Difference between revisions of "Katanagatari (German)/Buch 1/Zettou Kanna 1"

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Zwanzig Jahre zurück, als eine Familie von Shinso aus übersetzte – gaben sie diesem Ort den Namen Fushoujima<ref>不承島 FUSHŌJIMA "Missbilligte/Abgelehnte Insel"</ref>. Sie waren die einzigen drei Seelen auf der Welt die einen Grund hatten sie zu benennen.
 
Zwanzig Jahre zurück, als eine Familie von Shinso aus übersetzte – gaben sie diesem Ort den Namen Fushoujima<ref>不承島 FUSHŌJIMA "Missbilligte/Abgelehnte Insel"</ref>. Sie waren die einzigen drei Seelen auf der Welt die einen Grund hatten sie zu benennen.
 
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Shichika Yasuri…<ref>鑢 七花 YASURI SHICHIKA "Siebte Blume der Akte" Die siebte Generation der Kyotouryu. Sein Familienname erinnert an ein Werkzeug, mit dem andere Geräte geschliffen oder abgerieben werden können</ref>
Shichika Yasuri…
 
   
 
Sein Name.
 
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Er drehte sich nervös und verlegen um, versuchte wegzugucken, aber schaffte es nicht. Mit drehenden Augen, dem Gesicht eines Kindes, dass auf frischer Tat ertappt wurde. Aber Shichika war zu alt, wenn auch nicht viel, um für ein Kind gehalten zu werden, außerdem war kein Kind so gut gebaut. Genau genommen tat er nichts Falsches, aber als die Stimme aus der Hütte - seine ältere Schwester Nanami – in seine Ohren drang, war er so gut wie schuldig.
 
Er drehte sich nervös und verlegen um, versuchte wegzugucken, aber schaffte es nicht. Mit drehenden Augen, dem Gesicht eines Kindes, dass auf frischer Tat ertappt wurde. Aber Shichika war zu alt, wenn auch nicht viel, um für ein Kind gehalten zu werden, außerdem war kein Kind so gut gebaut. Genau genommen tat er nichts Falsches, aber als die Stimme aus der Hütte - seine ältere Schwester Nanami – in seine Ohren drang, war er so gut wie schuldig.
   
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Nanami Yasuri.<ref>鑢 七実 YASURI NANAMI "Siebte Frucht der Akte</ref>
Nanami Yasuri.
 
   
Anders als ihr wilder jüngerer Bruder, war Nanami das Abbild von Anmut und Anstand. Ihr Gesicht und ihre Präsenz hatten eine Anziehungskraft wie Porzellan – jedoch lag in ihrer
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Anders als ihr wilder jüngerer Bruder, war Nanami das Abbild von Anmut und Anstand. Ihr Gesicht und ihre Präsenz hatten eine Anziehungskraft wie Porzellan – jedoch lag in ihrer Schönheit und Sänfte auch etwas Fragiles, Zerbrechliches. In der Tür lehnend, nur mit einem Haori<ref>羽織 HAORI kurze, über Kimono getragene Robe</ref> über ihrem Nachgewand, beobachtete sie Shichika mit einem kalten Blick.
Schönheit und Sänfte auch etwas Fragiles, Zerbrechliches. In der Tür lehnend, nur mit einem Haori über ihrem Schlüpfer, beobachtete sie Shichika mit einem kalten Blick.
 
   
 
Ohne Emotion in der Stimme.
 
Ohne Emotion in der Stimme.
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:„Hm.“, Nanami lächelte. „Ich hatte keine Ahnung, dass du Vater so sehr vermisst.“
 
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:„Schwesterchen.“
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:„Schwesterchen.“<ref>姉ちゃん Nee-chan</ref>
   
 
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:„Was? Mach schon. Wenn du Wasser holen willst, dann geh und hol es. Wir können später darüber reden. Für so etwas ist es zu früh. Ich mache Frühstück. Ist das Wasser ganz leer?“
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Über die einsame Insel.
 
Über die einsame Insel.
 
