotzdem schaffte, zu überleben, um diese Geschichte zu erzählen. Das war die Rolle, die ich die ganze Zeit gespielt hatte.

Jetzt aber? Ja, Kyon! Ich rede mit dir! Ich will dir eine äußerst wichtige Frage stellen, also hör gut zu und antworte mir. Du kannst dich nicht weigern zu antworten. Nur ein einfaches "Ja" oder "Nein" reicht aus. Also Ohren auf, hier kommt die Frage:


Macht dir so ein verrücktes und außergewöhnliches Schulleben nicht Spaß?


Beeil dich und antworte, Kyon! Denk gut nach. Nun? Die Frage ist doch berechtigt, oder? Beeil dich und sag es mir endlich. Eine Welt, in der ich ständig von Haruhi schikaniert werde; von Außerirdischen angegriffen werde; mir wilde Theorien von einer Zeitreisenden erklären lassen muss; das philosophische Gelaber eines Espers ertragen muss; in einer geschlossenen Parallelwelt, in der Riesen amoklaufen, eingesperrt werde; mit einer sprechenden Katze zusammenwohne; einen unbegreiflichen Sprung durch die Zeit mache und obendrein immer verhindern muss, dass Haruhi etwas von all dem mitbekommt, damit die Kommandantin der SOS-Brigade fröhlich damit weitermachen kann, nach übernatürlichen Dingen zu suchen, ohne zu wissen, dass sie ein gewaltiges Chaos angerichtet hat...

Findest du so eine Welt nicht interessant?

Oder hat dich das alles nur genervt, und du wolltest ihr sagen, dass es endlich reicht? Schließlich hast du sie immer für einen Idioten gehalten und beschlossen, sie zu ignorieren. Nun? Stimmt es? In anderen Worten? Ist das, was du wirklich denkst:


Diese Welt war eigentlich gar nicht interessant.


Bist du sicher? Angeblich findest du Haruhi in der originalen Welt ziemlich nervig. Egal was für dumme Ideen sie hatte, du hattest dabei immer ein Gefühl der Melancholie. Natürlich kannst du so eine Welt nicht interessant finden. Und erzähl mir nicht, dass es nicht wahr wär! Du weißt, dass es so ist.

Trotzdem genießt du all das in Wirklichkeit insgeheim. Weil diese Welt interessant ist.

Du fragst mich, warum ich das sage?

Dann lass mich dir sagen, warum:


Hast du nicht die Enter-Taste gedrückt?


Du weißt schon, die für das Notausstiegsprogramm, das Nagato für dich zurückgelassen hatte.

Bist du bereit?

Diese Frage hast du mit einem entschlossenen "Ja" beantwortet.

Habe ich nicht Recht?

Unsere große Göttin Nagato hat große Mühen auf sich genommen, um für dich eine stabile Welt zu schaffen, aber du musstest ihr Angebot ja ausschlagen. Seit du Haruhi damals im April getroffen hast, hast du diese idiotische Welt einfach als selbstverständlich betrachtet. Du möchtest tatsächlich in diese verrückte Welt zurückkehren, in der Außerirdische, Zeitreisende und Esper einfach so in der Schule herumlaufen. Woran liegt das? Bist du nicht derjenige, der sich die ganze Zeit darüber beschwert hat, wie schlecht es ihm gehe?

Wenn dem wirklich so wäre, warum hast du dann nicht das Notausstiegsprogramm ignoriert? Würdest du dich dafür entscheiden, in dieser völlig normalen Welt zu bleiben, würdest du Haruhi, Asahina-san, Koizumi und Nagato als ganz normale High-School-Schüler kennen und wie üblich unter Haruhis Herrschaft ein glückliches Leben führen. Da Haruhi keine Kräfte besitzt, könntest du dich von diesen ganzen surrealen Erlebnissen verabschieden.

In dieser Welt wäre Haruhi nur ein ganz normales Mädchen, das gerne andere Leute herumkommandiert; Asahina-san hätte nicht länger die Eigenschaft, eine Zeitreisende zu sein, sondern wäre nur eine sehr süße Person; Koizumi wäre ein normaler Schüler und hätte nichts mehr mit einer mysteriösen "Organisation" zu tun und Nagato wäre nur ein schüchterner und zurückhaltender Bücherwurm, der keine Last zu tragen hätte und keine außergewöhnlichen Kräfte benutzen müsste, um jemanden zu beobachten oder beschützen. Oh ja, obwohl sie die meiste Zeit über ausdruckslos bleiben würde, würde sie trotzdem herzlich über irgendeinen lahmen Witz lachen und dann heftig erröten. Wer weiß, vielleicht würde sie sogar offener werden, wenn ich etwas Zeit mit ihr verbrächte.

Das wäre so ein idyllisches leben. Und trotzdem hast du es nicht gewollt.

Warum nur?

Ich frage dich ein letztes Mal. Antworte mir ehrlich.

Findest du Haruhi, die Unruhestifterin, und die albtraumhaften Ereignisse, die sie verursacht, interessant? Beeile dich und antworte!

"Natürlich tue ich das."

Antwortete ich und ergänzte:

"Man muss kein Raketenwissenschaftler sein, um zu erkennen, dass es lustig war. Frag mich nie wieder sowas offensichtliches."

Hätte jemand gesagt, er fände das nicht interessant, dann wäre diese Person ein Vollidiot. Sie wäre dreißigmal blöder als Haruhi.

Ich meine, es gibt Außerirdische, Zeitreisende und Esper!

Selbst einer von denen wäre schon faszinierend, aber gleich drei Arten interessanter Charaktere auf einen Schlag! Mit Haruhi zusammen war die Reaktion einer gewaltigen Macht zu erwarten. Auf diese Art werde ich mich nie langweilen. Wenn jemand irgendwelche Einwände dagegen vorbringen würde, würde ich ihn wohl umgehend zusammenschlagen.

"So ist das also",

sagte ich zu mir selbst. Man könnte sagen, dass ich endlich erleuchtet worden bin.

"Ich bevorzuge immernoch die ursprüngliche Welt. Diese Welt passt einfach nicht zu mir. Tut mir leid, Nagato. Ich mag dein aktuelles Ich nicht, ich ziehe die Nagato von früher vor. Außerdem gefällst du mir ohne Brille besser."

Die Nagato aus dieser Welt blickte mich verwirrt an.

"Was redest du da..."

Die Nagato Yuki die ich kenne würde sowas niemals sagen.

Dieses Mädchen wusste nichts von den drei Tagen, an denen ich herausfand, dass etwas nicht stimmte bis heute. Das war zu erwarten, denn diese Nagato war gerade wiedergeboren worden und hatte mich daher nie getroffen. Sie hatte keine Erinnerung daran, wie sie schockiert geschaut hatte, als ich in den Literaturclub gestürmt kam.

Die einzigen Erinnerungen, die diese Nagato besaß, waren die künstlich erschaffenen Erinnerungen an die Bibliothek. Abgesehen davon waren die einzigen Erinnerungen, die wir teilten, die, die entstanden waren, seit sie vorhin die Welt verändert hatte.

Vor einigen Monaten war ich allein mit Haruhi in der grauen versiegelten Dimension gefangen gewesen. Laut Koizumi handelte es sich dabei um eine neue Welt, die von Haruhi erschaffen worden war.

Vermutlich hatte Nagato diese Kraft genutzt. Irgendwie hatte sie es geschafft, diese Kraft von Haruhi zu stehlen und hatte sie dann benutzt, um diese Welt zu erschaffen.

Das war wirklich eine praktische Kraft. Jeder würde darüber nachdenken, sie zu benutzen, um nochmal von vorne anzufangen oder sich wünschen, zu einer Situation zurückzukehren, die günstig für sie war.

Allerdings wäre eine normale Person niemals in der Lage, sich so einen Wunsch zu erfüllen. Und es war besser, dass sie diese Idee aufgaben. Ich wollte nicht noch mal von ganz vorne anfangen und deswegen bin auch mit Haruhi aus der versiegelten Dimension geflüchtet.

Dieser Zwischenfall war darauf zurückzuführen, dass eine gottähnliche allmächtige Kraft von Haruhi auf Nagato übertragen worden war. Haruhi war sich dessen nicht bewusst, während Nagato die Kontrolle verlor und sich daran machte, die Welt zu verändern.

"Nagato..."

Ich ging auf die kleine, angespannt wirkenden Gestalt zu. Nagato bewegte sich nicht und erwiderte meinen Blick.

"Egal wie oft ich es sagen muss, meine Antwort bleibt immer die gleiche. Bitte bring alles wieder in den ursprünglichen Zustand zurück, einschließlich dir selbst. Lass uns weiterleben um an einem weiteren Tag im Clubraum zu überstehen. Sobald du mir das Zeichen gibst, werde ich für dich da sein. In letzter Zeit hat Haruhi nicht grundlos irgendwelchen Blödsinn angestellt, also gibt es keinen Grund für dich, so eine ungesunde Kraft zu benutzen, um die Welt gewaltsam zu verändern. Lass einfach alles, wie es ist."

