Suzumiya Haruhi:Band6 Die Melancholie der Asahina Mikuru

From Baka-Tsuki
Jump to navigation Jump to search

Die Melancholie von Asahina Mikuru[edit]

Auch wenn sich während der Winterferien viele Vorfälle ereignet hatten, verliefen sie letztendlich so wie ich es erwartet hatte. Es war in etwa so wie wenn man sich ein Lotterieticket kauft und dann nichts gewinnt. Als ich nun unwillig durch den Schnee stapfte, verfluchte ich im Stillen die schlechte Konstruktion der Schule, die einen die sowieso schon eiskalten Temperaturen sogar noch kälter anfühlen ließ.

Während ich versuchte diese Kälte nicht als geheime Gegenmaßnahme zur globalen Erwärmung anzusehen, bemühte ich mich meinen Blick auf andere Dinge zu richten, jedoch kehrte er immer wieder auf den nicht richtig funktionierenden Heizkörper der Klasse zurück, was in mir die Frage aufkommen ließ, ob nicht unser Klassenzimmer in Wirklichkeit schon kälter war als der Nordpol selbst. Beim Gedanken daran, dass mir dieses Los nun bis zu meinem Abschluss blühte, schämte ich mich nicht eine bessere Schule ausgesucht zu haben. Aber was konnte ich machen? Ich saß bereits an der North High fest.

Da ich nach der Schule nichts Besseres zu tun hatte, begab ich mich wieder auf den Weg zum Klubraum.


Obwohl eigentlich Sitz des Literaturklubs, hatte sich der Raum im Verlauf des vergangenen Jahres langsam zum offiziellen Hauptquartier der SOS Brigade gewandelt (obwohl „offiziell“ hier vielleicht nicht der richtige Ausdruck ist). Wie eine Vogelmutter, die mit der Zeit ihr Junges vergisst und ein Kuckucksbaby als das ihrige aufzieht, so schien die Schule die Existenz des Literaturklubs vergessen zu haben. Da zusätzlich auch noch das einzige Mitglied des Literaturklubs nichts dagegen hatte, dass wir ihren Klubraum okkupierten, störte es auch mich nicht mehr, von Haruhi ganz zu schweigen.

Egal wie man es betrachtete, das hier war der einzige Ort, an den ich nach den Schulstunden gehen konnte. Obwohl ich von Zeit zu Zeit Lust hatte die Klubaktivitäten zu schwänzen, reichte der Gedanke an ein bestimmtes Mädchen, das hinter mir sitzend versuchte mir mit ihrer sich in einem hochintensiven, strahlengleichen Blick manifestierender Mordlust Löcher in den Rücken zu bohren, aus, um jeglichen Versuch im Keim zu ersticken. Es war das Risiko einfach nicht wert. Allerdings war ich mir nicht sicher, ob ich die richtige Wahl traf oder nur die einfachere.

Mit diesen Gedanken im Kopf, klopfte ich instinktiv an die Tür, nachdem ich ohne es zu bemerken beim Klubraum angekommen war. Wenn ich ohne vorher anzuklopfen eingetreten wäre, wären die Chancen nicht schlecht gestanden, dass sich mir zur Begrüßung ein Anblick von geradezu himmlischer Schönheit geboten hätte. Jedoch vollführte ich lieber diese kleine, oftmals insignifikante Geste, um zu verhindern, dass sich so etwas noch einmal ereignete.

Unter normalen Umständen wäre mir jetzt mit einem sanften „Ja“ geantwortet worden, während die Tür langsam von meinem lächelnden Senpai geöffnet worden wäre, deren Gestalt allermindestens der eines Engels glich. Sie war so schön, dass sie ohne Probleme als verkleidete Fee oder Elfe durchgehen würde. Darauf zu warten, dass sie mir die Tür öffnet, war eines meiner nachschulischen Rituale, an die ich mich inzwischen gewöhnt hatte.

"..........................."

Es kam keine Antwort.

Deshalb war es sicher anzunehmen, dass sich keine Feen, Elfen oder grinsende Brettspielfanatiker im Klubraum befanden. Und selbst wenn sich jemand im Raum befand, würde es ein stiller Bucherwurm sein. Nicht einmal Haruhi war da. Darauf wagte ich meinen kostbarsten Besitz zu verwetten, der im Stellenwert gleich hinter meinem Leben kam.

Nachdem ich zu diesem Schluss gekommen war, öffnete ich schwungvoll die Tür, in etwa so, als ob ich meinen Kühlschrank zuhause öffnen würde.

Natürlich war keine Haruhi im Raum, auch kein Koizumi und zu meiner Überraschung nicht einmal Nagato.

Allerdings------

Asahina-san war da.


Ihre Dienstmädchenuniform konnte ihre heiße Figur nicht verbergen, während sie auf einem der stählernen Klappstühle saß, mit ihrem Besen in der Hand und mit einem Blick, der suggerierte, dass sie vor sich hin träumte. Es gab keinen Zweifel daran, es handelte sich um die allseits geliebte Asahina-san.

... während sie auf einem der stählernen Klappstühle saß, mit ihrem Besen in der Hand und mit einem Blick, der suggerierte, dass sie vor sich hin träumte.

Aber irgendwas stimmte nicht.

Sie nahm es gar nicht wahr, dass ich in den Klubraum gekommen war. Sie saß nur da, starrte ins Leere und ließ von Zeit zu Zeit einen Seufzer von sich. Es war einfach erstaunlich, selbst so schlichte Gesten wie diese könnte man sich immer wieder auf Band anschauen und sie würden nichts an ihrer Schönheit verlieren.

Ich bewunderte die wunderschöne Szene vor mir für eine ganze Minute, bevor ich daran ging sie aufzuwecken.

„Asahina-san?“

Der gewünschte Effekt stellte sich sofort ein.

„Eh? Ah? Ah! Ja!”

Von ihrem Stuhl aufgesprungen, sah mich Asahina-san mit verwunderten Augen an und verharrte mit ihrem Besten in einer halbsitzenden Position.

„Ahhhh, Kyon-kun…. Seit wann bist du hier?“

“Was meinst du seit wann, ich kann mich klar daran erinnern geklopft zu haben.”

„Eh, h-hast du? Ich h-habe es gar nicht gehört……. Tut mir leid.”

Asahina-sans Gesicht verfärbte sich dunkelrosa während sie nervös meine Fragen beantwortete.

„Umm… Ich habe gerade über… ehh.... Zeug… nachgedacht…“

Sie verstaute hastig den Besen in einem Abstellschrank, den sich Haruhi vor nicht allzu langer Zeit angeeignet hatte und sah mich schließlich an. Ihr Gesichtsausdruck war ebenfalls einfach bezaubernd! Alles was sie tat war bezaubernd! Asahina-san banzai! Wenn ich mich nicht ständig bewusst zurückgehalten hätte, dann wäre ich sicherlich auf sie zugestürmt und hätte sie geknuddelt, was ich schon immer einmal machen wollte. Also, worauf wartest du? Machs einfach! Nein, warte mal kurz. Denk mal daran was mit euch und der Welt geschehen würde... Gerade als sich der Krieg der Engel und Dämonen in meinem Bewusstsein einem Ergebnis näherte---

„Wo ist Suzumiya-san? Ist sie nicht mit dir gekommen?“

Dieser mickrige Satz reichte aus um mich in die Realität zurückzuholen. Verdammt, ich hätte fast schon wieder ein das Schicksal der Welt involvierendes Desaster ausgelöst. Schon wieder. Ich tat so als wäre nichts geschehen, was schließlich de facto der Fall war und platzierte ruhig meine Tasche auf dem Tisch.

„Sie ist heute für das Aufräumen zuständig. Derzeit wäscht sie vielleicht gerade die Aula auf.“

„Ich verstehe…“

Als wäre sie an Haruhis aktuellen Aufenthaltsort nicht interessiert, schloss Asahina-san erneut ihre kirschroten Lippen.


Auch wenn ich nicht gut darin war Asahina-sans Gedanken zu erraten, konnte ich doch mit Sicherheit sagen, dass die heutige Asahina-san anders war als sonst. Die Zeitreisende würde mich normalerweise im Klubraum willkommen heißen, mit einem Lächeln auf ihrem Gesicht, so strahlend wie eine Blume in der Sonne (natürlich ging das Meiste ihres Glanzes auf meine eigene Vorstellung zurück), das ihr gemeinsam mit ihren klaren, haselnussbraunen Augen und ihrem sanften, seidenen Haar eine Aura absoluter Lieblichkeit verlieh. Heute jedoch strahlte sich nur eine Aura von Melancholie aus.

Mit dem Wort „beunruhigt“ klar sichtbar in ihr Gesicht geschrieben, stand Asahina-san da und sah mich an, während sie unaufhörlich mit ihren Fingern spielte, so als ob sie eine problematische Nachricht zu überbringen hätte. Leider war der Grund dafür nicht, dass sie mir ihre Liebe gestehen wollte. Ich hatte sie erst einmal so gesehen und es dauerte nicht lange bis die Erinnerung daran zurückkehrte. Das war der gleiche Ausdruck wie damals, als sie mich plötzlich darum bat ihr (zum ersten Mal) in die Vergangenheit zu folgen, genauer gesagt zum 7. Juli vor drei Jahren, dem Tag des Tanabata Festes.

Ein halbes Jahr war seitdem vergangen und während Asahina-san sogar noch niedlicher wurde, blieb ich unglücklicherweise der gleiche Idiot, der dem Charme dieser Frau ständig unterlag. Obwohl ich wusste, dass es in der einen oder anderen Art etwas mit Haruhi oder dem derzeitigem Zustand der SOS Brigade zu tun hatte, beruhigte ich mich selbst indem ich mir sagte „Was solls, ist schließlich auch nicht so schlimm“. Egal was Asahina sagen würde, ich würde nicht lange sprachlos bleiben und ihre Bitte schon gar nicht ablehnen.