   
 
So einsam wie sie war, hatte sie doch frisches Wasser – ansonsten wäre seine Familie schon vor Jahren an Durst gestorben. Aber das Wasser war nicht in aus einem Fluss, oder einem Brunnen. Es entsprang aus einer Quelle auf dem Berg. Da die Insel eine einzige Bergmasse war, konnte man schwer sagen, was Berg war und was nicht (und eigentlich war so gut wie alles, außer der Strände und der Lichtung, wo sie ihre Hütte hatten, Berg), aber die fragliche Quelle saß jenseits eines besonders tückischen Passes – kein Ort, an den er seine Schwester für Wasser hinschicken Würde. In dem Jahr seit dem Tod seines Vaters hatte Shichika das Wasser immer im Stillen wiederaufgefüllt, aber es sah so aus, als hätte sie es letztendlich doch bemerkt. Bald würde sie auch all die anderen niederen Aufgaben herausfinden, die er im Geheimen ausgeführt hatte – aber was konnte er machen. Es war ein Wunder, dass ein Stumpfsinniger wie er, einen so scharfsinnigen, wie seine Schwester, so lange hatte täuschen können.
 
So einsam wie sie war, hatte sie doch frisches Wasser – ansonsten wäre seine Familie schon vor Jahren an Durst gestorben. Aber das Wasser war nicht in aus einem Fluss, oder einem Brunnen. Es entsprang aus einer Quelle auf dem Berg. Da die Insel eine einzige Bergmasse war, konnte man schwer sagen, was Berg war und was nicht (und eigentlich war so gut wie alles, außer der Strände und der Lichtung, wo sie ihre Hütte hatten, Berg), aber die fragliche Quelle saß jenseits eines besonders tückischen Passes – kein Ort, an den er seine Schwester für Wasser hinschicken Würde. In dem Jahr seit dem Tod seines Vaters hatte Shichika das Wasser immer im Stillen wiederaufgefüllt, aber es sah so aus, als hätte sie es letztendlich doch bemerkt. Bald würde sie auch all die anderen niederen Aufgaben herausfinden, die er im Geheimen ausgeführt hatte – aber was konnte er machen. Es war ein Wunder, dass ein Stumpfsinniger wie er, einen so scharfsinnigen, wie seine Schwester, so lange hatte täuschen können.
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Als sie sagte, die kalte Luft fühle sich gut an, könnte das bedeuten, dass sie Fieber bekommt?
 
Als sie sagte, die kalte Luft fühle sich gut an, könnte das bedeuten, dass sie Fieber bekommt?
Nanami war gebrechlich. So viel war sicher - in der Nacht begegnet, könnte man sie leicht mit einer Erscheinung verwechseln, wenn nicht sogar mit einem echten Geist. Es ging ihr so gut – nicht, dass es ihm zu verdanken war, durch das Erledigen der Arbeiten – doch jetzt, da sie seine Machenschaften entdeckt hatte, bezweifelte er, dass sie zuhören würde, wenn er ihr sagte, sie solle zu Hause bleiben und sich ausruhen. Eher würde sie sich überanstrengen, im Versuch zu kompensieren. Im Gegenteil zu ihrem trägen Bruder hasste sie nichts weiter als still zu sitzen. Auf den ersten Blick mag man denken, dass ihre Lethargie Ähnlichkeiten mit ihrem Bruders aufwies, aber an der Wurzel waren diese Stimmungen nicht miteinander verbunden. Ihre war ganz einfach eine Folge der Kränklichkeit.
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Nanami war gebrechlich. So viel war sicher - in der Nacht begegnet, könnte man sie leicht mit einer Erscheinung<ref>生霊 IKIRYŌ "lebender Geist" Erscheinung einer lebenden Person</ref> verwechseln, wenn nicht sogar mit einem echten Geist<ref>死霊 SHIRYŌ "toter Geist" Geist einer toten Seele</ref>. Es ging ihr so gut – nicht, dass es ihm zu verdanken war, durch das Erledigen der Arbeiten – doch jetzt, da sie seine Machenschaften entdeckt hatte, bezweifelte er, dass sie zuhören würde, wenn er ihr sagte, sie solle zu Hause bleiben und sich ausruhen. Eher würde sie sich überanstrengen, im Versuch zu kompensieren. Im Gegenteil zu ihrem trägen Bruder hasste sie nichts weiter als still zu sitzen. Auf den ersten Blick mag man denken, dass ihre Lethargie Ähnlichkeiten mit ihrem Bruders aufwies, aber an der Wurzel waren diese Stimmungen nicht miteinander verbunden. Ihre war ganz einfach eine Folge der Kränklichkeit.
   