Die Augen hinter den Brillengläsern verrieten einen Anflug von Furcht.

"Kyon-kun..."

Asahina-san zog an meinem Ärmel und sagte:

"Es hat keinen Sinn, es dieser Nagato-san zu erklären. Weil sogar sie sich verändert hat. Diese Nagato-san ist bloß ein normales Mädchen ohne irgendwelche Kräfte..."

Plötzlich fiel mir etwas ein.

Die langhaarige Haruhi in jener Welt hatte mich John genannt. Ohne irgendwelche gott- oder dämonenartigen Kräfte war sie einfach nur ein gewöhnliches Schulmädchen, das ohne zu zögern in die North High gestürmt war. Ihre Augen hatten hell geleuchtet und sie zeigte großes Interesse an meiner Geschichte über die SOS-Brigande, während sie gerufen hatte: „Klingt nach Spaß!"

Allzeit mit einem breiten Grinsen sagte der dortige Koizumi, er würde auf Haruhi stehen. Meine Sportuniform tragend hatte er dabei einen komplizierten Gesichtsausdruck.

Mich in den Literaturclub einladend, würde diese bebrillte Nagato mit mir ihrer künstlichen Erinnerung nachhängen. Ihr Lächeln war wie die am Horizont aufgehende Sonne. Ich kann nicht anders, als mir zu wünschen, diese Lächeln noch einmal zu sehen.

Mir wurde klar, dass ich diese Leute nie wiedersehen würde. Um ehrlich zu sein vermisste ich sie ein wenig. Nur dass ihre Existenz bloß künstlich war. Sie waren nicht die Haruhi, Koizumi, Nagato und Asahina-san, die ich kannte. Es war schade, dass ich mich nicht von ihnen verabschieden konnte, aber ich hatte mich entschieden. Ich will zu der Haruhi, Koizumi, Nagato und Asahina-san zurückkehren, die ich kenne.

"Tut mir leid."

Ich hob die Pistole und zielte. Nagato erstarrte unverzüglich, und als ich ihre Reaktion sah, fühlte ich mich, als würde ich ein Verbrechen begehen. Aber nachdem ich so weit gekommen war, hatte es keinen Sinn zu zögern

"Bald wird alles wieder normal sein. Wir werden wieder zu vielen verschiedenen Orten gehen können, unseren Weihnachtseintopf essen, und dann die Villa in den verschneiten Bergen besuchen. Du kannst diesmal die große Detektivin sein. Eine große Detektivin, die den Fall in dem Moment aufklären kann, in dem er entsteht? Das wird..."

"Kyon-kun! Pass auf... KYAA!"

Als Asahina-san schrie, rammte mich jemand von hinten. Klatsch. Ein heftiger Schlag ließ mich erzittern, selbst mein Schatten unter der Straßenlaterne zitterte. In diesem Schatten stand die Silhouette einer anderen Person. Was zum? Wer war es?

"Ich kann nicht zulassen, dass du Nagato-san wehtust!"

Ich blickte über meine Schulter und sah das blasse Gesicht eines Mädchens.

Asakura Ryoko.

"Was zum..."

Ich konnte nichts sagen, da ich plötzlich fühlte, wie sich etwas Eiskaltes in meinen Unterleib bohrte. Es war ein flacher Gegenstand, der tief in meinen Körper gestoßen wurde. So kalt. Das Gefühl der Desorientierung war viel stärker als der Schmerz. Was ging hier vor? Wie konnte das sein? Wieso war Asakura hier?

"Hehe."

Ihr Grinsen wirkte auf mich wie das einer ausdruckslosen Maske, die plötzlich anfing zu lächeln. Asakura wich von mir zurück, wobei sie das blutbesudelte Messer, mit dem sie mich gestochen hatte, herauszog.

Ich verlor die Balance und stürzte wie ein Kreisel zu Boden. Nagato, die die ganze Zeit vor mir gestanden hatte, sank zu Boden, als ihre Beine nachgaben und sagte furchtsam:

"Asakura... -san?"

Als ob sie jemanden begrüßen wollte, winkte Asakura mit dem schweizer Armeemesser, das mit meinem Blut besudelt war, und sagte:

"Hallo, Nagato-san. Mach dir keine Sorgen, solange ich hier bin, werde ich jeden eliminieren, der versucht, dir etwas anzutun. Das ist der Grund, aus dem ich erschaffen worden bin."

Asakura lächelte und fuhr fort:

"Das ist es doch, was du dir gewünscht hast, oder?"

Das ist eine Lüge. Nagato hätte sich niemals so etwas gewünscht. Sie würde nicht einfach einen Vogel töten, nur weil er nicht so singt, wie es ihr gefällt. Auf keinen Fall. So wie Nagato anfing, sich seltsam zu verhalten, benahm sich auch diese wiedererschaffene Asakura seltsam, so dass sie praktisch zu einem Schatten von Nagato wurde...

Asakuras Schatten fiel langsam auf meinen Körper. Bald darauf blockierte ihre Silhouette meine Sicht auf den Mond.

"Erlaube mir, dich auf deine letzte Reise zu schicken. Wenn du erstmal tot bist, wird alles in Ordnung sein. Immerhin ist es deine Schuld, dass Nagato leiden musste. Tut es weh? Das tut es sicher. Genieß dieses Gefühl solange es anhält, denn es wird wohl das letzte sein, was du jemals fühlen wirst."

Das breite Messer wurde langsam angehoben, seine Spitze war auf mein Herz gerichtet. Das Blut strömte unaufhörlich aus mir heraus. "Ist das das Ende?"... Ich musste mich anstrengen, um bei Bewusstsein zu bleiben, weil sich mein Verstand vernebelte. Ich verlor jeden Sinn für Realität. Also, Psycho-Asakura, ist das deine Mission? Als Helferin für Nagato Yuki zu dienen...

Das Messer begann sich zu senken...

Innerhalb eines Augenblicks erschien von der Seite eine Hand.

"...!!!"

Jemand hatte die Klinge des Messers gepackt, noch dazu mit der bloßen Hand.

"Wer zum...?"

Mit der bloßen Hand...!? Wo hatte ich das schon mal gesehen?

Meine Sicht verschwamm immer stärker, daher konnte ich nicht sagen, wer es war. Hier ist nicht genug Licht, könnte mal jemand das Licht einschalten? Sie stand vor der grellen Straßenlaterne, daher konnte ich ihr Gesicht nicht richtig erkennen. Ich wusste nur, dass es ein kurzhaariges Mädchen war... das eine North High Uniform trug... keine Brille aufhatte... das war alles, was ich erkennen konnte... Koizumi! Wo ist der Kerl, der für die Beleuchtung zuständig ist, wenn man ihn braucht?

„Was...!?“

rief die auf dem Boden sitzende Nagato leise. Ihre Brillengläser reflektierten das Licht der Straßenlaterne, deswegen konnte ich ihren Gesichtsausdruck nicht richtig erkennen. War es Angst? Oder Überraschung?

"Warum? Aber du...?! Warum..."

schrie Asakura. Sie schien mit dem Mädchen, das die Klinge mit der bloßen Hand abgefangen hatte, zu reden, aber das Mädchen blieb still und sagte nichts.

Asahina-san klang, als wäre sie direkt neben mir, als sie sagte:

"Tut mir leid, Kyon, ich hätte es wissen müssen, aber trotzdem..."

"Kyon-kun! Kyon-kun... Nein! Das darfst du nicht!"

Da schienen zwei Asahina-sans zu sein. Die eine war die erwachsene Asahina-san, während die andere die Lolita Asahina-san war, die ich kannte. Beide waren tränenüberströmt und schüttelten meinen Körper. He ihr beiden, das tut weh...

... Hä? Was tat die junge Asahina-san hier? Ich konnte zwar verstehen, dass die erwachsene Version mich in ihren Armen hielt und weinte, da sie mit mir zusammen in diese Zeitebene gekommen war; aber wo um Himmels willen kam die junge Asahina-san her? Ah, jetzt verstehe ich es. Das ist eine von diesen Halluzinationen, bei denen das ganze Leben noch mal an einem vorbeizieht, wenn man gerade dessen Ende erreicht hat...

Nun, das war erschreckender, als das Gefühl des Schmerzes und zu sehen, wie ununterbrochen Blut aus einem herausströmt.

Verdammt, ich sterbe.

Als ich es gerade bedauerte, kein Testament aufgesetzt zu haben, fühlte ich, wie sich mir jemand näherte. Die Person hob mich hoch und nahm die von Nagato gemachte Nadelpistole, die auf den Boden gefallen war.