Während ich damit beschäftigt war mir Asahina-sans rotes Dienstmädchenkostüm einzuprägen, sah es so aus, als hätte sie sich endlich gefasst. Sie öffnete ihre runden Lippen und sagte:

„K-kyon-kun, i-ich muss dich um einen Gefallen bitten…“

Knarr.

Die Tür des Klubraums öffnete sich sanft, als ginge es darum so wenig Lärm wie möglich zu machen. Sie schwang langsam auf und als ich mich instinktiv umwandte, sah ich wie das kurzhaarige Mädchen mit Pokerface leise den Raum betrat.

Wie ein Android fuhrt Nagato damit fort die Tür zu schließen.

".................."

Nach einem kurzen Blick auf Asahina-san und mich schien sie verstanden zu haben, dass sie störte. Nichtsdestotrotz blieb sie stumm und begab sich in Richtung ihres üblichen Platzes.

Mit emotionslosem Gesicht setzte sich Nagato auf ihren Stuhl, nicht ohne zuvor ein großes Buch aus ihrer Tasche gezogen zu haben. Sollte sie überhaupt irgendein Interesse an Asahina-san und mir gehabt haben, wie wir uns da in einem leeren Klubraum anstarrten, dann wurde dieses bei weitem von dem an dem Buch geschlagen, für das Enzyklopädie wohl die korrektere Beschreibung wäre und dessen Titel allein ausreichte, um mir Kopfschmerzen zu verursachen.

Lasst uns uns nicht damit aufhalten wer als erster reagiert hat. Asahina-sans Reaktionen würden immer größer sein als meine und dementsprechend auffälliger.

„A-Ah, genau. Tee. Lasst mich erstmal Tee machen.”

Als wollte sie der ganzen Welt verkünden was sie im Begriff war zu tun, erhob Asahina-san ihre Stimme während sie mit dem Kessel vorwärts stolperte.

„Wasser, Wasser.“

Den Teekessel mit ihren Armen umschlungen, öffnete sie rasch die Tür des Kühlschrankes.

„Kyaa~ Wir haben kein Wasser mehr... Keine Sorge, ich werde eines besorgen.“

Ich hielt sie auf als sie gerade aus dem Klubraum eilen wollte.

„Lass mich dir dabei helfen.“

Ich streckte meine Hand aus um den Kessel von meinem Senpai zu übernehmen.

„Es ist schon zu kalt draußen. Solltest du in diesem Outfit nach draußen gehen, würdest zu zwangsläufig die Augen der anderen Schüler vergiften. Es gibt keinen Grund andere kostenlos mit einem derartigen optischen Leckerbissen zu beglücken. Der Wasserbrunnen ist gleich am Ende der Treppe. Ich werde gehen und es holen…“

„A-ah, dann werde ich dich begleiten.“


Asahina-sans Augen waren die einer im Regen zurückgelassenen Katze. Sie ist so niedlich! Die Niedlichkeit einmal beiseite gelassen, war das auch eine ziemlich beunruhigende Situation. Selbst jetzt war sie noch immer nicht daran gewöhnt mit Nagato-san alleine zu sein. Jemand sollte wirklich das Eis zwischen den beiden brechen. Aber wenn man darüber nachdenkt war es schon eine erstaunliche Leistung überhaupt eine Außerirdische und eine Zeitreisende in einem kleinen Klubraum koexistieren zu lassen. Es kommt wohl letztendlich darauf an wer darin involviert ist.

Da Asahina-san lieber mit mir Wasser holen wollte als mit Nagato alleine im Klubraum zu bleiben, fiel mir kein Grund ein ihre Bitte abzulehnen, selbst wenn ich bis zur Mohorovičić-Diskontinuität weitergebohrt hätte um einen zu finden. Wäre es natürlich Haruhi gewesen, wäre die Sache anders abgelaufen. Ich hätte nicht einmal nach Gründen suchen müssen – die Gründe würden schneller heraussprudeln als Öl aus einem Erdölturm. Glücklicherweise war Haruhi aber nicht hier, sonst hätte ich wahrscheinlich eine weitere Serie von Stichen mit einem mechanischen Bleistift über mich ergehen lassen müssen.

Mit dem Teekessel sicher in meinen Armen, summte ich während ich überlegte welchen Weg zum Wasserbrunnen ich einschlagen sollte. Ich entschied mich schließlich für den alten Block als….

„Ah….. Warte auf mich…“

Noch immer in ihrer Dienstmädchenuniform, stolperte Asahina-san neben mir her, wie eine kleine Katze die sich standhaft weigert von der Seite ihrer Mutter zu weichen.

Seite an Seite mit Asahina-san zu gehen ließ in mir ein gewisses Gefühl von Stolz aufsteigen. Auch wenn nicht ich es war, der ihr diese perfekte Figur, diese engelsgleichen Züge oder ihre bezaubernde Persönlichkeit verliehen hatte, war ich nach allem was mir bekannt war der Einzige, der ihr jemals so nahe gewesen war. Ahaha, welche Freude!

Viel zu beschäftigt damit mit mir selbst zufrieden zu sein, hatte ich vollkommen Asahina-sans Melancholie vergessen. Deshalb—

„Kyon-kun.“

Gerade als ich damit begonnen hatte den Kessel mit Wasser zu füllen—

„Hast du diesen Sonntag Zeit? Es gibt da einen Ort den ich gerne mit dir besuchen würde.“

Asahina-sans Tonfall war todernst. Zur gleichen Zeit war ich aber so geschockt von ihrer Aussage, dass kein modernes Messgerät den exakten Wert meines Erstaunens ermitteln hätte können. Für einen Moment vergaß ich völlig welcher Tag gerade war und wie viele Tage es noch bis Sonntag dauern würde. Mit viel Mühe krächzte ich schließlich….

“Sicher”

Selbst wenn ich am Sonntag etwas zu tun gehabt hätte, nach Asahina-sans Einladung waren alle roten Markierungen auf meinem Kalender auf magische Weise verschwunden. Selbst wenn sie mich darum gebeten hätte sie am 29. Februar zu treffen wäre ich gekommen. Wen kümmert schon so etwas Nebensächliches wie ein Schaltjahr?

„Ja, ich denke mal, dass ich Zeit habe.“

Sobald ich diese Worte herausgepresst hatte, begann sich langsam ein Schleier über mein Herz zu legen.

--- Habe ich so etwas nicht schon mal wo gehört?

Andererseits reisten wir zu dieser Zeit drei Jahre zurück. Wisst ihr, nach einer Weile werden Zeitreisen langweilig. Sicher, beim ersten Mal sieht es vielleicht noch lustig aus, aber wenn man regelmäßig von der Vergangenheit in die Zukunft und zurück springt, da beginnt man sich zu fragen ob Zeitreisen nicht die Ansprüche steigen lassen.

„Bitte mach dir keine Sorgen.“

Asahina-san hatte unbewusst den Kessel aufgehoben und angefangen mit ihm zu spielen. Ihre Augenlider hingen herab während sie beiläufig das fließende Leitungswasser beobachtete.

„Dieses Mal reise ich weder in die Vergangenheit noch in die Zukunft. Genauer gesagt will ich nur ein paar Teeblätter in einem lokalen Supermarkt kaufen. Kyon-kun, würdest du mich dabei begleiten?“

Sie fuhr fort und reduzierte dabei ihre Stimme auf ein kaum noch hörbares Level, wobei sie zusätzlich noch ihren Zeigefinger auf ihre Lippen legte.

„Verrate das aber niemanden…..in Ordnung?“

Meine Brust füllte sich abermals mit Stolz und mein Selbstvertrauen war nun derartig groß, dass ich es mir sogar zugetraut hätte nach einer vollen Dosis Wahrheitsserum noch eine offensichtliche Lüge erzählen zu können.


Die darauf folgenden Tage, Stunden, Minuten und sogar Sekunden hätten sich nicht länger anfühlen können. Warum läuft eine Uhr umso langsamer, je mehr man sie anstarrt, gerade so als wolle sie einen bewusst verhöhnen? Könnte es sein, dass sie sich Urlaub genommen hat während ich gerade nicht hingesehen hatte? Selbst sie in meinen Händen zu schütteln schien die Bewegung des verfluchten Minutenzeigers nicht zu beschleunigen. Letztendlich wurde mir bewusst wie machtlos wir Menschen in Wirklichkeit waren, dem langsamen Zeitfluss unterworfen, während unser dumpfsinniges, langweiliges Leben an uns vorbeizog.

Nichtsdestotrotz handelte es sich dabei um das erste Mal, dass ich einen ordinären, Zeit-unabhängigen Ausflug mit einer Zeitreisenden unternahm, dessen einziges Ziel der Erwerb von Teeblättern war. In den letzten Tagen hatte ich jedoch darüber nachgedacht (da es wie unschwer zu bemerken ist keine bessere Möglichkeit gab sich die Zeit zu vertreiben). Ich glaube nicht, dass Asahina-san jemand war, der irgendwelche Probleme damit hatte alleine einkaufen zu gehen und sie war definitiv nicht so unentschlossen, als dass sie meine Hilfe bei der Auswahl der Teeblätter benötigen würde. Selbst wenn sie die schrecklichsten Teeblätter kaufen würde, die der Markt zu bieten hat und daraus eine Tasse völlig abscheulichen Tee produzieren würde, würde ich ihn wahrscheinlich noch immer genießen. Und auch der Rest der SOS Brigade war nicht so wählerisch.

Wenn dem so ist, warum hat sie mich dann eingeladen? Und warum auf so mysteriöse Weise?