 
Sie würde lieber arbeiten. Immer.
 
Sie würde lieber arbeiten. Immer.
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-Sie waren wie Bogen und Schnur.
 
-Sie waren wie Bogen und Schnur.
   
Oder besser gesagt, ein reparierter Deckel auf einem zerbrochenen Topf.
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Oder besser gesagt, ein reparierter Deckel auf einem zerbrochenen Topf.<ref>割れ鍋に綴じ蓋 WARENABE NI TOJIBUTA Japanisches Sprichwort</ref>
   
 
Für Shichika waren die Dinge so, wie sie waren, und was auch immer passierte, passierte - Punkt. Seiner Ansicht nach war es am besten, erst zu wagen, dann zu wägen.
 
Für Shichika waren die Dinge so, wie sie waren, und was auch immer passierte, passierte - Punkt. Seiner Ansicht nach war es am besten, erst zu wagen, dann zu wägen.

Revision as of 18:43, 25 April 2021

Fushoujima

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In Tango, jenseits des Meeres, das sich vor den Klippen von Shinso erstreckt, liegt eine Insel am Horizont. Winzig, nur etwa 15 Kilometer im Umfang. Wenige der Bewohner von Shinso wussten, dass es sie gab – und jenen die es taten, war sie egal. Warum sollte die Insel sie kümmern? Sie war auf keiner der Karten, und hatte keinen Namen. Niemand hatte das Bedürfnis eine weitere leere Insel inmitten von weiteren leeren Inseln zu benennen.

Leer…War sie das?

Sie war es, bis vor gut 20 Jahren.

Zwanzig Jahre zurück, als eine Familie von Shinso aus übersetzte – gaben sie diesem Ort den Namen Fushoujima[1]. Sie waren die einzigen drei Seelen auf der Welt die einen Grund hatten sie zu benennen.

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„Wie lästig…“[2]

Es war Morgengrauen.

Vor einer heruntergekommenen, nahe des Zentrums der Insel gebauten Hütte, saß grummelnd ein Mann, in Lumpen gekleidet, zerzaustes Haar auf dem Rücken. Noch nicht ganz wach, murmelte er vor sich hin und hantierte mit einem Gegenstand.

Einem Eimer.

Groß und Rund.

Vielleicht eher ein Fass – und ähnlich schludrig zusammengezimmert wie die Hütte. Auf den ersten Blick könnte man es mit einem zusammengebundenen Haufen Stöcke verwechseln, doch die Nähte hatten nicht die kleinste Lücke, aus der Wasser herausdringen könnte. Er warf eine Schöpfkelle in den Eimer und befestigte ihn mithilfe der Seile, die ihn zusammenhielten, auf dem Rücken.

Wie lästig, dachte er, diesmal ohne die Worte auszusprechen.

Er war nicht wütend – hatte nichts gegen den Eimer oder die Kelle. Für ihn war so gut wie alles, standardmäßig, lästig. Aufstehen? Absolut. Aber sogar abends die Augen zum Schlafen gehen zu schließen. Lästig.

„Legen wir mal los.“

Auch wenn er nicht stehenblieb, wirkte er wenig erfreut darüber, stehen zu müssen. Mit schläfrigen Augen drehte er sich um, in Richtung des Berges-

Im Selben Moment öffnete sich die knarzende Tür der Hütte.

„Shichika…“

Sagte jemand von innerhalb.

Shichika Yasuri…[3]

Sein Name.