Eine bekannte Stimme war zu hören, obwohl ich mich nicht daran erinnern konnte, wem sie gehörte:

"Entschuldige das. Ich habe meine Gründe, dich nicht sofort zu retten, aber hasse mich nicht dafür. Immerhin war es für mich auch schmerzhaft. Wie auch immer, wir werden uns um den Rest kümmern. Nein, ich weiß schon, was ich tun muss, und das wirst du auch. Also schlaf jetzt ein bisschen."

Wovon sprach er? Und mit wem sprach er? Was tun? Und wer kümmerte sich um was? Die Bilder von Asakuras tödlichem Schlag, der bebrillten Nagato, die sich mit ihren Armen abstützte, während sie auf dem Boden kniete, den beiden Asahina-sans und Haruhi in einer anderen Schuluniform waren jetzt alle zu einem einzigen verschmolzen...


Ich fiel langsam in Ohnmacht.





Kapitel 6[edit]

Schrapp, schrapp

Ein schabendes Geräusch drang an mein Ohr.

Als mein Bewusstsein langsam aus der Dunkelheit zurückkehrte, begann mein Verstand mühsam wieder zu arbeiten.

Vielleicht war es nur ein Traum gewesen. Ausgehend von dem, woran ich mich erinnerte, schien es ein sehr interessanter Traum gewesen zu sein. Normalerweise findet man einen Traum nach dem aufwachen etwa fünf Minuten lang interessant. Aber wenn man erstmal mit dem Zähneputzen beginnt, fangen die Details an zu verschwimmen, und bis das Frühstück fertig ist, hat man ihn vollständig vergessen. Bis dir das klar wird, ist das einzige, was dir im Gedächtnis geblieben ist. Der Eindruck: "Das war wirklich ein interessanter Traum." Ich habe diese Erfahrung schon oft gemacht.

Dann gab es wiederum auch Träume, die ich überhaupt nicht interessant fand aber ihre Details waren kristallklar und brannten sich für einige Zeit in mein Gedächtnis. Möglicherweise waren das traumartige Erlebnisse, wie in der Nacht, in der ich mit Haruhi in der versiegelten Dimension gefangen war, also Ereignisse, die wirklich geschehen waren, aber von meinem Unterbewusstsein als nicht existent betrachtet wurden.

Das war das Erste, was mir in den Sinn kam, als ich meine Augen öffnete.

Die Decke war weiß; also ich war nicht in meinem Zimmer. Das orangefarbene Sonnenlicht tauchte die Wände, die genauso weiß waren wie die Decke, in alle möglichen Farben. Ich fragte mich, ob es Morgen oder Abend war.

"Oh Mann."

Für ein Bewusstsein, das gerade erst wieder zurückkehrte, klang diese Stimme so angenehm wie die Kirchenglocken für einen treuen Gläubigen.

"Du bist endlich aufgewacht. Anscheinend hast du ziemlich gut geschlafen."

Ich drehte meinen Kopf, um zu sehen, wem die Stimme gehörte. Der Kerl saß auf einem Stuhl neben meinem Bett und schälte mit einem Küchenmesser einen Apfel. Schrapp, schrapp - die Haut des Apfels löste sich sauber ab und hing nach unten.

"Normalerweise würde ich ja guten Morgen sagen, aber die Sonne geht gerade unter."

Koizumi Itsuki präsentierte sein freundliches Lächeln.

Er legte die geschälten Äpfel auf das Tablett und stellte es auf den Tisch neben dem Bett. Dann holte er einen weiteren Apfel aus einer Papiertüte und sagte lächelnd:

"Gott sei Dank bist du endlich wieder aufgewacht. Ich wusste wirklich nicht, was ich machen sollte. Ah ... du schaust recht verwirrt drein. Erkennst du mich?"

"Das wollte ich dich gerade fragen. Weißt du wer ich bin?"

"Was für eine seltsame Frage. Natürlich weiß ich das."

Es war nicht schwer zu erkennen welcher Koizumi dieser war, ein Blick auf die Uniform genügte.

Er trug einen marineblauen Anzug und nicht die schwarze Gakuran Uniform.

Es war die Uniform der North High.

Einer meiner Arme schaute unter der Decke hervor. Darüber hing ein Beutel, die eine Flüssigkeit in ihn injizierte. Ich betrachtete das Ding und fragte:

"Welchen Tag haben wir heute?"

Koizumi zeigte einen Gesichtsausdruck, der, zumindest für seine Verhältnisse, Überraschung ausdrückte.

"Ist das die erste Frage, die du seit deinem aufwachen gestellt hast? Es scheint, dass du weißt, in welcher Situation du dich befindest. Aber um zur Antwort zu kommen, es ist jetzt nach fünf Uhr nachmittags am 21. Dezember."

"Der Einundzwanzigste, was?"

"Ja, heute ist der dritte Tag seitdem du ins Koma gefallen bist."

Der dritte Tag? Koma?

"Wo sind wir hier?"

"In einem Privatkrankenhaus."

Ich schaute mich um. Es war ein eindrucksvolles Einzelbettzimmer und in dem Bett schlief ich. Damit ich tatsächlich ein Einzelbettzimmer bekam, musste meine Familie ziemlich reich sein, und ich hatte es nie gewusst.

"Ein Freund meines Onkels ist der Leiter dieses Krankenhauses, deswegen bekamst du eine Sonderbehandlung, als du hier aufgenommen wurdest."

Anscheinend ist meine Familie doch nicht reich.

"Nun, dank der Unterstützung der Organisation könntest du hier ein Jahr lang billig bleiben, ohne dass irgendwelche Fragen gestellt würden. Trotzdem bin ich erleichtert, dass du nur drei Tage gebraucht hast, um wieder aufzuwachen. Nein, nein, es geht nicht ums Geld. Meine Vorgesetzten haben mich regelrecht dafür auseinandergenommen, dass sowas passieren konnte, während du unter meiner Aufsicht standest, und ich muss sogar extra einen Brief schreiben, um meine Reue auszudrücken."

Drei Tage vor dem einundzwanzigsten war der achtzehnte. Was hatte ich an diesem Tag gemacht? ... Ah, ich erinnere mich. Ich stand wegen des hohen Blutverlusts kurz vor dem Tod, und deshalb haben sie mich ins Krankenhaus gebracht ... Nein, Moment, da stimmt irgendwas nicht.

Ich blickte unruhig auf die Krankenhauskleidung, die ich trug und legte dann meine Hand auf meine rechte Bauchseite.

Ich konnte nichts fühlen. Normalerweise würde sich eine Wunde taub anfühlen, aber es kratzte nicht mal. Es war unmöglich, sich in drei Tagen von so einer Verletzung zu erholen, es sei denn, jemand hätte mich von Grund auf wieder zusammengeflickt.

"Warum wurde ich ins Krankenhaus eingeliefert? Wegen meines Komas?"

"Also hast du es vergessen. Nun, ich denke, dafür kann ich dir nicht die Schuld geben, immerhin hast du einen ziemlich schweren Schlag auf den Kopf bekommen."

Ich fasste an meinen Kopf. Ich konnte nur mein Haar fühlen, da waren weder Verbände noch ein Schutznetz.

"Das Erstaunliche ist, dass du weder äußerliche Verletzungen, noch innere Blutungen davongetragen hast. Deine Hirnfunktionen waren auch ganz normal. Selbst der behandelnde Arzt war perplex. Sie wussten nicht, was mit dir los war."

"Aber", fuhr Koizumi fort:

"Wir haben mitbekommen, wie du die Treppe runtergefallen bist. Es sah wirklich übel aus. Um ehrlich zu sein, glaube ich, dass jedem von uns der Schrecken ins Gesicht geschrieben stand. Das Geräusch als du auf dem Boden aufgeschlagen bist war so laut, dass ich nicht überrascht gewesen wäre, wenn du nie wieder zu dir gekommen wärst. Willst du wissen, was passiert ist?"

"Schieß los."

Angeblich bin ich, als ich die Treppen des Clubraumgebäudes hinuntergestiegen bin, wohl gestolpert oder etwas in der Art. Jedenfalls bin ich einfach runtergestürzt und mit meinem Kopf auf den Boden gelandet. Krach! Danach rührte ich mich nicht mehr.

Die Art, wie Koizumi es beschrieb, klang so, als ob es wirklich passiert wäre.

"Danach ging es ganz schön chaotisch zu. Wir mussten einen Krankenwagen rufen und dich Bewusstlosen ins Krankenhaus bringen. Suzumiya-sans Gesicht war total blass, es war das erste Mal, dass ich sie so gesehen habe. Oh, diejenige, die den Krankenwagen gerufen hat, war Nagato-san. Es war ihre Ruhe, die dein Leben gerettet hat."

"Wie hat Asahina-san reagiert?"