Ein Junge und ein Mädchen ähnlichen Alters gehen gemeinsam an einem Sonntag spazieren.

Ist es das, was die normalen Menschen als Date bezeichnen würden? Hmm, ich kann es mir nicht anders erklären. Ja, es ist ein Date, genau wie ich es mir gedacht habe. Teeblätter aussuchen war letztendlich nur ein Vorwand. Ach, du hättest nicht so mysteriös tun müssen. Hättest du es mir nicht einfach gleich sagen können? Nein, warte, so muss es sein. Ansonsten wäre es nicht Asahina-san.

Mit diesen Gedanken im Kopf kam schließlich der Sonntag.


Ich trat in die Pedale wie ein Wilder, während ich mich dem vereinbarten Treffpunkt vor der Bahnstation näherte. Mein getreues Fahrrad schien zu verstehen wie ich mich fühlte und auch ohne Motor drehten sich die Pedale erschreckend schnell. Das war vielleicht das erste Mal, dass ich mich auf ein Treffen freute seit ich der SOS Brigade beigetreten war, da es sich um einen extrem gewöhnlichen Ausflug handelte. Das Ziel war keine abgeschlossene Dimension mit blauen Riesen, die Fahrkarten waren keine Fahrkarten Richtung Zukunft und das Transportmittel war definitiv kein UFO.

Außer natürlich es handelte sich bei der Person, die auf mich bei der Bahnstation wartete, um die ältere Version von Asahina-san, mit ihrem geheimnisvollen Lächeln, von dem man sofort einen Hintergedanken ablesen konnte. Das wäre dann natürlich eine ganz andere Geschichte.

Egal wie man es betrachtete, ich bin immer noch ein High School Schüler mit einer gewissen Menge an Intelligenz. Dank diesem Umstand und meinen bisherigen Erfahrungen, konnte ich mehr oder weniger voraussagen wie sich die Zukunft entwickeln würde. Asahina-san (groß) war dabei keine Ausnahme. Sie würde immer dann auftauchen, wenn ich das Gefühl hatte, dass sie es tun würde. Selbst wenn sie also heute erscheinen würde, wäre ich nicht überrascht…

„Auf keinen Fall!“

Ich parkte mein Fahrrad schwungvoll im Schatten eines Strommastes, bevor ich damit fort fuhr mich selbst zu belehren.

Selbst meine Gedanken gingen inzwischen nur noch in diese Richtung! Wenn das so weiter geht, dann würde ich absolute Ruhe bewahren, selbst wenn irgendetwas geschieht und das war genauso wenig in Ordnung. Die einzige Person, die im Angesicht von etwas Bizarrem völlig die Fassung bewahren kann, ist jemand, der ein paar Schrauben locker hat. Ich will eine normale Person sein, oder zumindest jemand der noch geistig gesund ist! Auch wenn es dafür vielleicht schon zu spät ist, sollte ich wenigstens lächeln wenn ein Lächeln angebracht war und jetzt war einer dieser Momente.

Also versuchte ich mein Bestes und zwang mich zu einem Lächeln.


Die Asahina-san, die heute am üblichen Treffpunkt der SOS Brigade stand, war keine andere als meine Lieblingsversion von ihr.

Im Getümmel stehend, winkte sie mir mit ihren kleinen, grazilen Händen aufgeregt zu. Diese Pose allein konnte jedermanns Herz zum Schmelzen bringen.

Gekleidet in ein einfaches aber elegantes Outfit und mit einer neuen Frisur, sah sie aus wie ein Mädchen, das es nicht erwarten konnte zur Frau zu werden. Sie derart verändert zu sehen rührte mich fast zu Tränen.

Konfrontiert mit dieser eleganten Asahina-san, hielt ich rasch mein Fahrrad an und setzte ein Koizumi-mäßiges Lächeln auf, das ich vor dem Spiegel einstudiert hatte.

„Entschuldigung, dass ich zu spät bin.“

Auch wenn wir uns erst in 15 Minuten treffen wollten.

„Ist schon gut…..“

Asahina-san stieß einen Seufzer der Erleichterung aus und senkte ihren Blick zum Boden.

„Ich bin auch gerade erst gekommen.“

Was von einem Lächeln begleitet wurde.

„Gut, dann lass uns gehen!“

Asahina-san trat vor und ihr Haar tanzte auf und ab.

Beim Anblick von ihr mit ihrem hochgesteckten Harren stieg langsam ein unbeschreibliches Gefühl in meiner Brust auf. Ich war wie einer der getreuen Ritter in einem typischen RPG, dessen geschworene Pflicht es war eine Prinzessin zu beschützen, die aufgrund von inneren Konflikten am Königshof aus dem Palast hatte flüchten müssen und nun die Welt bereiste.

Asahina-sans winzige Schritte, kombiniert mit ihren kindlichen Charakterzügen ließen mich wundern ob sie wirklich ein Jahr älter war als ich. Ihre Schritte waren wie die meiner Schwester und sie sah auch noch ziemlich jung aus. Bei diesem Anblick stieg mein Verlangen sie zu beschützen dermaßen an, dass ich fürchtete, dass wenn sie sich umdrehen würde und mich mit ihren großen runden Augen ansehen würde, sogar sie sich aufgrund meiner Blicke unwohl fühlen würde.

Ich meine alles was ich gerade tat war für mein normales Ich unüblich. Wenn ich gemeinsam mit der exzentrischen Haruhi, dem lächelnden Koizumi und der stillen Nagato in einen kleinen Raum eingepfercht war, waren meine Aktionen meistens halbherzig und eher chaotisch. Jetzt allerdings gab es nur Asahina-san und mich. Und es kommt sogar noch besser, niemand wusste davon. Weder die tyrannische Brigadekommandantin, die verlässliche Außerirdische oder der Esper waren hier. Das war schon ein ziemlicher Unterschied.

Ich hatte wirklich das Verlangen diesen Umstand lauthals zu verkünden. Die Entscheidung alleine mit Asahina-san auszugehen war die beste, die ich in meinem Leben getroffen habe!

Um die Wahrheit zu sagen, ich war glücklich. Äußerst glücklich. Seite an Seite mit einer der hübschesten Schülerinnen der North High zu gehen; selbst wenn jemand mein Violettes Diplom in eine Dachrinne stopfen würde, ich würde nicht einen Funken von Bedauern verspüren, schließlich war das Diplom von einem Land ausgestellt worden, das sowieso nicht für seine Literatur bekannt war.

Wir gingen in Richtung des Einkaufszentrums in der Nähe der Bahnstation.

Manchmal wenn ich nichts Besseres zu tun hatte, begleitete ich meine Familie hierher zum Einkaufen. Hier wurden vor allem Lebensmittel und Bekleidung verkauft, allerdings gab es auch eine große Buchhandlung. Das jedoch war Nagatos Spezialfeld, nicht meines. Wie ich es erwartet hatte, führte mich Asahina-san ins untere Stockwerk, wo die Lebensmittel angeboten wurden.

Hinter einer glänzenden Reihe von Geldautomaten befand sich das von uns angepeilte Geschäft. Spezialisiert auf nichts außer Teeblätter, waren die Regale mit allen verschiedenen Arten gefüllt.

„Guten Tag.“

Beim Vernehmen von Asahina-sans lieblicher Begrüßung schmolz der Besitzer sofort dahin wie Bitumen an einem heißen Sommertag.

„Willkommen, danke, dass Sie wiedergekommen sind.“

Es schien als wäre Asahina-san schon zur Stammkundin geworden und es herrschte ein freundschaftlicher Ton zwischen ihr und dem Geschäftsinhaber.

„Ehh… Welche Sorte soll ich kaufen?“

Sie sprach mit sich selbst, während sie die verschiedenen Sorten von Teeblättern betrachtete, die auf einem großen Plakat an der Wand abgebildet waren, komplett mit ihren jeweiligen Namen und dem Preis.

Natürlich war mein Wissen über Teeblätter geringer als das von Asahina-san, also war ich unfähig ihr irgendwelche Vorschläge zu machen. Ich stand still an ihrer Seite und inhalierte die verschiedenen Aromen und Düfte der diversen Teeblätter, was meine Nase im Verlauf immer mehr zum Jucken brachte.


Wenn es um Teeblätter ging wurde sie ernst und diskutierte mit dem Geschäftsinhaber die verschiedene Methoden Tee zuzubereiten, angefangen bei der Menge an Blättern bis hin zur Zeit, die sie benötigten. Ich stand da und hörte zu, ohne viel zu sagen zu haben, fast wie eine Vogelscheuche nach der Ernte.

Ich war der Einzige, der jemals Kommentare zu ihrem Tee abgab. Haruhi trank ihre Tasse meistens in einem Zug aus und bemerkte vielleicht noch nicht einmal ob es überhaupt Tee war, während ich bei Nagato nicht einmal sagen kann ob sie überhaupt Geschmacksknospen hatte. Koizumi wiederum gab seine Meinung allgemein selten kund, also war ich der Einzige der übrig blieb.

Ich hatte bereits geschworen den von Asahina-san zubereiteten Tee auf jeden Fall zu trinken, selbst wenn es der silberne Schierlingsbecher wäre. Wenn ich gleich nach dem Trinken Hilfe aufsuche sollte das es mir erlauben zu überleben und die Geschichte zu erzählen. Am wichtigsten war jedoch, dass so die Gefühle von ihr nicht verletzt werden würden.

Nach der Erkenntnis, dass ich in diesen Belangen keinen Rat geben konnte, fuhr ich damit fort untätig neben der Tür zu stehen und die Rolle von Asahina-sans Aufpasser zu spielen. Erst als sie schließlich ihre Auswahl getroffen hatte und die Sorte namens „Erstklassige Göttin“ oder so gekauft hatte, beendete ich meine Tätigkeit als Wachposten.