„Wohin gehst du Shichika?“
„Äh…“

Er drehte sich nervös und verlegen um, versuchte wegzugucken, aber schaffte es nicht. Mit drehenden Augen, dem Gesicht eines Kindes, dass auf frischer Tat ertappt wurde. Aber Shichika war zu alt, wenn auch nicht viel, um für ein Kind gehalten zu werden, außerdem war kein Kind so gut gebaut. Genau genommen tat er nichts Falsches, aber als die Stimme aus der Hütte - seine ältere Schwester Nanami – in seine Ohren drang, war er so gut wie schuldig.

Nanami Yasuri.[4]

Anders als ihr wilder jüngerer Bruder, war Nanami das Abbild von Anmut und Anstand. Ihr Gesicht und ihre Präsenz hatten eine Anziehungskraft wie Porzellan – jedoch lag in ihrer Schönheit und Sänfte auch etwas Fragiles, Zerbrechliches. In der Tür lehnend, nur mit einem Haori[5] über ihrem Nachgewand, beobachtete sie Shichika mit einem kalten Blick.

Ohne Emotion in der Stimme.

„Ich habe gefragt, wohin du gehst.“
„Es sah so aus, als, äh, hätten wir kein Wasser mehr, also dachte ich, ich geh und hol neues. Geh zurück in Bett. Du solltest nicht hier draußen sein, so angezogen. Du erkältest

dich noch.“

„Sagt derjenige, der nicht mal ein Hemd trägt. Mir geht es gut. Es reicht, um mich abzukühlen. Die kalte Luft fühlt sich gut auf meiner Haut an. Außerdem, ich sollte heute die Hausarbeit erledigen.“
„Ja, ich weiß. Ich meine-“, stotterte Shichika, „Das wusste ich nicht“. Er zitterte in seinen Sandalen. „Macht das wirklich einen Unterschied? Sie es als Teil meines Trainings an.“
„Shichika.“

Ihre Stimme war kalt.

Bereit jede Entschuldigung abzulehnen.

Es ließ ihn schnell verstummen.

„Wie oft soll ich es dir noch sagen? Hör auf mich so edel zu behandeln.“
„Ich – wollte nicht.“
„Ich bin auch in der Lage Wasser zu holen. Du wurdest nicht dazu erzogen so aufdringlich zu sein. Und all das Training?“, seufzte Nanami abweisend. „Zwecklos.“
„Was macht es Zwecklos-“
„Alles. Warum trainieren, wenn du das Ende der Tradition bist?“
„…“

Nanami seufzte wieder.

Sie war gut im Seufzen.

„Niemand will, dass du den Helden spielst.“
„Klar, naja, danke für den Rat. Ich gebe mein Bestes. Gestern hab‘ ich mir eine neue Fatale Orchidee ausgedacht. Diese ist echt der Hammer.“
„Shichika.“

Nanami würde ihn nicht das Thema ändern lassen.

„…Was?“, fragte er.
„Es ist schon ein Jahr her, dass Vater gestorben ist. Denkst du nicht es ist Zeit?“
„Zeit wofür?“
„Wenn du einen Eimer bauen kannst,“, sagte sie flach, in Richtung der Konstruktion auf seinem Rücken zeigend, „Bin ich sicher, dass du ein Boot bauen kannst. Vater war derjenige, der verbannt wurde. Ich würde es nie nach Drüben schaffen, aber du…“
„Mach dich nicht lächerlich.“. Das war zu viel für ihn. Shichika reichte es langsam. „Ich verstehe, was du meinst. Genau wie du bin ich schon auf dieser Insel, solange ich denken kann – aber ich kann nicht einfach so mir nichts dir nichts aufs Festland gehen. Ich wäre verloren, könnte links und rechts nicht unterscheiden. Ich würde irgendwo tot im Graben landen.“
„Trotzdem,“, sagte Nanami.
„Trainieren ist vielleicht sinnlos. Das stimmt. Aber die Schule ist das Einzige, was Vater mir hinterlassen hat – Ich werde die Tradition solange aufrechterhalten, wie ich es kann.
„Hm.“, Nanami lächelte. „Ich hatte keine Ahnung, dass du Vater so sehr vermisst.“
„Schwesterchen.“[6]
„Was? Mach schon. Wenn du Wasser holen willst, dann geh und hol es. Wir können später darüber reden. Für so etwas ist es zu früh. Ich mache Frühstück. Ist das Wasser ganz leer?“
„Ein bisschen haben wir noch.“
„Alles klar,“ , sagte sie. „Du kannst mir deine neue Technik später zeigen.“