Koizumi zuckte mit den Achseln und sagte:

"Sie verhielt sich so wie man es erwarten würde. Sie klammerte sich an dich und schrie weinend immer wieder deinen Namen."

"Wann am achtzehnten ist das alles passiert? Welche Treppe war es?"

Ich stellte meine Fragen beinahe pausenlos hintereinander, da der achtzehnte der Tag war, an dem sich die Welt dramatisch verändert hatte, und ich geriet in Panik.

"Du hast selbst das vergessen? Es war kurz nach Mittag, direkt nachdem die SOS Brigade ihr Treffen beendet hatte. Es ist passiert, als wir fünf gerade loswollten, um etwas einzukaufen."

Etwas kaufen?

"Nichtmal daran kannst du dich erinnern? Du täuschst die Amnesie doch nicht nur vor, oder?"

"Egal, fahr bitte fort."

Das Lächeln von Koizumis Lippen wurde freundlich.

"Auf der Tagesordnung stand die Frage ... hm ... was wir an Weihnachten unternehmen wollten. Suzumiya-san erzählte von einer Party für kleine Kinder, die in der Nähe ihrer Wohnung stattfinden wird und beschloss, dass die SOS-Brigade einen Gastauftritt hinlegen sollte. Damit wollte sie sicherstellen, dass Ashina-sans Santa-Kostüm zum Einsatz kommt. Sie sollte sich als wunderschöne Weihnachtsfrau verkleiden und Geschenke an die Kinder verteilen. Diese frohe Veranstaltung wurde komplett von Suzumiya-san geplant."

Da haben wir es wieder: dieses Mädchen kann sowas von rücksichtslos sein!

"Aber es wäre nicht realistisch, nur eine Weihnachtsfrau zu haben. Daher beschloss Suzumiya-san, dass eines der Mitglieder sich als Rentier verkleiden und Asahina-san auf die Bühne tragen sollte. Am Ende mussten wir Lose ziehen … Was denkst du, wer der glückliche Gewinner war? Erinnerst du dich jetzt?"

Ich habe überhaupt keine Erinnerung an das alles. Wenn sich jemand an etwas erinnern könnte, das in seinem Gedächtnis gar nicht existiert, dann wäre er ein beeindruckender Lügner. Er hätte dann in ein anderes Krankenhaus eingeliefert werden sollen. Aber es war sinnlos, Koizumi das zu erklären.

"Schon gut. Jedenfalls bist du der Glückliche gewesen. Da wir ein Rentierkostüm für dich brauchten, mussten wir los, um einige Materialien zu kaufen, und als wir die Treppe runterstiegen, bist du gestürzt."

"Das klingt für mich echt dämlich."

Als er mich das sagen hörte, zog Koizumi seine Augenbrauen hoch.

"Da du hinter uns warst, hat keiner wirklich gesehen, wie du gestürzt bist. Wir haben dich nur etwa so von der Seite fallen gesehen." Koizumi stellte es bildlich dar, indem er den Apfel von seiner rechten Hand fallen lies, ehe er ihn mit der linken auffing. "Du hast dich im Prinzip ein- ums anderemal überschlagen."

Koizumi fuhr damit fort, den Apfel zu schälen.

"Wir sind schnell zu dir gerannt, da du dich nichtmehr gerührt hast. Suzumiya-san sagte, sie hätte das Gefühl gehabt, dass jemand am oberen Ende der Treppe gewesen sei. Sie hat jemandes Rock dort an der Ecke gesehen, aber dann verschwand er. Ich fand das auch seltsam und forschte deswegen etwas nach. Zu diesem Zeitpunkt befand sich außer uns niemand im Gebäude. Selbst Nagato-san schüttelte ihren Kopf. Dieses Mädchen ist wie ein Geist verschwunden. Wir haben die ganze Zeit darauf gewartet, dass du aufwachst, damit wir dich fragen können, wer dich geschubst hat..."

Daran erinnerte ich mich nicht. Zu diesem Zeitpunkt war das wohl die passendste Antwort. Es war nur ein normaler Unfall. Ich hatte nicht aufgepasst, ich kann nur sagen, Pech für mich. Ich denke, ich werde es dabei belassen.

"Bist nur du gekommen, um mich zu besuchen?"

Wo war Haruhi? Ich wollte fragen, tat es letztendlich aber dann doch nicht. Trotzdem kicherte Koizumi und sagte: "Du hast dich die ganze Zeit umgeschaut. Suchst du jemanden? Mach dir keine Gedanken, wir haben uns damit abgewechselt, nach dir zu schauen. Bevor du die Augen geöffnet hast, war immer jemand an deiner Seite. Ich denke, Asahina-san müsste gleich kommen."

Koizumis Blick verunsicherte mich; er wirkte, als würde er gerade einen Freund treffen, der seinen Aprilscherz tatsächlich ernst genommen hatte, und nun fehlten ihm die Worte. Worauf wollte er hinaus?

"Oh, es ist wirklich nichts. Ich bin nur eifersüchtig auf dich. Man könnte sagen, das war ein neidischer Blick."

Warum sagst du das zu einem Patienten, der sich den Kopf gestoßen hat?

"Während wir gewöhnlichen Mitglieder uns abwechseln mussten, um auf dich aufzupassen, betrachtet es die Kommandantin als Teil ihrer Aufgabe, sich um die Sicherheit ihrer Mitglieder zu sorgen."

Koizumi schälte elegant die gesamte Haut von dem Apfel, und baute dann daraus eine Kaninchenfigur, bevor er es auf das Tablett auf dem Nachttisch stellte.

"Suzumiya-san ist die ganze Zeit hier gewesen. Seit drei Tagen hat sie diesen Ort nicht verlassen.

Ich drehte mich zur anderen Seite des Betts, wo Koizumis Finger hinzeigte.

"..."

Und da war sie.

Eng in einen Schlafsack gehüllt lag da Haruhi, die mit leicht geöffnetem Mund vor sich hindöste.

"Wir haben uns alle Sorgen um dich gemacht, sowohl sie als auch ich."

Er klang so traurig, dass ich mich fühlte, wie in einer Seifenoper.

"Du hättest sehen sollen, wie verzweifelt Suzumiya-san ausgesehen hat ... Nein, heben wir uns das für nächstes Mal auf. Gibt es da nicht etwas, das du jetzt machen solltest?"

Warum will mich eigentlich jeder herumkommandieren? Das war schon bei Asahina-san (groß) so gewesen und nun auch noch Koizumi... Aber ich nahm ihnen das nicht übel. Und es konnte mir nicht gleichgültiger sein, ob diese von Koizumi geschälten Äpfel ein Opfer für irgendeine Gottheit waren.

"Ja", sagte ich.

Ich hatte wirklich Lust, etwas auf ihr Gesicht zu malen. Vielleicht werde ich nächstes Mal genug Zeit haben, das zu tun.

Ich setzte mich auf und streckte meinen Arm aus, um ihr verärgert wirkendes Gesicht zu berühren.

Ihr Haar war noch nicht lang genug, um daraus einen Pferdeschwanz zu flechten. Ich dachte kurz nostalgisch an ihr langes Haar. Wie um mich zu ärgern, begann sich ihr kurzes Haar plötzlich zu bewegen.


Haruhi war aufgewacht.


"... Umm ... hmm?“

stöhnte Haruhi, während sie sich abmühte ihre Augen zu öffnen, und als ihr klarwurde, wer da gerade in ihr Gesicht zwickte...

"AH?!"

Sie versuchte auf einmal aufzuspringen, aber scheiterte dabei kläglich, da sie vergessen hatte, dass sie den Schlafsack zugemacht hatte, und daher rollte und kroch sie wie eine Raupe herum. Schließlich gelang es ihr, sich aus dem Schlafsack zu befreien, nur um dann mit dem Finger auf mich zu zeigen und zu fluchen:

"Verdammt Kyon! Warum konntest du mir nicht Bescheid sagen, bevor du aufwachst? Ich war nicht mental darauf eingestellt!"

Da verlangst du das Unmögliche. Trotzdem, dich herumschreien und fluchen zu sehen, ist für mich wirkungsvoller als jede Medizin.

"Haruhi."

"Was?"

"Wisch dir deinen Sabber ab."

Haruhis Gesicht zitterte eine Weile, dann wischte sie sich über den Mund und blickte mich dann mit ihrem finsteren Blick an:

"Du... Bist du sicher, dass du nichts auf mein Gesicht gemalt hast?"

Ich hatte nicht übel Lust dazu.

"Hmph. Nun, hast du mir nichts zu sagen?"

Ich gab ihr die Antwort die sie wohl erwartete:

"Es tut mir leid, dass ich dir Sorgen bereitet habe."

"Nun, ich bin froh, dass es das tut. Schließlich ist es eine der Aufgaben eines Kommandanten, sich um das Wohlergehen seiner Brigademitglieder zu sorgen."