„Es ist eine so seltene Gelegenheit, dass wir gemeinsam unterwegs sind---„

Asahina-san sah mich mit noch höflicheren Augen an als sonst.

„Willst du reinkommen und einen Tee trinken? Die Dangos die sie hier servieren schmecken ziemlich gut. Wir könnten den Geschäftsinhaber darum bitten uns die Teeblätter zu brauen, die wir gerade gekauft haben….“

Selbst wenn ich darüber nachdachte bis der gesamte Wasserstoff in der Sonne aufgebraucht und zu Helium verbrannt war, mir würde kein Grund einfallen ihr Angebot abzulehnen. In einem so einfachen Geschäft wie diesem war es eine Überraschung, dass Tische und Stühle bereitgestellt waren, als ob sie mich einladen würden einzutreten und Platz zu nehmen. Ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden folgte ich Asahina-san in das Geschäft und wir nahmen Platz, woraufhin mir das Aroma des frisch gebrauten Tees schon bald in die Nase stieg.

Es gab allerdings etwas, das ich aufs Schmerzlichste vermisste.

Asahina-san schien sich große Sorgen um die Zeit zu machen, da sie regelmäßig einen Blick auf ihre Uhr warf und unfähig war sich zu beruhigen und ihren Tee zu genießen. Es schien jedoch nicht beabsichtig zu sein und es sah so aus, als ob sie es vor mir verheimlichen wollte. Entschuldigung Asahina-san, aber egal wie sehr zu versuchst es zu verbergen, ich merke es trotzdem, denn neben dem Feststellen der Uhrzeit stößt du jedes Mal einen Seufzer aus wenn du auf deine Uhr blickst. Irgendetwas muss sie beunruhigen.

„Die Dangos hier sind lecker und auch der Tee hat ein süßes Aroma, genauso wie man es von Asahina-san erwarten würde. Hmm… das ist wirklich köstlich.“

Ich gab weiterhin vor ihre Nervosität nicht zu bemerken. Ich muss mich wirklich zurückhalten mich nicht selbst dafür zu loben, dass ich so eine nette und rücksichtsvolle Person bin. Ups, tut mir leid. Jetzt ist es schon passiert.

„Hmm…“

Asahina-san nahm einen Bissen von ihrem Dango bevor sie wieder einen Blick auf ihre Uhr warf.

Plötzlich überkam mich ein unangenehmes Gefühl. Es war wie die Ruhe vor dem Sturm.


Es stimmt schon, diese ganze Sache war von Anfang an verdächtig gewesen. Die Tatsache, dass ich mit einer der Top 3 Schönheiten der North High ausging, die sogar in ihrem süßen Winteroutfit dabei versagte ihren heißen Körper zu verbergen, wäre genug um jeden auf das Dach des Schülerwohnheims zu treiben und sich die Seele aus dem Leib zu jubeln.

Ich trank meine Tasse Tee und als sich die heiße Flüssigkeit langsam ihren Weg durch mein Verdauungssystem bahnte, verdichtete sich auch mein Argwohn gegenüber der Situation.

Die Sache muss einen Haken haben.

Meine Analyse meiner bisherigen Erfahrungen und Daten hatte bewiesen, dass das einzige ältere Mitglied der SOS Brigade, Asahina Mikuru-san, tatsächlich eine Zeitreisende war. Sie wurde aus der Zukunft, aus Gründen, die bedauerlicherweise klassifizierte Information waren, hierher gesandt. Wie sie das offizielle Maskottchen der SOS Brigade wurde? Tja, das ging auf Haruhis tyrannische Art zurück. Es hatte jedenfalls nichts mit ihrem ursprünglichen Auftrag zu tun.

Fakt ist, dass die Beobachtung von Haruhi ihr offizieller Auftrag ist. Sie ist ebenfalls dafür zuständig mich in die Vergangenheit und Zukunft zu bringen um zukünftige Ereignisse auszulösen oder Situationen zu bereinigen, die mein vergangenes Ich unbewusst verursacht hat. Das waren die Aufgaben, die ihr ihre Vorgesetzten gegeben haben. Egal wie man es betrachtete, das fasst ihre Mission in etwa zusammen.

Die Frage, die sich nun stellt ist, ob das heutige Date auch ein Auftrag war. War die ganze Geschichte mit dem Aussuchen der Teeblätter dazu gedacht den eigentlichen Sinn der kommenden Ereignisse zu verschleiern? Hatte Asahina-san das von Anfang an gewusst? Wenn ich so darüber nachdenke verriet ihr Gesichtsausdruck doch eigentlich alles…

Nachdem wir mit unseren Dangos fertig waren, bestand Asahina-san darauf selbst zu bezahlen.

„Das geht in Ordnung, schließlich war ich es, der dich eingeladen hat mitzukommen.“

Selbst dann kann ich das nicht so einfach akzeptieren.

„Lass mich, schließlich lädst du uns normalerweise auch immer ein.“

Das ist nur so, weil diese Idiotin Haruhi die Regel aufgestellt hat, dass der Letzte der ankommt der ist, der dann die gesamte Brigade zu einem Essen einladen muss und aus unerfindlichen Gründen war die letzte Person immer ich. So endete immer ich als derjenige, der die Rechnung beglich, ein System das man außerhalb der SOS Brigade nicht antreffen wird. Heute war es allerdings anders und vielleicht lag es auch an der seltenen Gelegenheit, dass wir zwei alleine unterwegs waren, dass alle Geldscheine in meiner Geldbörse danach zu schreien schienen herausgelassen zu werden. Vielleicht dachten sie, dass es bedeutungsvoller wäre auf diese Weise ausgegeben zu werden.

„Lass mich doch dieses eine Mal die Rechnung bezahlen.“

Asahina-san sah mich mit bittenden Augen an.

„Bitte, bitte!“

Der Gesichtsausdruck von Asahina-san war so aufrichtig, dass ich natürlich nur zustimmend mit dem Kopf nicken konnte.


Danach verließen Asahina-san und ich das Kaufhaus. Als wir bemerkten, dass niemand von uns irgendwo hin musste, blieben wir einfach stehen und starrten auf die unter dem rauen Winterhimmel vor uns vorbeiziehende Menge.

Normalerweise sagt man „Na dann, wir sehen uns morgen“ wenn man sich verabschiedet nachdem alles getan wurde, aber auch in solchen Situationen ist so etwas eines Gentlemans unwürdig. Ich bin natürlich nicht der Typ von Mann, der sich davonmacht sobald mein Job erledigt ist und außerdem ist noch viel Zeit bis die Sonne untergeht. Der Winter liegt schon ein Monat zurück, was heißt, dass der Sonnenuntergang sehr, sehr spät sein sollte…..

„Begleite mich auf einem Spaziergang, in Ordnung? Kyon-kun…..“

Wieder diese bittenden Augen! Konfrontiert mit diesem Gesichtausdruck und einer Stimme, die jedermanns Knie zu Wackelpudding machen würde, fand ich mich in einer Situation wieder, in der ich nicht ablehnen konnte.

Asahina-san setzte ein geradezu göttliches Lächeln auf, so schön wie die Morgenröte.

„Komm, lass uns hier entlang gehen.“

Ohne zu zögern ging Asahina-san los. Wie schade, ich hatte insgeheim gehofft, dass sie meine Hand ergreifen würde während wir gehen. Sieht so aus als wären meine Erwartungen doch zu hoch gewesen.

Ich jagte Asahina-sans zierlicher Figur nach, während die Winterbrise sanft meine Schultern umschmeichelte.


Und so spazierten wir beide einige Zeit umher.

Asahina-san schien schon von Anfang an das Ziel festgelegt zu haben. Von Zeit zu Zeit blickte sie zur Seite um festzustellen, ob ich noch dort war oder nicht, da ich ihr weitgehend lautlos folgte.

Ich hielt meine Lippen dicht geschlossen während ich ihr nachging. Viele Fragen schossen mir durch den Kopf. Je mehr ich darüber nachdachte, desto seltsamer erschien mir die heutige Asahina-san.

Err, wie soll ich es beschreiben? Die übliche Asahina-san war ein schwaches, bemitleidenswertes kleines Mädchen, das unbewusst in jedem Mann das Verlangen wecken würde sie zu beschützen und ihre niedlichen kleinen Bewegungen waren genug um jedermanns Lippen sich zu einem Lächeln verziehen zu lassen. Heute jedoch ähnelten ihre Bewegungen mehr meinen während einer unangekündigten Leistungsüberprüfung in Turnen.

Ganz abgesehen davon, dass sie sich nervös umblickte während sie ging.

Als fürchte sie sich, dass sie jemand anstarrte… Warte, das war so auch nicht richtig. Asahina-san kümmerte sich weder um das was hinter ihr war, noch um das vor ihr, sondern nur um die Seiten, wie ein Grundschulmädchen, das eine Station bei einem Orientierungslauf verpasst hat. Wäre sie nicht diese süße, puppengesichtige Schönheit die sie ist, sondern ein Mann mittleren Alters, wäre sie vielleicht schon aufgrund verdächtigen Verhaltens in der Öffentlichkeit verhaftet worden. Aber selbst wenn sie verhaftet werden würde, mit ihrem unschlagbaren Charme würde jegliches Vergehen ihrerseits leicht vergeben werden. Aber das war jetzt nicht der Punkt.

Asahina-sans Verhalten war absolut verdächtig.

Ein Gefühl von Nostalgie überkam mich und ich verlangsamte meine Schritte.

Nein, Nostalgie war nicht der richtige Ausdruck, da ich hier gespielt habe seit ich geboren wurde. Diese Umgebung hätte mir also eher zum Hals heraushängen müssen, also warum—

„Ahh…“

Jetzt verstehe ich.