Nanami trat zurück in die Hütte und schloss die Tür.

Sie gehen zu sehen war so eine Erleichterung für Shichika, dass er aufatmete. Und für einen Mann seiner Größe war das nicht gerade ein gutes Zeichen. Seine Schwester beschämte ihn.

„Ich wusste irgendwann würde sie es ansprechen, und heute ist es wohl so weit. Aber sie weiß nicht, wovon sie da spricht. Ein Eimer ist etwas ganz anderes als ein Boot.“

Ihr Vater hätte vielleicht ein Boot bauen können. Vor zwanzig Jahren hatte er die Hütte gebaut – mit seinen eigenen Händen.

Aber Shichika? Keine Chance.

Nicht ohne eine einzige Klinge auf der gesamten Insel.

Das war keine Übertreibung.

Shichika und Nanami waren gebunden.

An diese Insel.

An ihren Vater.

Und seine Schule.

„…“

Vermisste er ihn?

Tat er das wirklich?

Als er sagte, dass das Wasserholen Teil seiner Ausbildung sei, war das ernst gemeint (das musste es), aber es überraschte ihn, dass seine Schwester die Gefühle für seinen Vater erwähnte.

Er war ein toller Mann. Man nannte ihn den Helden der Rebellion.

Im Vergleich zu ihm hatte Shichika nichts erreicht.

Fairerweise muss man sagen, dass Shichika die meiste Zeit seines Leben auf Fushoujima verbracht hatte und bisher keine Chance hatte tollkühne Heldentaten zu vollbringen – dennoch gab ihm dies ein anhaltendes Gefühl der Minderwertigkeit.

Die Tradition weiterführen-

Sein Vater hatte ihn bis zu seinem Tod trainiert.

Es war die Schule seines Vaters. Das gab dem Training einen Sinn.

Aber Nanami hatte recht. Wenn Shichika weiter auf dieser Insel vor sich hin rottete, würde die Schule mit ihm aussterben. Nanami war vielleicht diejenige, die es angesprochen hatte, aber er dachte auch daran. Verdammt, selbst ihr Vater musste es gewusst haben – der Tag würde kommen.

Wie auch immer.

Jedenfalls.

Shichika wusste nicht von der Außenwelt-

Und wollte es auch nicht lernen.

Warum die Mühe – so lästig.

„…Los geht’s.“

Er rückte den Eimer auf seinem Rücken zurecht und ging in Richtung des Berges.

Über die einsame Insel.

So einsam wie sie war, hatte sie doch frisches Wasser – ansonsten wäre seine Familie schon vor Jahren an Durst gestorben. Aber das Wasser war nicht in aus einem Fluss, oder einem Brunnen. Es entsprang aus einer Quelle auf dem Berg. Da die Insel eine einzige Bergmasse war, konnte man schwer sagen, was Berg war und was nicht (und eigentlich war so gut wie alles, außer der Strände und der Lichtung, wo sie ihre Hütte hatten, Berg), aber die fragliche Quelle saß jenseits eines besonders tückischen Passes – kein Ort, an den er seine Schwester für Wasser hinschicken Würde. In dem Jahr seit dem Tod seines Vaters hatte Shichika das Wasser immer im Stillen wiederaufgefüllt, aber es sah so aus, als hätte sie es letztendlich doch bemerkt. Bald würde sie auch all die anderen niederen Aufgaben herausfinden, die er im Geheimen ausgeführt hatte – aber was konnte er machen. Es war ein Wunder, dass ein Stumpfsinniger wie er, einen so scharfsinnigen, wie seine Schwester, so lange hatte täuschen können.

