Sword Art Online: Progressive/Volume 1/Arie einer sternenlosen Nacht/Kapitel 2

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Kapitel 2[edit]

BEVOR SIE AUF DEM BODEN AUFKAM,

war der einzige Gedanke, der ihr durch den Kopf ging, die banale Frage: „Was passiert wohl, wenn man in einer virtuellen Welt bewusstlos wird?“

Der Verlust des Bewusstseins ist ein kurzzeitiges Ausschalten des Gehirns, ausgelöst durch ein plötzliches Nachlassen der Blutzirkulation. Blut kann aufgrund einer Vielzahl an Ursachen aufhören zu Zirkulieren – Herz- oder Ader-Versagen, Anämie, niedriger Blutdruck, Hyperventilation – in einem VR Full Dive aber, war der physische Körper völlig stationär, in einem Bett oder Sessel. Außerdem wurde wahrscheinlich jeder, der in diesem Todesspiel feststeckte, in eine Medizinische Einrichtung in der Nähe transferiert, wo man regelmäßigen Kontrollen und der Verabreichung notwendiger Medikamente und Flüssigkeiten ausgesetzt war. Es war schwer sich vorzustellen, dass jemand aus rein physischen Ursachen in Ohnmacht fiel.

Diese Gedanken gingen durch ihr schwindendes Bewusstsein und akkumulierten sich schließlich zu einer einfachen Aussage: Es ist mir einfach nur noch egal.

Nichts war von Bedeutung. Sie würde hier sterben. Wenn sie inmitten eines von Monstern patrouillierten Labyrinths in Ohnmacht fiel, war es unmöglich, dass sie es sicher heraus schaffen würde. Es war ein anderer Spieler in der Nähe, aber der würde niemals sein eigenes Leben riskieren, nur um einen Fremden zu retten.

Außerdem, wie sollte er sie retten? Das Gewicht, dass ein Spieler in dieser virtuellen Welt tragen konnte, war streng von einem Spielsystem kontrolliert. Tief in einem gefährlichen Dungeon wie diesem, würde jeder Spieler schwer mit Tränken und Notvorräten beladen sein, ganz zu schweigen von dem Loot, den man auf dem Weg angesammelt hätte. Es war unmöglich, sich vorzustellen, dass jemand zusätzlich zu alledem noch einen menschlichen Körper herumtragen könnte.

Dann realisierte sie etwas.

Für fliehende Gedanken kurz vor der Ohnmacht, hielten sie gewiss ganz schön lange an. Plus, unter ihr war nur harter Stein gewesen, warum spürte sie also etwas so Weiches gegen ihren Rücken drücken? Sie fühlte sich warm, irgendwie. Es kitzelte ihr sogar eine leichte Brise über die Wange.

Im nächsten Moment schnellten ihre Augen auf.

Sie war nicht in einem feuchten Dungeon, umgeben von kalten Steinwänden. Es war eine Lichtung inmitten eines Waldes, umgeben von uralten, mit goldenem Moos bewachsenen Bäumen und dornigen Büschen, die kleine Blümchen trugen. Sie war bewusstlos gewesen – nein, sie hatte geschlafen – auf einem Bett aus Gras, so weich wie ein Teppich, in der Mitte der runden Lichtung, etwa 7 Meter von einer Seite zur anderen.

Aber…wie? Sie hatte tief in diesem Dungeon ihr Bewusstsein verloren, also wie konnte sie den ganzen Weg zu diesem Außenbereich gekommen sein?

Die Antwort war neunzig Grad rechts von ihr.

Dort kauerte ein grauer Schatten, unter einem besonders großen Baum, am Rande der offenen Fläche. Er wog ein großes Schwert in beiden Händen und ruhte mit dem Kopf auf der Scheide. Sein Gesicht lag versteckt hinter einem längeren, schwarzen Pony, aber dem Equipment und Profil nach zu urteilen, musste es der Spieler sein, der Momente, bevor sie das Bewusstsein verlor, mit ihr gesprochen hatte.

Er musste irgendeinen Weg gefunden haben, sie aus dem Dungeon, und in diesen Wald zu tragen. Sie suchte entlang der Baumwipfel, bis sie ein paar hundert Meter entfernt auf ihrer Linken, endlich einen gewaltigen Turm, der sich bis zum Gewölbe hochschraubte, ausfindig machte – das Labyrinth der 1. Ebene von Aincrad.