Seitdem ich bei der Bahnstation angefangen hatte zu gehen hatte ich ein Gefühl von Vertrautheit, wie auch eines von Nostalgie und nun verstand ich endlich warum.

Die erste von Haruhi veranlasste stadtweite Suche nach mysteriösen Vorfällen war ein Ereignis, das mir bis heute klar Gedächtnis geblieben war. Besonders die Erinnerung an Asahina-san und mich als Suchpaar, das war einfach herrlich. Selbst wenn ich mir den Schädel brechen würde und Amnesie hätte, wäre es mir trotzdem unmöglich diesen erinnerungswürdigen Vorfall zu vergessen.

Genau, das war damals der gleiche Weg wie der, den ich jetzt entlang gehe. Natürlich würde ich mich da nostalgisch fühlen. Sogar die Umstände waren ähnlich! Auch wenn dieser Vorfall nicht einmal ein Jahr her war, fühlte es sich an als wären 800 vergangen.

Asahina-sans wahre Identität als Zeitreisende war inzwischen in Stein gemeißelt, aber damals hatte ich davon keinerlei Ahnung. Bevor sie es mir verriet, als wir auf der Bank bei den blühenden Kirschbäumen saßen, hatte ich nicht bemerkt, dass sie nicht dieses einfache, unschuldige, puppengesichtige, gut ausgestattete SOS Brigaden Maskottchen war, das sie zu sein schien.

Das alles lag jetzt in der Vergangenheit. Kein Wunder also, dass mich Nostalgie überkam.

Wie ich es erwartet hatte, steuerte Asahina-san wirklich den Ort an, an den ich gedacht hatte. Der einzige Unterschied gegen zuvor war, dass sie nun abseits der Blicke von Seite zu Seite, die aussahen als würde ein Pflanzenfresser Ausschau nach einem Raubtier halten, auch gewissenhaft auf ihre Uhr sah.

Selbst wenn ich nach ihr gerufen hätte, ich fürchte es hätte keinerlei Effekt auf sie gehabt, da sie ihren Zombie-mäßigen Spaziergang fortsetzte.

Unzählige weiße Wolken aus unseren Mündern ausatmend, schritten wir beide still voran bis wir schließlich unser Ziel erreicht hatten.

Der Kirschblütenweg neben dem Flussbett.


Auch wenn es eine gewisse Chance gab, dass die Kirschbäume ihre Blüten bis in den Sommer hinein behielten, hätte es ein Wunder gebraucht um sie im Winter zu sehen.

Obwohl sich unsere Körper berührten, schien das Asahina-san nicht zu kümmern. Selbst als wir die Bank passierten, auf der sie ihre „Ich bin eine Zeitreisende“-Bombe im letzten Jahr platzen hatte lassen, zeigte sie keine Reaktion. Es war offensichtlich, dass Asahina-san gerade viele Dinge im Kopf hatte. Was beschäftigt sie nur so?

Als ich schon einsam fühlte, hörte ich plötzlich eine Art Gemurmel:

„Ist es nicht schon soweit…“

Asahina-san sah noch einmal auf ihre Uhr.

„Es sollte jetzt jederzeit passieren, aber…“

Ohne zu realisieren, dass sie mit sich selbst sprach, stieß Asahina-san einen Seufzer aus und spähte abermals nach links und rechts.

Ich gab vor es nicht zu bemerken und konzentrierte mich stattdessen auf den Weg unter mir.

Seufz. Auf einmal war der ganze Enthusiasmus, den ich für diese Verabredung gehabt hatte, komplett verschwunden, selbst wenn ein romantischer Spaziergang eigentlich ein Rendezvous zweier Liebenden sein sollte. Ach vergesst es. Ich nehme an darum geht es im Leben.

Asahina-san setzte ihren Weg flussaufwärts fort. Wenn wir weiter in diese Richtung gehen, würde ohne Zweifel Nagatos Apartment in Sicht kommen. Wenn wir noch weiter gehen, würden wir vielleicht sogar die North High erreichen.

Dank unseres „Spazierganges“ war meinem Körper langsam warm geworden. Es war eine Schande, dass die Wärme nicht von davon ausging, Asahina-san eng an mir zu haben.

Letztendlich verließen wir das Flussufer und folgten den Eisenbahnschienen. Oh ja, ich erinnere mich hier auch gemeinsam mit Haruhi entlang gegangen zu sein.

Infolge der ständig aufkommenden Erinnerungen, begann ich mich langsam ein wenig unsicher zu fühlen.

„Kyon-kun, hier her!“

„Huh?“

Hätte mich Asahina-san nicht am Ärmel gepackt, wäre ich vielleicht einfach achtlos gerade weitergegangen.

„Wir müssen hier warten um die Straße zu überqueren.“

Ohne, dass ich es bemerkt hatte, waren wir bereits bei der Kreuzung in der Nähe der Eisenbahnschienen angekommen. Asahina-san zeigte auf die gegenüberliegende Straßenseite, wo die Ampel für den Zebrastreifen auf Rot stand.

„Oh…. entschuldige.“

Ich bat augenblicklich um Verzeihung und kehrte an Asahina-sans Seite zurück. Obwohl es auf der Straße ruhig war und keine Autos zu sehen waren, bestand sie darauf zu warten bis es Grün war. Ah, das war schon mehr die Asahina-san, die ich kannte.

Nicht einmal 10 Sekunden später schaltete die Ampel um und erstrahlte in kräftigem Grün.

Asahina-san und ich kamen gleichzeitig auf der anderen Seite an.

Genau in diesem Augenblick…

…erschien plötzlich ein dunkler Schatten hinter meinem Rücken.

„Ahh…“

Dieser kurze Schrei kam von Asahina-san.

Der Schatten ignorierte uns und rannte auf den Zebrastreifen. Es handelte sich scheinbar um ein Grundschulkind, wohl ungefähr im Alter meiner Schwester – Ein bebrillter, lebhafter Viert- oder Fünftklässler.

„Ahh!“

Dieser laute Schrei kam ebenfalls von Asahina-san und wurde von einer Serie von lauten und chaotischen Geräuschen begleitet, deren Quelle sofort meine Aufmerksamkeit auf sich zog.

Ein großes Fahrzeug kam mit hoher Geschwindigkeit die Straße heruntergerast. Obwohl die Ampel gerade in tiefstem Rot erstrahlte, widersetzte sich das Auto (ein smaragdgrüner Lkw) der Farbe der Ampel, die der Fahrer wohl übersehen hatte, da er damit fortfuhr auf den Zebrastreifen zuzurasen, ohne Anzeichen zu zeigen seine Geschwindigkeit zu verringern.

In diesem Moment ---

Der Schüler, der in die Mitte des Zebrastreifens gerannt war, hatte bemerkt in welcher Gefahr er sich befand und versteinerte auf der Stelle.

Das Fahrzeug näherte sich rasch. Der Fahrer, der entschieden hatte die Ampel zu ignorieren, hatte offensichtlich auch keinen Respekt vor Verkehrsregeln. Das Bild eines von diesem Lkw überfahrenen Kindes schoss mir durch den Kopf, doch hatte sich zu dieser Zeit mein Körper bereits in Bewegung gesetzt.

„Du Bastard!“

Ich hatte keine Ahnung ob die Beschimpfung für das Kind oder den Fahrer gedacht war. Alles was ich wusste war, dass ich nach vorne gestürzt war, während sich die Welt um mich herum verlangsamte wie in einer Zeitlupe. Für einen Außenstehenden lief alles aber wohl innerhalb weniger Augenblicke ab.

„Uwaaaa!“

Glücklicherweise erreichte ich das Kind noch rechtzeitig. Ich packte den bewegungslosen Jungen beim Kragen und stieß ihn mit ganzer Kraft nach vorne. Nach Aufbrauchen meines Schwungs knallte ich auf den Boden.

Der Lkw raste mit höllischer Geschwindigkeit an mir vorbei.

Ich fühlte wie mir der kalte Schweiß das Gesicht herunter rannte.

Das war knapp, zu knapp um mich zu beruhigen. Der rasende Lkw hatte mich nur um Zentimeter verfehlt. Wäre ich nur ein wenig näher an ihm dran gewesen, wäre mein Fuß jetzt vielleicht so flach wie die Sohle meines Schuhs.


Während des Winters hatte mein Körper fast nicht geschwitzt, aber jetzt, dank dieses Fahrers, war er komplett schweißbedeckt. Ich konnte die Hitze fast nicht mehr ertragen.

„Du verdammter @#%$§!!“

Obwohl ich nicht wusste wer hinter dem Steuer des Lkws saß, fühlte ich wie mein Temperament mit mir durchging, während ich dem rasenden Lkw einen mörderischen Blick nachwarf.

„Wo hast du den fahren gelernt? Es ist schon schlimm genug eine rote Ampel zu ignorieren, aber bei einem Zebrastreifen zu beschleunigen? Bist du geistig zurückgeblieben? Willst du jemanden umbringen oder was? Asahina-san, hast du dir vielleicht sein Nummernschild gemerkt?“

Da ich damit beschäftig gewesen war mit dem Jungen auf die Straße zu stürzen, hatte ich klarerweise keine Gelegenheit dazu gehabt seine Nummerntafel zu sehen. Ich sah Asahina-san an, in der Hoffnung, dass sie darauf geachtet hatte---

„Jetzt verstehe ich….“

Huh? Was verstehen?

Vor mir stand eine perplexe Asahina-san, die ihre Augen weit aufgerissen hatte und sich keinen Zentimeter von der Stelle rührte. Na gut, das war zu erwarten. Es ist nur natürlich, dass man geschockt ist, wenn man einen Unfall aus nächster Nähe miterlebt. Allerdings war es nicht das, was mich verwunderte.