Haruhis Gefluche klang wie himmlischer Gesang. In diesem Moment kam ein leises Klopfen von der Tür. Koizumi stand instinktiv auf und öffnete die Tür.

Als mich der dritte Besucher von draußen auf dem Flur sah, folgte:

"Ah, ahhh, aaahhhh ..."

Sie fuhr noch eine Zeitlang fort, überwältigt klingende Geräusche von sich zu geben. Diejenige, die dort mit einer Vase in der Hand stand, war niemand anderes als das Schulmädchen aus dem zweiten Jahrgang der North High mit ihrem langen Haar, süßem kindlichen Gesicht und einer schlanken aber wohlgeformten Figur.

"Hey... Asahina-san, wie geht’s?"

Ich war nicht sicher ob ich "Lange nicht gesehen" sagen sollte, da ich nicht wusste, ob das stimmte.

"Schnief..."

Tränen begannen, aus Asahina-sans Augen zu tröpfeln.

"Gott sei Dank ... Oh ... Gott sei Dank ..."

Ich wollte sie wirklich wie letztes Mal umarmen, und wer weiß, vielleicht dachte sie das Gleiche. Allerdings schien es, als hätte sie vergessen, die Vase abzustellen und stand nur weinend da.

"Übertreibst du nicht etwas? Er hat sich nur den Kopf gestoßen und ist bewusstlos geworden. Ich wusste von Anfang an, dass Kyon nicht für alle Ewigkeit so weiterschlafen würde."

Eine Spur Dankbarkeit war aus Haruhis Stimme herauszuhören, und sie fuhr ohne mich auch nur anzuschauen fort:

Koizumi fing an zu kichern, Asahina-sans riesige Tränen kullerten unaufhörlich zu Boden und Haruhi wandte ihr Gesicht ab. Auf den ersten Blick sah es so aus, als wäre sie wütend.

"Wie ich bereits gesagt habe, arbeitet die SOS Brigade ohne Unterlass 365 Tage im Jahr. Niemand darf sich einen Tag freinehmen. Ich werde niemals eine lahme Ausrede, wie sich den Kopf gestoßen zu haben und im Koma zu liegen gelten lassen, nur damit man sich krankschreiben lassen kann, absolut niemals. Hast du das verstanden, Kyon? Der Preis dafür, drei Tage ohne Erlaubnis abwesend zu sein, ist äußerst hoch! Nicht nur ein einfaches Bußgeld, sondern auch noch eine Versäumnisgebühr oben drauf!"

Koizumi fing an zu kichern, Asahina-sans riesige Tränen kullerten unaufhörlich zu Boden und Haruhi wandte ihr Gesicht ab. Auf den ersten Blick sah es so aus, als wäre sie wütend.

Ich schaute sie an, dann nickte ich mit dem Kopf und zuckte mit den Schultern.

"Also gut, wie viel muss ich einschließlich der Versäumnisgebühr insgesamt bezahlen?"

Haruhi blickte mich an, wobei das Lächeln auf ihrem Gesicht derart strahlte, dass man kaum glauben mochte, dass sie eben noch wütend gewesen war. Sie hat wirklich ein sehr schlichtes Gemüt.

Letztendlich wurde beschlossen, dass ich an drei aufeinanderfolgenden Tagen für jeden die Rechnung im Cafe bezahlen sollte. Während ich darüber nachdachte, ob ich mein Anlagekonto auflösen sollte...

"Eines noch ..."

Noch mehr?

"Japp, ich hab immer noch keine Entschädigung für die ganzen Traumas, die du verursacht hast. Ah ja, Kyon, du könntest dich auf unserer Weihnachtsfeier als Rentier verkleiden und ein paar spektakuläre Kunststücke aufführen. Du musst solange weitermachen, bis du uns alle zum Lachen gebracht hast! Wenn es zu langweilig ist, werde ich dich in eine alternative Dimension treten müssen! Dasselbe gilt auch für die Kinderparty. Hast du verstanden?!"

Mit einem Blick der so strahelnd war, wie das Licht von einem Prisma, begann Haruhi wieder einmal, mich herumzukommandieren.



Obwohl ich wieder bei Bewusstsein war, hieß das noch lange nicht, dass ich gleich aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Nachdem der Arzt gekommen war, um einen Blick auf mich zu werfen, wurde ich herumgeschickt, um an allen möglichen Maschinen untersucht zu werden; das war so kompliziert und nervig, dass ich das Gefühl bekam, sie wollten einen Cyborg aus mir machen. Nachdem ich den ganzen Tag damit verbracht hatte, mich auf alle möglichen Arten körperlich untersuchen zu lassen, musste ich die Nacht wieder im Krankenhaus verbringen. Für mich würde diese Nacht eigentlich meine erste im Krankenhaus sein, und da ich noch nie in einem Krankenhaus gewesen war, konnte ich die Erfahrung wenigstens genießen.

Haruhi, Koizumi und Asahina-san wollten gerade gehen, als meine Mutter und meine Schwester das Zimmer betraten. Haruhi wirkte sehr zuvorkommend, als sie mit ihnen sprach, ich wusste gar nicht, dass sie so höflich sein kann, daher kam das wirklich überraschend.

Während ich mit meiner Mutter und meiner Schwester redete, ging mir einiges durch den Kopf.

Wenn es so weitergegangen wäre, wie zuvor, was wäre dann als nächstes passiert? Nagato, Koizumi und Asahina-san wären nur ganz normale Menschen ohne jegliche übernatürliche Fähigkeiten. Nagato wäre ein stiller Bücherwurm vom Literaturclub, Asahina-san wäre eine unerreichbare Schönheit eines höheren Jahrgangs, während Koizumi ein ganz normaler Schulwechsler an einer anderen Schule gewesen wäre.

Und Haruhi wäre vermutlich nur eine exzentrische High-School-Schülerin.

Möglicherweise konnte man auch mit dieser Besetzung eine interessante Geschichte schreiben. Es gäbe keinen Grund mehr, die Wahrheit dieser Welt zu lernen, noch müsste man sich Sorgen wegen irgendwelcher Veränderungen machen. Es wäre nur eine ganz normale Geschichte ohne Bezug zu dieser außer Kontrolle geratenen Welt.

Ich würde in dieser Geschichte wahrscheinlich überhaupt keine Rolle spielen. Alles, was ich tun könnte, wäre, friedlich mein normales High School Leben zu führen und ohne Zwischenfälle meinen Abschluss zu machen.

Mit welcher Welt wäre ich wohl glücklicher?

Ich glaube, ich kenne die Antwort darauf jetzt.

Nur in dieser "jetzigen Welt“ konnte ich glücklich sein. Warum hätte ich sonst mein Leben riskiert, nur um in diese Welt zurückzukehren?

Was ist mit dir? Welche Welt würdest du wählen? Ich bin mir sicher, dass die Antwort ziemlich offensichtlich wäre. Oder bin ich der Einzige, der so denkt?



Nachdem meine Familie nach Hause gegangen war und die Lampen auf der Krankenstation ausgemacht worden waren, konnte ich nur noch die Decke anstarren. Da ich nichts Besseres zu tun hatte, beschloss ich, meine Augen zu schließen.

Die letzten drei Tage, zumindest in dieser Welt, hatte ich, wie man mir gesagt hatte, die ganze Zeit geschlafen.

In diesem Fall...

Da die Welt so geworden war, musste sie wieder verändert worden sein.

Diese Welt war bereits zweimal verändert worden. Die von Nagato veränderte Welt war wieder zu der richtigen Welt, wie sie jetzt war, geworden. Wer also hatte die zweite Veränderung ausgelöst?

Haruhi konnte es nicht gewesen sein. Während dieser drei Tage hatte sie keine solchen Kräfte, und die Haruhi dieser Welt wusste nicht einmal, dass die Welt sich verändert hatte.

Wer konnte es dann gewesen sein?

Mein Leben zu retten, indem sie Asakuras Klinge mit der bloßen Hand auffing, es gab nur eine Person, die dazu in der Lage war.

Und das war Nagato.

Außerdem hatte ich, bevor ich das Bewusstsein verloren hatte, zwei Asahina-sans gesehen. Die zweite war nicht die erwachsene Asahina-san, sondern mein Senpai gewesen. Das war keine andere als die süße Schülerin eines höheren Jahrgangs aus der Zukunft, die mir so vertraut war.

Da war noch jemand gewesen, die mysteriöse Stimme, die am Ende zu mir gesprochen hatte. Ich wusste, dass ich diese Stimme schon mal gehört hatte

Ich versuchte, mir in Erinnerung zu rufen, wer es war, aber ziemlich schnell wurde mir klar, dass ich mich dazu gar nicht anstrengen musste.

Es war meine eigene Stimme.

"Verstehe, so ist es also gewesen."

In diesem Fall...