Sie wandte sich wieder zu ihrer Rechten. Vielleicht ihre Bewegungen wahrnehmend, zuckten die Schultern unter dem grauen Ledermantel, und sein Kopf hob sich leicht. Selbst unter der Mittagssonne waren seine Augen schwarz, wie eine sternlose Nacht.

In dem Augenblick, in dem sie in diese tiefschwarzen Augen sah, ging ein kleines Feuerwerk hoch, tief in ihrem Hinterkopf.

„Du hättest dich nicht…kümmern sollen“, knurrte Asuna Yuuki mit knirschenden Zähnen.

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Von dem Moment an, in dem sie in dieser Welt gefangen wurde, hatte Asuna sich hunderte – wenn nicht tausende – Male dieselben Fragen gestellt.

Warum hatte sie sich dazu entschieden mit dieser brandneuen Spielekonsole zu spielen, auch wenn sie nicht mal ihre eigene war? Warum hatte sie den Helm auf ihren Kopf gesetzt, sich in den hohen Bürostuhl sinken lassen und das Kommando zum Hochfahren aufgesagt?

Asuna hatte das NerveGear nicht gekauft, dieses VR-Interface-der-Träume-verwandelt-in-verfluchtes-Instrument-des-Todes, oder die Game-Card für Sword Art Online, dieses enorme Gefängnis der Seelen – es war ihr viel älterer Bruder Kouichirou. Doch auch er war nie der größte Videospiel-Typ gewesen, viel weniger noch ein MMORPG-Liebhaber. Als Sohn des stellvertretenden Generaldirektors von RCT, einer der größten Elektronikhersteller des Landes, unterging er jeder Art von Bildung, die notwendig war, um ihrer Vaters Nachfolger zu werden, und alles, was nicht unter diese Pflichten fiel, wurde aus seinem Leben verbannt. Warum er Interesse für das NerveGear entwickelte – warum er sich für SAO entschied – war immer noch ein Rätsel für sie.

Ironischerweise jedoch, bekam Kouichirou nie die Chance das erste Videospiel, das er ja gekauft hatte, zu spielen. An jenem Tag, an dem SAO launchte, war er gerade Übersee, auf einer Geschäftsreise. Am Mittagstisch des Tages zuvor, versuchte er die Frustration wegzulachen, aber sie konnte spüren, wie enttäuscht er war.

Asunas Leben war nicht ganz so streng verlaufen, wie Kouichirous, aber auch sie hatte wenig Erfahrung mit Spielen außerhalb von kostenlosen Downloads auf ihrem Handy, selbst mit ihrem jungen Alter, in der neunten Klasse. Ihr war die Existenz von Onlinespielen bewusst, aber die Aufnahmeprüfungen zur High-School kamen immer näher, und sie hatte keine Gründe oder Motive eines anzufangen – sollte man annehmen.

Also hatte sie selbst keine Erklärung warum, an diesem Nachmittag des 6. Novembers 2022, sie in das leere Zimmer ihres Bruders geschlüpft war, das schon vorbereitete NerveGear auf ihren Kopf gesetzt hatte, und das „Link Start“-Kommando sprach.

Das Einzige, was sie mit Gewissheit sagen konnte war, dass sich alles änderte, an jenem Tag. Alles endete.

Asuna schloss sich in einem Raum eines Gasthauses in der Stadt der Anfänge ein, wollte warten, bis die Angelegenheit vorüber war. Als aber ganze zwei Wochen lang keine einzige Nachricht der Außenwelt ihren Weg zu ihnen gemacht hatte, verlor sie jede Hoffnung auf Rettung von außen. Und mit bereits über tausend toten Spielern und dem ersten Dungeon des Spiel immer noch unbeendet, verstand sie, dass man das Spiel von innen ebenso unmöglich besiegen konnte.

Die einzige Wahl, die noch blieb, war wie man starb.

Sie hatte die Option für Monate, eventuell Jahre, innerhalb des Schutzes der Stadt zu bleiben. Aber niemand konnte garantieren, dass die Regel – Monster können nicht in Städte eindringen – für immer aufrecht erhalten würde.

Asuna zog es vor die Stadt zu verlassen, anstatt sich wie ein Wollknäuel irgendwo in der Dunkelheit zusammenzurollen, in Angst vor der Zukunft lebend. Sie würde alle ihre Instinkte benutzen, um zu kämpfen, zu lernen und zu wachsen. Sollte ihr letztendlich die Puste ausgehen und sie umkommen, wenigsten hätte sie nicht die verbleibenden Tage um ihre verlorene Zukunft trauernd verbracht.

Renne – Stoße vor – und verblasse. Wie ein Meteor, der in der Atmosphäre verbrennt.