Was mich erstaunte war, dass Asahina-san nicht nur einen geschockten Ausdruck zeigte sondern auch...

„Jetzt verstehe ich… Das ist also der Grund… Darum wurde ich hierher geschickt...”

Während sie zu sich selbst sprach, sah Asahina-san den Jungen an, der gerade fast sein Leben verloren hätte.

Ihre engelsgleichen Gesichtszüge zeigten Erleichterung, als wäre ihr letztendlich alles klar geworden.

Ohne eine Ahnung zu haben, was genau geschehen war, blieb ich einfach auf der Straße liegen, während sich Asahina-san uns langsam mit bleichem Gesicht näherte, gerade so als wäre sie ein Zombie. Schade, dass nicht ich ihr Ziel war. Ihr Blick war auf den jungen Gesellen neben mir fixiert, der weiterhin wie festgeklebt auf der Straße saß.

Bedingt durch den beinahe Zusammenstoß, zeigte auch das Gesicht des bebrillten Jungen einen geschockten Ausdruck und sein Gesicht war genauso bleich wie das von Asahina-san. Erst als sie sich ihm näherte, blinzelte er erstaunt.

„Bist du verletzt?“

Asahina-san kniete sich neben uns auf die Straße und legte ihre Hände auf den Jungen. Der schüttelte mechanisch seinen Kopf. Ihre nächste Frage traf mich völlig unvorbereitet.

„Dann kannst du mir deinen Namen nennen?“

Ich wusste nicht warum sie sein Name interessierte. Ich meine, was war der Sinn daran? Der Junge jedoch antwortete ihr bereitwillig.

Ich war mir ziemlich sicher seinen Namen noch nie zuvor gehört zu haben, zumindest hatte ich nicht die entfernteste Erinnerung an ihn. Bei Asahina-san jedoch schien die Sache anders zu sein.

Sogar noch bevor er seinen vollen Namen genannt hatte, hatte sie aufgehört zu atmen; sie zeigte eine realitätsgetreue Parodie von Nagato, als sie dort so auf der Straße kniete ohne sich zu bewegen und mit ihrem Blick direkt auf das Gesicht des Jungen fixiert. Erst als er mit seiner Antwort fertig war, holte Asahina-san tief Luft und sagte:

„Ich verstehe, also bist du…“

Der Mund des Jungen stand weit offen. Nachdem er gerade knapp dem Schicksal entgangen war von einem außer Kontrolle geratenen Lkw überfahren zu werden, war er nun mit einem wunderschönen Mädchen konfrontiert, das ihn nach seinem Namen fragte. Egal wer davon betroffen ist, eine derartige Erfahrung wäre genug um jeden außer Fassung zu bringen. Ich kann verstehen was du gerade durchmachst Brillenschlange.

Asahina-san jedoch war dabei scheinbar todernst.

„Dann musst du mir versprechen---„

Den derartigen Ausdruck von Sorge in ihrem Gesicht hatte ich vorher noch nie gesehen.

„Egal was auch passiert, du musst immer schauen ob Autos kommen. Sei es auf der Straße oder wenn du in ein öffentliches Verkehrsmittel einsteigst, oder in ein Flugzeug, oder in einen Zug, oder sogar in ein Boot… Pass auf, dass du nicht stolperst oder hinfällst… Und ertrink nicht. Bitte, egal wann und wo, pass gut auf dich auf, in Ordnung? Kannst du mir das versprechen?“

Der Junge musste geschockt sein, denn auch ich war es. Du musst nicht derart direkt sein Asahina-san. Und selbst wenn, hättest du es nicht weniger drastisch formulieren können?

„Bitte, bitte…“

Beim Vernehmen dieser so aufrichtig besorgt klingenden Worte, der den Tränen nahen Asahina-san, beschloss ich anstelle des Bürschchens „JAWOHL MADAM!“ zu rufen. Gerade als ich loslegen wollte…

„In Ordnung.“

Der Junge nickte und versprach es ihr. Er starrte weiter auf Asahina-san und sah dabei nicht weniger verwirrt aus als ich selbst.

„Ich werde aufpassen.“

Er sprach jedes der Worte sehr steif und nickte dabei ohne Unterlass mit seinem Kopf auf und ab, was ihn wie den auf der Mauer sitzenden Humpty-Dumpty aussehen ließ.

Asahina-san war augenscheinlich noch immer nicht zufrieden, denn sie streckte ihren kleinen Finger hin.

„Dann schwör es mir.“

Beim Anblick des stotternden Jungen, der einen Schwur mit Asahina-san machte, fühlte ich einen stechenden Schmerz in meiner Brust. Ich glaube so etwas nennt man Eifersucht. Ich hatte immer insgeheim gehofft, dass ich die einzige Person war, der das erlaubt war. Aber nachdem er ja schließlich nur ein Kind war, beschloss ich doch keinen Sturz vorzutäuschen um ihre Aktion zu stören. Ich atmete erleichtert auf, als Asahina-san schließlich aufstand. Wie es scheint ist es noch immer ein langer Weg für mich um erwachsen zu werden. Ob das gut oder schlecht ist? Fragt mich nicht, das weiß ich auch nicht.

Doch in diesem Augenblick fiel mir eine andere Möglichkeit ein um sie zu stören. Ich zeigte auf die Verkehrsampel und sagte:

„Asahina-san, die Ampel schaltet gleich auf Grün. Es ist gefährlich weiter mitten auf der Straße zu bleiben.“

Die grün leuchtende Fußgängerampel hatte inzwischen begonnen zu blinken.

„Ok.“

Selbst nachdem sie aufgestanden war behielt Asahina-san den bebrillten Jungen weiterhin im Auge. Als hätte er das bemerkt, senkte dieser seinen Kopf und vermied ihren Blick.

„Danke für die Rettung in letzter Sekunde. Ich werde in Zukunft besser aufpassen.“

Dann sagte er noch eine Spur höflicher:

„Na gut, ich denke ich muss jetzt gehen.“

Nach einer tiefen Verbeugung trottete er über die Straße und verschwand schließlich aus unserem Blickfeld.


Asahina-san stand weiter regungslos da. Ihre Augen waren noch immer auf ihr kostbares Kleinod fixiert, denn sie starrte weiterhin in seine Richtung, selbst als er schon nicht mehr zu sehen war.

Ich hielt es nicht länger aus.

„Asahina-san, die Ampel ist schon rot. Wir sollten uns beeilen.“

Gewaltsam zerrte ich die Schönheit in ihrer Winterkleidung von der Straße. Als ich sie langsam an ihren Schultern schüttelte, bemerkte ich, dass ihr Körper ähnlich weich war wie der von Shamisen, der sich ohne ersichtlichen Grund dazu entschlossen hatte, sich mit mir ein Bett zu teilen. Meine Arme eng um sie zu schlingen müsste sich toll anfühlen, besonders in einem Moment wie diesen. Aber so etwas würde ich natürlich nie machen.

Nachdem die Ampel endgültig auf Rot umgesprungen war---

„Schluchz…“

Das Geräusch kam von irgendwo diagonal unter mir. Die Quelle war Asahina-san und der Grund warum es nur gedämpft zu hören war, war wahrscheinlich der, dass sie ihr Gesicht in meiner Schulter vergraben hatte.

Was zur H? --- Das war mein erster Gedanke.

Asahina-sans Gesicht war in meiner Schulter vergraben und ihre eigenen zitterten heftig. Es sah nicht danach aus als würde sie lachen.

„Schluchz, schluchz…“

Ein Strom von kristallklaren Tränen ergoss sich aus ihren fest geschlossenen Augen und feuchtete mein Hemd an. Danach klammerte sie sich an mich wie ein kleines Mädchen und ihre Tränen flossen unaufhörlich ihre porzellangleichen Wangen herab.

„Wa…Was ist los Asahina-san?! Sag doch was! Asahina-san?!”

Ich war in der Vergangenheit schon in einigen schwierigen Situationen, aber diese hier war unzweifelhaft die schwierigste in der ich mich je befand. Warum weint Asahina-san? Der Junge wurde gerettet, sollte das nicht eine erfreuliche Sache sein? Es ist ja niemand gestorben… Du solltest jetzt glücklich sein und dir nicht die Augen ausweinen. Oder war der ganze Vorfall einfach zuviel für sie? Steht sie unter Schock?

„Das ist es nicht.“,

sagte Asahina-san schluchzend.

“… Ich fühle mich nutzlos. Ich w-weiß überhaupt nichts... Ich k-kann überhaupt nichts machen…“

Jetzt war ich nur noch mehr verwirrt.

Doch alles was sie noch tat war heftig zu weinen, als hätte sie jeglichen Willen zu sprechen verloren. Wie Shamisen, der sich aus Angst zu fallen immer an mir festkrallte wenn ich ihn aufhob, klammerte sich Asahina-san an mein Hemd und hielt sich eng daran fest, während sie weiterhin ihr Gesicht darin vergrub.

Was ist hier los?

Mein Gehirn glich einem Modell-Whirlpool. Es gab nur eine Sache, derer ich mir sicher war.

Die heutigen Aktivitäten waren zu einem Ende gekommen. Diese verabredungsgleiche Einladung von Asahina-san war nach einigen Umwegen schließlich mit einem Paukenschlag abgeschlossen worden.

Diesen Schluss konnte jeder ziehen, selbst wenn er nicht über den deduktiven Verstand von Koizumi Itsuki verfügte.


Ich wusste, dass ich nicht ewig so dastehen konnte, unter dem Winterhimmel, mit einem weinenden Senpai an mich geklammert.

Der Grund hierfür war, dass inzwischen schon einige vorbeigehende Fußgänger ihre Schritte verlangsamt hatten und ihre Blicke auf das seltsame Paar neben der Straße warfen. Was macht ihr Leute überhaupt hier draußen bei so einem kalten Wetter?