Ich würde noch einmal in diese Zeitebene zurückkehren müssen. Zum frühen Morgen des 18. Dezembers, und ich musste zusammen mit der Asahina-san und der Nagato dieser Zeitebene gehen.

Nur dann konnte die Welt wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden.

Asahina-san würde dafür zuständig sein, Nagato und mich in jene Zeitebene zu bringen, während es Nagatos Mission sein Würde, sich um ihr vergangenes Ich, das die letzten drei Tage auf Abwege geraten war, zu kümmern. Obwohl ich nicht wusste, ob sie dazu Haruhis Kräfte oder die der Entität des integrierten Datenbewusstseins benutzen würde.

Ich würde dabei auch eine Rolle zu spielen haben.

Das hatte ich mir sowieso gedacht. Wenn ich damals nicht meine eigene Stimme sprechen gehört hätte, wäre ich heute nicht hier. Um meine gegenwärtige Existenz zu schützen, würde ich zurückreisen müssen, und dasselbe zu meinem vergangenen Selbst sagen müssen:

"Entschuldige das. Ich habe meine Gründe, dich nicht sofort zu retten, aber hasse mich nicht dafür. Immerhin war es für mich auch schmerzhaft. Wie auch immer, wir werden uns um den Rest kümmern. Nein, ich weiß schon, was ich tun muss, und das wirst du auch. Also schlaf jetzt ein bisschen."

Wiederholt lies ich mir diese Sätze durch meinen Kopf gehen, um sie mir zu merken. Das war es, was ich gesagt hatte, wenn ich mich recht erinnerte. Obwohl ich nicht garantieren konnte, dass es Wort für Wort korrekt war, sollte die Bedeutung dieselbe sein.

Statt desjenigen Ichs, das von dem Dolch niedergestochen wurde, würde es meine vorbestimmte Rolle sein, die Nadelpistole zu benutzen.

Auch den Grund, aus dem ich mein vergangenes Ich nicht davor bewahren konnte, von Asakura niedergestochen zu werden, verstand ich. Die Stimme meines zukünfigen Ichs klang nicht so, als wäre ich eilig herbeigestürmt. Ich musste mich im Voraus irgendwo in der Nähe versteckt haben. Asahina-san und Nagato kamen ebenfalls genau im richtigen Moment heraus. Es durfte weder zu früh noch zu spät sein. Ich musste warten, bis ich von Asakura niedergestochen wurde. Woran lag das? Weil das für mein vergangenes Ich alles schon geschehen war. Um Asahina-san zu zitieren:

"Das ist ein vorbestimmtes Ereignis."



Es war inzwischen spät in der Nacht, aber ich war nicht in der Stimmung zu schlafen.

Ich wartete. Auf was ich wartete, fragst du? Natürlich wartete ich auf die einzige Person, die ich kannte, die mich noch besuchen musste. Es wäre ein Witz, wenn sie nicht auftauchen würde.

Ich lag im Bett und starrte die ganze Zeit an die Decke. Erst spät in der Nacht, als die Besuchszeit längst vorbei war, wurde meine Geduld belohnt.

Die Tür des Krankenzimmers öffnete sich langsam und das Licht vom Flur offenbarte den Schatten einer kleinen Gestalt auf dem Boden.

Dort stand die Gestalt der letzten Person, die gekommen war, um mich zu besuchen, Nagato Yuki.

Wie üblich sagte Nagato ohne jede Emotion:

"Ich bin für all das, was passiert ist, verantwortlich."

Aus irgendeinem Grund wurde ich nostalgisch, als ich ihre ruhige Stimme hörte.

"Über meine Bestrafung wird im Moment entschieden."

Ich hob meinen Kopf und fragte:

"Von wem?"

"Von der Entität des integrierten Datenbewusstseins",

sagte Nagato ruhig, als würde es um irgendjemand anderen gehen.

Natürlich hatte Nagato schon lange vorher gewusst, dass sie am Morgen des 18. Dezembers ein Chaos anrichten würde. Weil ich sie vor drei Jahren zusammen mit der erwachsenen Asahina-san besucht hatte. Sie wusste es die ganze Zeit und tat ihr möglichstes, um zu verhindern, dass es geschah. Trotzdem konnte sie die Flut nicht aufhalten. Manchmal konnte man, selbst wenn man wusste, was passieren würde, einfach nichts dagegen tun. Nein, es wäre möglich gewesen, es abzuwenden …

Ich musste plötzlich an Nagatos Verhalten und Angewohnheiten nach dem Sommer denken, die sich leicht gegenüber den vorherigen verändert hatten.

"Aber", unterbrach ich sie, "wenn du schon vor drei Jahren gewusst hattest, dass du die Kontrolle verlieren würdest, hättest du es mir doch jederzeit erzählen können, oder nicht? Egal, ob es nach dem Schulfest oder vor dem Baseballwettbewerb gewesen wäre. In diesem Fall hätte ich früher Maßnahmen zu dieser bestimmten Zeit am 18. Dezember ergreifen können. Dann wäre alles, was zu tun geblieben wäre, gewesen, alle zusammenzutrommeln und wieder drei Jahre in die Vergangenheit zu reisen."

Nagatos Gesichtsausdruck war kalt wie Eis und zeigte nicht den Hauch eines Lächelns:

"Hätte ich dir vorher davon erzählt, hätte mein außer Kontrolle geratenes Ich trotzdem all deine Erinnerungen bezüglich des Zwischenfalls löschen und die Welt verändern können. Außerdem kann niemand garantieren, dass etwas, das noch nicht passiert ist, jemals passieren wird. Das einzige, was ich tun konnte, war, dich am 18. Dezember in deinem Originalzustand zu erhalten."

"Hast du nicht ein Fluchtprogramm für mich zurückgelassen? Das war schon mehr als genug!"

Als ich ihr dankte, wurde ich langsam wütend. Aber ich war weder wütend auf Nagato, noch auf mich selbst.

Die ausdruckslose Stimme hallte durch das Krankenzimmer:

"Ich kann nicht garantieren, dass ich in Zukunft nicht noch einmal außer Kontrolle geraten werde. Solange ich weiterexistiere, wird sich die Menge meiner internen Fehler weiter erhöhen. Dies ist eine äußerst gefährliche Situation."

"UNSINN! Übermittle diese Nachricht für mich."

Als sie mich fluchen hörte, neigte Nagatos kopf sich etwa 2 Zentimeter zurück. Sie blinzelte sogar.

Ich streckte meine Hand aus und packte ihren kleinen, weißen Arm. Nagato widersetzte sich nicht.

"Sag das deinem Boss, also hör genau zu. Sollte er jemals daran denken, dich verschwinden zu lassen, dann werde ich hier die Hölle ausbrechen lassen. Ich werde dich zurückholen, egal was es kostet. Ich mag zwar keine besonderen Kräfte haben, aber ich bin ziemlich gut darin, Haruhi zu provozieren."

Ich hatte tatsächlich eine Trumpfkarte, um Haruhi zu provozieren. Alles, was ich tun musste, war, ihr zu sagen: "Ich bin John Smith."

So sieht es aus. Während meine Kräfte denen eines nutzlosen Penners entsprachen, verfügte diese Idiotin Haruhi zufälligerweise über enorme Kräfte. Falls Nagato verschwände, würde ich diesem Mädchen einfach alles erzählen, bis sie mir glauben würde. Dann würden wir unsere Reise zur Rettung Nagatos beginnen. Selbst wenn Nagatos Boss sie versteckt oder ausgelöscht haben würde, würde Haruhi einen Weg finden, den Spieß umzukehren, oder zumindest würde ich dafür sorgen, dass ihr eine Möglichkeit einfiele. Und wer weiß, vielleicht würden uns sogar Koizumi und Asahina-san helfen. Wen würde dann noch eine Datenentität aus irgendeiner unbekannten Ecke des Universums kümmern? Welchen Unterschied würde es machen, ob das Ding existiert oder nicht?

Nagato war unsere Freundin. Und wenn jemand von der SOS Brigade verschwinden würde, würde Haruhi keine Ruhe geben. Und das galt nicht nur für Nagato, wenn Koizumi oder Asahina-san oder ich plötzlich gehen würden, und sei es aus freiem Willen, würde dieses Mädchen nicht so leicht aufgeben. Sie würde alles tun, um uns zurückzubringen. So ist Suzumiya Haruhi, die aufdringliche, egozentrische, rücksichtslose und nur Probleme verursachende Königin der SOS-Brigade nun mal.

Ich blickte Nagato wütend an.

"Wenn dein Boss auf irgendeine dumme Idee kommen sollte, dann verbünde ich mich mit Haruhi und verändere die Welt komplett. Wir werden eine Welt ähnlich der an diesen drei Tagen erschaffen, in der du zwar existierst, aber die Entität des integrierten Datenbewusstseins nicht. Ich bin mir sicher, dass sie sehr enttäuscht wäre, wenn so was passieren würde. Observationsziel? Scheiß auf Observation!"