Das war Asunas Einstellung, als sie das Gasthaus verließ und in Richtung Wildnis schritt, ohne eine Ahnung von auch nur einem einzigen MMORPG-Begriff. Sie wählte eine Waffe, lernte einen einzigen Skill, und fand sich in dem Labyrinth wieder, dass niemand anderes erfolgreich erobert hatte.

Letzten Endes, um vier Uhr morgens am Freitag, den 2. Dezember, hatte die Akkumulation vieler, vieler Kämpfe zur Folge, dass es ihr aus Erschöpfung schwarz vor den Augen wurde, und ihre Quest hätte enden sollen. Der Name Asuna, der in den Stein des Monuments des Lebens, unterhalb des Schwarzeisenpalastes, gemeißelt war, wäre durchgestrichen worden, und alles hätte sein Ende gefunden.

Es hätte. Es sollte.

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„Du hättest nicht…“, wiederholte Asuna. Der am Boden kauernde, schwarzhaarige Schwertkämpfer richtete seine Augen, dunkel wie die Nacht, auf den Boden. Er schien etwas älter zu sein als sie, aber die überraschende Naivität in seiner Gestik verblüffte sie.

Wenige Sekunden später kehrte ihre erste Vermutung zurück, als ein zynisches Lächeln über seine Lippen lief. „Ich habe nicht dich gerettet“, sagte er leise. Es war die Stimme eines Jungen, aber etwas in ihr verschleierte sein wirkliches Alter.

„…Warum hast du mich dann nicht dort zurückgelassen?“

„Ich wollte nur deine Mapdaten retten. Wenn du vier Tage an der Front verbracht hast, musst du ein gutes Stück unerkundetes Land kartographiert haben. Es wäre zu schade, wenn das alles verschwinden würde.“

Sie schnappte nach Luft, bei der Logik und Effizienz in seiner Erklärung. Sie hatte dieselbe Antwort, die jeder andere, den sie getroffen hatte, ihr gab, erwartet; irgendein Geschwätz über die Bedeutung des Lebens oder, dass alle zusammenhalten müssten. Sie war vorbereitet all diesen Unsinn zu zerschneiden – verbal natürlich – aber die Zweckmäßigkeit seiner Antwort machte sie sprachlos.

„…Na gut. Nimm sie“, brummelte sie, und öffnete ihr Fenster. Sie hatte sich endlich an das Menüsystem gewöhnt, in dem sie jetzt zu dem Tab mit ihrer Map-Info wechselte und diese in eine Pergamentrolle kopierte. Ein weiterer Button materialisierte die Rolle als ein Ingame Objekt, das sie nun vor die Füße des Mannes warf. „Jetzt hast du, was du wolltest. Bis dann.“

Sie stützte sich mit einer Hand im Gras ab, und stand mit zitternden Beinen auf. Die Uhr in ihrem Fenster zeigte, dass sie fast volle 7 Stunden geschlafen hatte, aber die Erschöpfung war noch nicht vollkommen verschwunden. Allerdings, hatte sie noch drei Rapiere. Bevor sie losgegangen war, hatte sie sich gesagt, dass sie in dem Turm bleiben würde, bis die Haltbarkeit des Letzten unter der Hälfte sei.

In ihrem Kopf schwirrten immer noch ein paar Quellen des Misstrauens. Wie hatte der Schwertkämpfer in dem grauen Mantel es geschafft sie aus dem Turm und zu dieser Lichtung im Wald zu bringen? Und warum hatte er sie den ganzen Weg hier heraus gebracht und nicht nur in die nächste Sichere Zone innerhalb des Turms?

Sie waren es jedoch nicht wert umzukehren und ihn zu fragen. Also drehte sich Asuna zu ihrer Linken, in die Richtung des schwarzen, in die Höhe ragenden Labyrinths, und fing an loszumarschieren.

„Warte mal, Fechterin.“

„…“

Sie ignorierte ihn und ging weiter. Was er jedoch als nächstes sagte, ließ sie innehalten.

„Du tust das alles, aus dem Ziel das Spiel zu schlagen, oder? Nicht, um einfach in einem Dungeon zu sterben. Warum kommst du also nicht zu dem Treffen?“

„…Treffen?“, wunderte sie sich. Die Worte des Schwertkämpfers erreichten ihre Ohren in der sanften Brise des Waldes.

„Heute Nacht wird es ein Treffen in der Siedlung Tolbana in der Nähe des Turms geben. Es wird geplant, wie man den Boss des Labyrinths der 1. Ebene besiegen kann.“