„Asahina-san, wir sollten uns einen Platz zum Hinsetzen suchen, irgendwo wo du dich beruhigen kannst… Err, kannst du alleine gehen?“

Obwohl sie immer noch darauf bestand ihr Gesicht in meiner Schulter zu vergraben, nickte sie leicht mit dem Kopf.

Ich ging sehr vorsichtig und versuchte mein Bestes mich an Asahina-sans deprimierte Schritte anzupassen. Während ich neben der schluchzenden Asahina-san ging und meine Schritte verlangsamte, beklagte ich im Stillen mein Schicksal. Das war was ich immer wollte und auch wieder nicht. Seufz. Jetzt blieb mir nur noch zu hoffen, dass wir nicht von irgendwelchen Leuten von der North High bemerkt werden. Wenn bekannt werden würde, dass ich Asahina-san zum Weinen gebracht hatte, würde der gesamte Asahina Mikuru Kult am Ende sogar meinen Kopf verlangen.

„Wo sollen wir jetzt hin…“

Ein Ort an dem wir nicht zuviel Aufmerksamkeit erregen würden, uns ausruhen können und wo es warm war. Existiert so ein Ort überhaupt? Das einzige was mir einfiel war das Kaffeehaus. Allerdings war es schon gleichbedeutend mit Selbstmord dort mit einem weinenden Mädchen an einem Tisch zu sitzen.

Inzwischen hatte ich bemerkt, dass es sich beim Gebäude nahe der Straße, wo sich dieser ganze Vorfall abgespielt hatte, um Nagatos Apartmentblock handelte. Wenn ich sie gefragt hätte, hätte sie uns wohl aufgemacht, aber meine Instinkte sagten mir, dass es besser war das sein zu lassen.

Also gab es nur noch einen Ort der übrig blieb. Die heilige Stätte in der Nähe von Nagatos Aparment, der Park, mit dem so viele zärtliche Erinnerungen verbunden waren. Nachdem wir schon die Parkbank am Flussufer passiert hatten und in Anbetracht der Dringlichkeit der Situation, fand ich es nur angebracht, dass wir die ANDERE Bank benutzten, mit der sogar noch mehr Erinnerungen verbunden waren.

Wenigstens würden wir so die Gelegenheit haben unsere müden Beine auszuruhen. Wer weiß, vielleicht würde sogar irgendjemand aus dem Gebüsch dahinter hervorspringen.

Bei einem Wetter, so kalt, dass man leicht erfrieren konnte, war es kein Wunder, dass niemand daran dachte den Park zu besuchen. Wie zu erwarten war, war die Bank leer und erfreute sich einsam der rauen Winterwinde.

Ich platzierte Asahina-san auf der Bank, bevor ich mich schließlich neben sie setzte, natürlich nicht ohne sicherzustellen, dass zwischen uns noch eine kleine Lücke war. Bei einem verstohlenen Blick auf ihr Gesicht bemerkte ich, dass noch Spuren von Tränen auf ihrer porzellangleichen Haut zu sehen waren.

Ich durchwühlte meine Taschen nach einem Taschentuch, aber alles was meine Hände ertasteten, war der Stoff aus dem meine Kleidung bestand. Verdammt, wie konnte ich nur darauf vergessen heute welche mitzunehmen? Was könnte ich statt einem Taschentuch verwenden um Asahina-sans perlengleichen Tränen abzuwischen? Als ich in Panik geriet und schon kurz davor war meinen Ärmel abzureißen---

Humpf.

Etwas Weiches fiel plötzlich auf meine Schulter. Dieses weiche Ding war nichts anderes als Asahina-sans Nacken. Nach Runde eins voll öffentlichem Schluchzen, war wie nun zu Runde zwei übergegangen? Die Art wie sie ihren Kopf auf meinen Schultern ausruhte berührte wahrhaft mein Herz. Ich hielt mich jedoch zurück abrupte Bewegungen zu machen, um nicht ungewollt ein Missverständnis auszulösen. Schließlich ähnelte diese Situation sehr der einen damals und mir wurde schon einmal gegen die Stirn geschnippt. Ich wollte nicht, dass so etwas noch einmal geschieht.

„Ich hole dir einen Kaffee, in Ordnung?“

Ich hielt das für eine brillante Idee aber zu meiner Überraschung schüttelte Asahina-san sanft ihren Kopf.

„Oder hättest du lieber Oolong Tee?“

Und wieder schüttelten sich ihre kastanienbraunen Haare.

Ich versuchte mein Bestes mir das Menü des Getränkeautomaten vor meinem geistigen Auge vorzustellen und fuhr fort sie zu fragen.

„Und wie wäre es mit---„

„……Es tut mir leid.“

Eine schwache Stimme drang schließlich an meine Ohren. Asahina-sans Kopf lag noch immer auf meinen Schultern, weshalb ich ihr Gesicht nicht sehen konnte. Aber auch ohne es zu sehen konnte ich mir den Gesichtsausdruck, den sie gerade hatte, leicht vorstellen. Wenn sich Asahina-san entschuldigt, dann bedeutet das, dass es ihr von ganzem Herzen leid tut.

Ich entschied still zu bleiben und Asahina-san reden zu lassen.

„Der Grund warum ich dich heute eingeladen habe war um diesen Jungen zu retten. Ich hatte davon vorher noch keine Ahnung, aber jetzt verstehe ich es endlich. Es war nur dafür und es war nur…“

Ist gut, mach weiter.

„D-den Befehlen meiner Vorgesetzten folgend habe ich dich eingeladen. Die Zeit, der Ort und sogar die Stationen die wir besuchen sollten, ich habe nur Befehle befolgt. Es diente alles nur dazu diesen Jungen zu retten, um sicherzustellen, dass dieser Unfall nicht geschieht…Das war meine Mission.“

Vorgesetzte? Asahina-sans (groß) Lächeln schoss mir durch den Kopf.

„Warte mal. Wenn das der Fall war, hättest du deine Vorgesetzten einfach fragen können die Situation etwas genauer zu erklären. Wie zum Beispiel, dass du zu einer bestimmten Zeit an der Kreuzung Wache stehen sollst und dass es deine Aufgabe ist ein Kind namens blablabla vor einem Unfall zu bewahren. Wäre das nicht besser gewesen?“

„Weißt du… Ich hätte auch gerne klarere Anweisungen von meinen Vorgesetzten. Das Problem ist nur, dass sie das ablehnen. Sie wollen mir nichts verraten. Das muss daran liegen, dass ich nicht kompetent genug bin… So wie heute, alles was ich tun konnte war Befehle zu befolgen…“

Und wieder schoss mir Asahina-sans (groß) Lächeln durch den Kopf.

„So etwas solltest du nicht denken…“

Nachdem sie meine gestotterten Worte gehört hatte, schüttelte sie ihren Kopf voller langen, kastanienbraunen Haaren so heftig, wie noch nie an diesem Tag.

„Nein, so muss es sein! Warum sonst sollten sie mir eine derart wichtige Mission anvertrauen und es mir vorher nicht sagen? Der Grund dafür muss sein, dass ich so unfähig bin….“

Danach verstummte sie und die die von ihrem Atem produzierten weißen Wolken, die während ihrer Ansprache verschwunden waren, stiegen wieder in den Winterhimmel. Es schien als würde ihre Stimmung dem Thema entsprechen.

„Asahina-san, wer war dieses Kind?“

Nach einer Pause, ausgefüllt von den noch immer nicht verstummten leicht schluchzenden Geräuschen, sagte sie:

…. Dieser kleine Junge ist in der Zukunft eine sehr bedeutende Person. Nur wegen ihm konnte ich überhaupt hierher kommen. Wenn er sterben würde, wäre alles vorbei…“

Ihre Stimme wurde schwächer und schwächer und war kurz davor komplett zu verschwinden.

„Es tut mir Leid… Ich kann dir nicht mehr als das erzählen…“

Anders ausgedrückt, dieses unbekannte Kind darf unter keinen Umständen sterben. Und um genau das zu verhindern wurde Asahina-san beauftragt mich zu dieser Stelle zu führen--- Das war der eigentliche Rettungsplan.“

Hätte ich dieses Kind auch nur eine Sekunde später zu fassen bekommen, wäre er mit voller Wucht vom LKW gerammt worden. Ich weiß zwar nicht, was dann genau geschehen wäre, aber ich wage es zu behaupten, dass es nichts Gutes gewesen wäre. Ohne dieses kleine Wunder wäre die Wahrscheinlichkeit, dass sich dieses Kind von dieser Welt verabschiedet hätte, sehr hoch gewesen.

„Eh?“

Warte mal. Wie ist das jetzt wirklich abgelaufen? Ich habe also dieses Kind gerettet, soweit so gut. Aber, was ist dann mit der Zukunft? In der Zukunft aus der Asahina-san stammt, hätte dieses Kind dort dann nicht sowieso schon tot sein müssen? Aber nachdem das unter keinen Umständen sein durfte, entschieden sich die Zeitreisenden Asahina-san auszuschicken ihn zu beschützen…

Nein, so stimmt das nicht. Irgendwas ist hier seltsam.

Ich rettete dieses Kind, was bedeutet, dass er erfolgreich vermieden hat überfahren zu werden. Das sollte es sein, was wirklich geschehen ist. Das heißt, dass das Kind in Wirklichkeit nie in einen Unfall verwickelt war. Ansonsten wäre es Asahina-san überhaupt nicht möglich gewesen aus der Zukunft hier her zu kommen. Wenn er jetzt aber nie in einen Unfall verwickelt war, dann gäbe es auch keinen Grund dafür Asahina-san überhaupt in die Vergangenheit zu schicken um ihn zu retten. Aber das hätte wiederum zur Folge gehabt, dass er von einem Lkw überfahren wird, was wiederum bedeutet hätte, dass er Zeitreisen nie möglich machen hätte können. Das heißt dann wieder…

„Au, mir tut der Kopf weh…“

Mein Gehirn fing an zu schmerzen.