Während ich sprach, nahm meine Wut immer weiter zu.

Ich wusste nicht, wie bewusst die Entität der integrierten Daten war, aber sie sollte ziemlich intelligent sein. Sie war vermutlich eine von denen, die Pi in nur zwei Sekunden bis zur hundertmillionensten Nachkommastelle berechnen konnten, und alle möglichen Arten von fortgeschrittenen Tricks draufhatten.

Wenn das stimmt, habe ich ihm etwas zu sagen.

Sicherlich wäre es für euch ein Kinderspiel, Nagato eine menschenähnlichere Persönlichkeit zu geben. Bevor sie zu einer psychopathischen Killerin geworden war, war Asakura in der Klasse ziemlich beliebt gewesen, ganz zu Schweigen von offenherzig und freundlich. Sie hatte in den Ferien sogar einige ihrer Klassenkameraden eingeladen, mit ihr einkaufen zu gehen. Wenn ihr jemanden wie sie erschaffen könnt, warum müsst ihr aus Nagato ein einsames, kleines Schulmädchen machen, das ganz allein im Literturclubraum sitzt und ein Buch liest? Denkt ihr, wenn ihre Persönlichkeit nicht so gestaltet gewesen wäre, würde es nicht wie ein Literaturclub aussehen und dass sie nicht Haruhis Aufmerksamkeit erregt hätte? Wer hat das eigentlich entschieden?

An dieser Stelle wurde mir klar, dass ich Nagatos Hand fest umklammerte. Aber trotzdem nahm es mir das bücherliebende lebende humanoide Interface nicht übel.

Nagato blickte mich nur direkt an, und nickte dann mit ihrem Kopf:

"Ich werde die Nachricht übermitteln."

Dann fügte die ruhige Stimme sanft hinzu:

"Danke."





Epilog[edit]

Ich begann zu überlegen, was ich als nächstes machen sollte.

Die Schuljahresabschlussversammlung war zu Ende und ich hatte mein Zeugnis von Okabe-sensei erhalten, demnach war mein Schulleben in diesem Jahr beendet.

Heute war der 24. Dezember.

Die verschwundene Klasse 1-9 und ihre Schüler waren alle wiederauferstanden, einschließlich Koizumi, der in dieser Geschichte nicht oft aufgetaucht ist. Asakura war vor über einem halben Jahr aus der 1-5 verschwunden; Taniguchi befand sich immer noch im Liebestaumel; der Platz hinter mir war einmal mehr mit Haruhi besetzt und es gab in unserer Klasse keine Grippe-Epidemie mehr. Als ich Nagato in der Aula sah, trug sie keine Brille. Nach der Schuljahresabschlussversammlung stieß ich auf das schwesterliche Duo Asahina-san und Tsuruya-san, die beide gleichzeitig winkten und mich grüßten. Außerdem hatte ich mich davon heute auf meinem Schulweg überzeugt - die Kouyouen Schule war nun wieder eine angesehene private Mädchenschule für die Reichen und Berühmten.

Die Welt war wieder in ihren Ursprungszustand zurückgekehrt.

Aber vor mir lag immer noch die Entscheidung, ob ich diese Welt wirklich erhalten wollte. Ich musste immer noch mit Nagato und Asahina-san zurückkehren – zum Morgen des 18. Dezembers. Würde ich das nicht tun, dann würde die Welt niemals wiederhergestellt werden. Nur indem ich zurückkehrte, würde die Wiederherstellung möglich sein. Der Punkt war nur, dass ich mich noch nicht entschieden hatte, wann ich zurückkehren sollte. Ich musste das alles noch Asahina-san erklären. Sie hatte es wahrscheinlich von ihrem zukünftigen erwachsenen Ich erfahren. Ich habe sie in den letzten Tagen zwar gesehen, es ihr gegenüber aber mit keinem Wort erwähnt.

"Verdammt!"

Nachdem ich ohne Grund gestöhnt hatte, machte ich mich durch den Korridor auf den Weg zum Clubraum-Komplex.

Wie ein Rennwagen würde ich mich an die goldene Regel halten müssen, irgendwann zum Start zurückzukehren. Es spielte keine Rolle, ob ich zwei oder drei Runden zurücklag, daran konnte ich ohnehin nichts ändern. Die Straße und die Landschaft waren sowohl in der ersten wie in der letzten Runde die gleichen, trotzdem bedeuteten sie etwas anderes. Alles, worauf ich achten musste, war, mich nicht eliminieren zu lassen und sicher die Ziellinie zu erreichen, damit die karierte Flagge geschwenkt werden konnte.

... Vergiss es, es ist sinnlos noch mehr zu sagen.

Es war unnötig, mich zu rechtfertigen, da ich die Entscheidung, in diese Welt zurückzukehren, selbst getroffen hatte. Im Gegensatz zu Haruhis gedankenlosen Spontanaktionen, hatte ich diese Entscheidung aus freiem Willen getroffen, und mich damit selbst dazu entschlossen, ohne Sinn herumgeschleudert zu werden.

In diesem Fall musste jemand die Verantwortung übernehmen und die Sache zuende bringen.

Diese Person war nicht Nagato, es war auch nicht Haruhi, sondern ich selbst.

"Geschieht mir recht..."

Ich verfiel in Selbstmitleid und nahm eine coole Pose ein. Es war egal ob jemand mich sah, da ohnehin niemand darauf achten würde. Gerade als ich das dachte, hatte ich Blickkontakt mit irgendeiner High-School-Schülerin, die vorbeikam. Schnell wandte sie ihren Blick ab und huschte davon. Ich richtete leise einen Gruß an ihren Rücken, den sie wahrscheinlich nichtmal hören konnte:

"Frohe Weihnachten."

Wäre dies die letzte Episode einer Seifenoper, würden jetzt strahlendweiße Schneekristalle zu fallen beginnen, und der Protagonist würde eine in seiner Handfläche fangen und "Ah" oder etwas in der Art rufen. Sieht so aus, als gäbe es dieses Jahr keine Hoffnung auf weiße Weihnachten. Das heutige Wetter war wirklich überraschend, es war eigentlich ein schöner Tag.

Infolgedessen wurde ich zu einem der Hauptcharaktere. Ein Nebencharakter wäre inzwischen längst in eine der entfernten Ecken der Galaxie verschwunden und zu einem Überbleibsel der Vergangenheit geworden.

"Also, was nun?"

Erst jetzt wurde es mir klar: Ich wusste absolut nicht, was ich tun sollte. Es besteht kein Zweifel, dass ich hierher gehöre. Das ist mir bereits vor langem klar geworden. Schon seit dem Tag, als ich von Haruhi in den Literaturclub geschleppt worden war und gehört hatte, wie sie ihre unbegrenzte Übernahme des Raumes erklärte, war ich ein Teil dieses Haufens.

Genau wie die anderen Mitglieder der SOS-Brigade würde ich auf der Seite stehen, die diese Welt aktiv beschützte. Niemand hat mich dazu gezwungen, ich habe freiwillig meine Hand gehoben.

In diesem Fall gibt es nur Eines, was ich tun muss.

Es ist leichter, wieder aufzustehen, wenn man auf etwas gefallen ist, als wenn man direkt zu Boden gefallen ist, obwohl beides mit Fallen zu tun hat. Lass es mich anders formulieren: Ich muss zurückkehren und meinem anderen ich, das hingefallen ist, aufhelfen. An dem Ergebnis lässt sich erkennen, dass das zu meinem eigenen besten ist.

Ich ging die Treppen hoch und machte mir über die heute bevorstehenden Aktivitäten Gedanken. Haruhi und Asahina-san waren dafür verantwortlich, die Zutaten zu kaufen. Mir blieb es dank der Tatsache, dass ich im Krankenhaus gelegen hatte, erspart, den menschlichen Einkaufswagen zu spielen. Ich glaubte nicht, dass es etwas damit zu tun hatte, dass Haruhi Gnade walten lies, stattdessen wollte sie das Menü bis zum letzten Moment geheimhalten, um dann alle zu überraschen - zumindest war es das, was ich dachte. Vielleicht würde sie sogar ihre Erfahrungen von der einsamen Insel verwenden, um eine billige und große "Eintopf im Dunkeln Weihnachtsparty" zu veranstalten.

Ich fragte mich was wir für Zutaten benutzen würden. Da Haruhi die Chefköchin war, würde sie vermutlich etwas An- und Aufregendes bevorzugen. Wer weiß, vielleicht würde sie sich sogar einen experimentellen Eintopf ausdenken, den die menschliche Küche noch nie zuvor gesehen hatte. Aber egal, was im Topf landen würde, es sollte essbar sein, sobald es gekocht war. Selbst Haruhi dürfte nicht dumm genug, etwas in den Topf zu werfen, das sie nicht verdauen konnte. Allerdings sähe die Sache anders aus, wenn sie den Magen eines Monsters hätte. Haruhi mag exzentrisch sein, aber bestimmt besteht ihr Magen aus demselben Material wie der eines normalen Menschen, nicht? Das einzige an ihr, was menschliche Standards übersteigt, ist wahrscheinlich ihr Gehirn.