-Ihr Gesicht.

Sie sah ein wenig blass aus.

Und das nicht wegen der frühen Stunde.

Nur ihr Bruder hätte es bemerken können, da ihr Teint sogar an normalen Tagen nicht nur klar und weiß, sondern schon fast himmelblau war.

-Trotzdem.

Was, wenn sie wieder krank ist?

Als sie sagte, die kalte Luft fühle sich gut an, könnte das bedeuten, dass sie Fieber bekommt? Nanami war gebrechlich. So viel war sicher - in der Nacht begegnet, könnte man sie leicht mit einer Erscheinung[7] verwechseln, wenn nicht sogar mit einem echten Geist[8]. Es ging ihr so gut – nicht, dass es ihm zu verdanken war, durch das Erledigen der Arbeiten – doch jetzt, da sie seine Machenschaften entdeckt hatte, bezweifelte er, dass sie zuhören würde, wenn er ihr sagte, sie solle zu Hause bleiben und sich ausruhen. Eher würde sie sich überanstrengen, im Versuch zu kompensieren. Im Gegenteil zu ihrem trägen Bruder hasste sie nichts weiter als still zu sitzen. Auf den ersten Blick mag man denken, dass ihre Lethargie Ähnlichkeiten mit ihrem Bruders aufwies, aber an der Wurzel waren diese Stimmungen nicht miteinander verbunden. Ihre war ganz einfach eine Folge der Kränklichkeit.

Sie würde lieber arbeiten. Immer.

Krank wie sie war.

Oder vielleicht war die Krankheit gerade der Grund - Menschen wollen, was sie nicht haben können, und sehnen sich danach, das zu tun, was sie nicht können. Dies war sicherlich bei Nanami der Fall.


Shichika war anders. Er hasste, was er hatte, und war abgeneigt, die Dinge zu tun, die er konnte.

Mein Vater-

-der Held.

Genug nachgedacht. Er schloss die Augen.

Sein Kopf tat weh.

Shichika war kein Denker. Logik war nicht seine Stärke. Wenn es etwas gab, das er hasste oder verabscheute, waren es komplizierte Erklärungen.

Das war das Territorium seiner Schwester.

-Sie waren wie Bogen und Schnur.

Oder besser gesagt, ein reparierter Deckel auf einem zerbrochenen Topf.[9]

Für Shichika waren die Dinge so, wie sie waren, und was auch immer passierte, passierte - Punkt. Seiner Ansicht nach war es am besten, erst zu wagen, dann zu wägen.

„Hm?“

Er bemerkte etwas.

Shichika kannte diese Insel besser als jeder andere, jetzt wo sein Vater weg war - und vielleicht sogar zu Lebzeiten seines Vaters. Die Insel war so klein. Er kannte alles bis zum letzten Grashalm. Wenn sich etwas änderte, auch nur geringfügig, bemerkte er es.

„...“

Eine Änderung der Erde.

Fußabdrücke - klein, aber menschlich.

  1. 不承島 FUSHŌJIMA "Missbilligte/Abgelehnte Insel"
  2. 面倒 MENDŌ Problematisch/Ärger/Lästig
  3. 鑢 七花 YASURI SHICHIKA "Siebte Blume der Akte" Die siebte Generation der Kyotouryu. Sein Familienname erinnert an ein Werkzeug, mit dem andere Geräte geschliffen oder abgerieben werden können
  4. 鑢 七実 YASURI NANAMI "Siebte Frucht der Akte
  5. 羽織 HAORI kurze, über Kimono getragene Robe
  6. 姉ちゃん Nee-chan
  7. 生霊 IKIRYŌ "lebender Geist" Erscheinung einer lebenden Person
  8. 死霊 SHIRYŌ "toter Geist" Geist einer toten Seele
  9. 割れ鍋に綴じ蓋 WARENABE NI TOJIBUTA Japanisches Sprichwort