Allerdings musste ich mir vor der Eintopf-Party noch das Rentier-Kostüm anziehen und irgendeine unterhaltsame Vorstellung abliefern. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie es sich anfühlt, darüber nachzudenken, was alles Bestandteil der Aufführung werden würde.

"Mannomann."

Das deprimierte Seufzen, von dem ich mich erst vor einem Monat verabschiedet hatte, war wieder einmal aus meinem Mund gekommen. Ach, sei nicht so pingelig. Sie mögen gleich klingen, aber was ich sage, kann unterschiedliche Bedeutungen annehmen, wenn man es unterschiedlich interpretiert.

Ich rechtfertigte mich vor mir dafür, diese Phrase wieder verwendet zu haben, während ich ein unumgängliches vorbestimmtes Ereignis in dem Tagebuch in meinem Kopf notierte.

Dieses vorbestimmte Ereignis war etwas, was ich tun musste, wenn ich in dieser Welt bleiben wollte.


Ich muss demnächst die Zeit finden, um zurückzureisen und die Welt wiederherzustellen.


Als ich mich dem Clubzimmer näherte, wehte mir der Geruch des Essens in die Nase. Schon das reichte aus, um mich satt zu machen. Woher kam dieses Gefühl der Zufriedenheit? Ich würde irgendwann später zurückgehen und mich um den Schlamassel kümmern müssen, aber trotzdem fühlte ich mich schon so zufrieden, noch bevor ich überhaupt etwas gemacht hatte. War ich nicht etwas zu einfach zufriedenzustellen?!


Ach was, halb so wild. Vorher


Ist noch Zeit. Der für die Operation Verantwortliche würde mein zukünftiges Ich sein, allerdings war es weder das Ich aus einer weit entfernten Zukunft, noch das Ich in ein paar Sekunden.

Ich ergriff die Türklinke des Literaturclubs und stellte der Welt eine Frage:

He, stört es dich, noch eine Weile zu warten? Kannst du noch ein wenig länger warten, bevor ich zurückgehe, um dich wiederherzustellen?


Zumindest...


Bis ich Haruhis Eintopf probiert habe. Danach sollte es noch nicht zu spät sein, oder?





Anmerkungen des Autors[edit]

Anstelle meiner eigenen Ansichten möchte etwas über eine Erinnerung von mir schreiben, ich bitte um Euer Verständnis.



Ich hatte in der sechsten Klasse einen Mitschüler, den man wohl als Genie bezeichnen konnte. Er war der Anführer der Klasse, besaß einen hellen Verstand, stammte aus guten Familienverhältnissen und war wirklich gut darin, eine für alle heitere Atmosphäre zu schaffen. Der Grund, aus dem sich dieser extrem beliebte Mitschüler mit einem blendenden, heiligen Leuchten über seinem Kopf sich mit mir anfreundete, war, dass wir die gleichen Interessen besaßen. Wir beide liebten es, zu fischen und ausländische Thrillerromane zu lesen.

Immer wenn die Klasse in Gruppen aufgeteilt werden musste, landete ich mit ihm zusammen in einer Gruppe, wobei er natürlich der Anführer war. Einmal, als die Schule ein Fest veranstaltete, musste für jede Klasse eine Gruppe stellvertretend etwas für den ganzen Jahrgang aufführen. Unser Team wusste nicht, was es aufführen sollte, und als uns überhaupt keine Ideen kamen, schlug er vor: "Lasst uns ein Theaterstück aufführen." Und danach fing er an, das Drehbuch zu schreiben. Ich werde nie vergessen, wie heftig ich lachen musste und wie ich mich sogar über den Boden kugelte, als ich das Drehbuch las. Ich hätte nie gedacht, dass etwas derart Lustiges existierte!

Unsere Vorstellung hielt sich wortgetreu an sein komödiantisches Drehbuch. Nachdem sie unser Stück gesehen hatten, lachte der gesamte sechste Jahrgang, sogar die Lehrer. Letztendlich belegte unsere Gruppe den ersten Platz, wir bekamen sogar eine hölzerne Schildskulptur als Auszeichnung. Ich kann mich immer noch lebhaft daran erinnern, was für einen Charakter ich gespielt habe.

Später gingen wir zusammen auf die gleiche Junior High. Aber danach meldete er sich auf eine weit entfernten High School an, und danach bei einer noch weiter entfernten Universität.

Ich fragte mich immer wieder, ob ich jemals in der Lage sein würde, alle so hemmungslos zum Lachen zu bringen, wie er es konnte. Und ich fragte mich auch, ob sein Drehbuch mein Leben verändert hatte...

Dieser Gedanke hatte sich in meinem Geist festgesetzt und begann in meinem Gedächtnis Wurzeln zu schlagen.



... Sieht aus, als wäre hier noch etwas Platz. Dann kann ich auch von einer zweiten Erinnerung schreiben.



In der High School war ich kurzzeitig Mitglied im Literaturclub. Da ich auch noch in einem anderen Club Mitglied war, der für mich eine höhere Priorität besaß, konnte ich nur einmal pro Woche in den Literaturclub gehen. Der Literaturclub traf sich aber sowieso nur montags, da die einzigen Mitglieder ein Mädchen aus einem Jahr über mir und ich waren. Als ich das erste Mal an die Tür klopfte, sah ich sie mit ihrer Brille, mit der sie sehr belesen aussah. Dies war das einzige Mitglied und außerdem der Präsident des Literaturclubs. Ich habe völlig vergessen was sie damals zu mir sagte, wahrscheinlich hat sie nie auch nur ein einziges Wort gesagt.

Nachdem ich eine Weile Mitglied war begannen wir mit der Arbeit an einer Zeitschrift, die von dem Club herausgebracht wurde. Ich habe keine große Lust, mir in Erinnerung zu rufen, was ich geschrieben habe, ich weiß nur, dass es keine Romane waren. Ich war auch für die Gestaltung des Titelbildes verantwortlich, woran ich mich auch nicht gerne erinnere. Es war unmöglich, dass wir beiden allein die Seiten der Zeitschrift füllten, also bat Sempai ein paar ihrer Freunde darum, ein paar Artikel zu schreiben. Obwohl es alles Leute waren, die ich nicht kannte, hinterließ einer der Namen bei mir einen tiefen Eindruck, an den ich mich noch heute erinnere.

Als Sempai ihr drittes Jahr erreichte, entschloss sie sich, den Club zu verlassen, um sich auf das Lernen zu konzentrieren. Gleichzeitig traten fünf neue Mitglieder bei. Ich wusste nicht wirklich, warum so viele dazukamen. Ich hatte soviel Spaß in dem anderen Club, dass ich bald aufhörte, den Literaturclub zu besuchen.

Das nächste Mal, dass ich Sempai sah, war bei ihrem Schulabschluss. Ich kann mich nicht daran erinnern, worüber wir damals gesprochen haben. Vermutlich war es nur normales Geplauder, und danach verschwand sie aus meiner Erinnerung. Das Letzte, was ich von ihr sah, war ihr Rücken als sie wegging.

Was den Namen dieses Sempais angeht, daran konnte ich mich nie erinnern. Wahrscheinlich erinnert sie sich auch nicht an meinen Namen. Aber ich bin sicher, dass sie sich daran erinnert, dass damals eine Person wie ich in ihrem Club existierte.

Denn auch ich erinnere mich daran, dass damals eine Person wie sie im Club existierte.


... Nachdem ich nun die ganz Autoren-Anmerkungsseite für zwei scheinbar erfundene und unpassende Erinnerungen verschwendet habe, merke ich erst wie tief ich gesunken sein muss. Aus einer anderen Perspektive betrachtet, war das Ausgraben einiger alter, lustiger Erinnerungen nicht der Rede wert, es gab andere Dinge, die mir solche Kopfschmerzen bereitet haben, dass ich dachte, ich würde zusammenbrechen... Obwohl mir klar wurde, dass sich all das letztendlich aufklären würden, daher war es eine sinnlose Aktion, wie sich etwa bei einem Fußball, der in einen Fluss gefallen ist, zu fragen, wo der Fluss ihn hintragen würde. Ich könnte meine Energie genausogut für etwas Sinnvolleres nutzen.

Zum Abschluss möchte ich mich bei den Verlegern und allen, die an der Veröffentlichung dieses Buches beteiligt gewesen sind, bedanken. Mein aufrichtigster Dank gilt allen Lesern. Mögen wir uns wiedertreffen.


Tanigawa Nagaru