Egal wie man es auch betrachtete, irgendetwas stimmte hier nicht. Wann immer ich über etwas nachdachte, was über meinen Verstand hinausging, konnte man wahrscheinlich den verbrannten Gestank riechen, der mir aus den Ohren kam.

„Ich blick hier einfach nicht durch.“

Ich sollte wohl einfach nachfragen.

„War dieses Kind wirklich in einen Unfall verwickelt? Wie war der ursprüngliche Verlauf der Dinge? Ich bin inzwischen vollkommen verwirrt.“

Asahina-san schüttelte ihren Kopf und sagte mit einer mysteriösen Stimme:

„Wir sind nicht die Einzigen aus der Zukunft hier.“

„Es gibt noch andere, die die Existenz von Zeitreisenden ablehnen bzw. die Möglichkeit von Zeitreisen insgesamt.“


Ein smaragdgrüner Lkw, gesteuert von einem Fahrer voll mörderischer Absicht.

„Du willst mir jetzt aber nicht erzählen…..“

Ich brauchte ihre Antwort erst gar nicht abzuwarten. Selbst vergangene Erlebnisse deuteten auf diesen Schluss zu.

Eine ähnliche Person war Asakura Ryouko. Obwohl sie wie Nagato ein humanoides Interface der Datenintegrationseinheit war, schienen die beiden unterschiedlicher Ansicht hinsichtlich Haruhi zu sein. Es wäre keine Überraschung wenn sie aus völlig verschiedenen Fraktionen stammen würden.

Außerdem gab es da auch noch diese Gruppe neben der “Organisation”, die Koizumi einmal erwähnt hat. Laut ihm waren diese zwei Gruppierungen untereinander zerstritten.

Und schließlich gab es da noch die unbekannte Fraktion, die den ganzen Vorfall am verschneiten Berg eingefädelt hatte. Sie erschufen sogar eine abgeschlossene Dimension, die so stark war, dass sie nicht einmal Nagato zerstören konnte. „Unser“ (gemeint war die SOS Brigade) Feind – So hat sie Koizumi genannt.

Nach so einer kurzen Zeitspanne juckt es dich schon wieder in den Fingern? Der Feind. Was für eine irritierende Bezeichnung.

Diejenigen, die geplant hatten einen ansonsten glücklichen, jungen Burschen zu töten, der eines Tages Großartiges für die Menschheit leisten wird, was denken die sich nur dabei? Diejenigen, die darauf bestanden das Leben dieses Jungen zu zerstören, wo verstecken die sich?

Es gibt noch andere, die die Existenz von Zeitreisenden ablehnen bzw. die Möglichkeit von Zeitreisen insgesamt.

Was meinst du mit „andere“?

„Das ist…“

Asahina-sans kirschrote Lippen zitterten leicht. Für einen Moment sah es so aus als wolle sie etwas sagen. Sie entschied sich schließlich jedoch dafür stumm zu bleiben und hielt ihre Lippen fest geschlossen.

„…das kann ich dir noch nicht erzählen.“

Mit diesen Worten verfiel sie wieder in ihr Schluchzen.

„Darum fühle ich mich ja nutzlos. Es ist die Wahrheit, ich bin wirklich nutzlos. Ich kann überhaupt nichts tun um dir zu helfen. Ich kann dir noch nicht einmal helfen es zu verstehen. Ich bin einfach für nichts zu gebrauchen.“

Das ist nicht wahr.

Asahina-san, du bist nicht im Entferntesten nutzlos. Es liegt nur an den Restriktionen, die man dir auferlegt hat, dass du nicht glänzen kannst. Und derjenige, der für diese Restriktionen verantwortlich ist, ist niemand anders als dein zukünftiges Ich.

Natürlich konnte ich ihr das nicht sagen.

Das hatte ich Asahina-san (groß) am 7. Juli versprochen. Ich hatte es ihr sogar geschworen.

„Bitte lass sie von meiner Existenz nichts wissen.“

Ich wusste allerdings nicht, wie lange ich mich an dieses Versprechen zu halten hatte. Und nachdem ich das nicht wusste, sollte ich es wohl weiterhin vor Asahina-san geheim halten. Selbst ich wusste nicht warum ich in diesem Punkt so hartnäckig war, aber ich hatte das Gefühl, als wäre es besser erstmal nichts zu sagen.

Ich frage mich was sie davon hält, dass ich kein Wort sagte. Asahina-san fuhr mit deprimierter Stimme fort:

„Es ist immer so wie gerade eben. Du warst es, der das Kind gerettet hat, Kyon-kun. Uns Zeitreisenden ist es verboten direkt in irgendwelche Vorfälle in der Vergangenheit involviert zu werden…“

Ist das so?

„Die Einzigen, die die Vergangenheit ändern können, sind die, die in ihr leben. Alles andere wäre gegen die Regeln…“

Brauchtest du deshalb meine Hilfe?

„Meine Vorgesetzten haben mir gesagt was ich machen soll. Alles was ich getan habe war den Anweisungen zu folgen, obwohl ich nicht einmal wusste warum ich das alles tun sollte. Wenn ich darüber nachdenke fühle ich mich wie…. ein Idiot.“

Das bist du nicht.

“Ich hatte immer gehofft, dass mir meine Vorgesetzten mehr erzählen könnten. Deshalb habe ich auch so viele Briefe an sie geschrieben, aber die wurden alle abgelehnt. Meine Vorgesetzten müssen wirklich der Meinung sein, dass ich nutzlos bin. Das muss es sein.“

Ich hab dir schon gesagt, dass das nicht der Fall ist.

Ich konnte das nicht mehr mit ansehen und öffnete schließlich meinen Mund und sagte:

„Asahina-san, du bist definitiv nicht nutzlos. In Wahrheit hast du schon viel geleistet, sei es für mich, die SOS Brigade oder sogar die ganze Welt, also mach dir keine Sorgen.“

Plötzlich hob Asahina-san ihren Kopf und sah mich an, aber schnell wandte sie ihren weinerlichen Blick Richtung Boden.

„….Aber das Einzige was ich getan habe ist Kostüme zu tragen, das ist das Einzige wofür ich gut bin…“ Ihre Stimme klang wirklich deprimiert „Und sogar…. während ‚dieser Zeit’ hatte ich keine Ahnung was los war….“

Das konnte ich endlich verstehen. „Am 18. Dezember“---

„Das ist nicht wahr!“

Für jemanden wie mich konnte meine aktuelle Haltung schon als ziemlich ernsthaft eingestuft werden. Scheinbar war Asahina-san der gleichen Ansicht, zumindest hob sie ihren Kopf, als wäre sie von meinem plötzlichen Ausruf überrascht worden.

Ich kann beschwören, Asahina-san, dass du mehr bist als nur ein Tee servierendes Maskottchen. Bilder von Asahina-san (groß) schossen mir durch den Kopf.

Schneewittchen. Dank ihres Hinweises konnte ich aus dieser abgeschlossenen Dimension zurückkehren.

7. Juli vor drei Jahren. Nachdem ich mit Asahina-san in der Zeit zurückgereist war, bekam ich von Asahina-san (groß) den Hinweis was zu tun war und suchte schließlich die Hilfe von Nagato.

Und damals, als die Realität verändert wurde, war sie es, die geholfen hat sie wieder herzustellen---

Stimmt ja, ich habe ihnen noch immer nicht alles über diesen Vorfall erzählt, vielleicht auch weil es unter Umständen zuviel zum Verdauen für sie wäre. Ich habe vor, noch einige Zeit vergehen zu lassen, bevor ich mit ihnen darüber spreche. Ich habe ihnen nur kurz erzählt, dass wir die Welt retten werden. Dann reisten wir Drei, Nagato, Asahina-san und ich, zurück zu diesem Zeitpunkt, wo wir auf mein sterbendes „Ich“ und Nagatos „veränderte“ Form trafen, bevor ich dem Ganzen ein Ende setzte. Ich glaube schon, dass Asahina-san diesen Vorfall noch immer lebhaft in Erinnerung hatte. Der einzige Unterschied ist, dass sie im Gegensatz zu mir und Nagato nichts von der zukünftigen Version ihrer selbst weiß, was von Asahina-san (groß) so geplant wurde.

Ich wage es zu behaupten, dass es sich sowohl bei der kleinen als auch bei der großen Version von Asahina-san um die Asahina-san handelte, die ich kenne und nicht um die „veränderte“ Version von ihr, die mich nicht erkannt hat. Um es in Nagatos Worten auszudrücken, sie stammen aus unterschiedlichen Zeiten, sind aber das gleiche Wesen. Oder so etwas in der Art.



Diese Asahina-san hier handelte nur wie es ihr befohlen wurde, aber tief in meinem Inneren wusste ich, dass diejenige, die ihr diese Aufträge erteilte, niemand anderer war als die ältere Version ihrer selbst. Asahina-san (groß) sollte wissen was zu tun war und was nicht. Ich meine, schließlich geht es hier ja um sie selbst.

Wenn es etwas gewesen wäre, was Asahina-san (klein) wissen sollte, dann hätte sie es ihr von Anfang an gesagt. Nachdem sie aber wie es schien nichts verraten hatte, dachte ich, dass es wohl das Beste wäre auch nichts zu sagen. „Verrate ihr zumindest nicht wer hier ursprünglich war.“ Das war es, was mich Asahina-san (groß) gebeten hatte.

Natürlich könnte ich dir jetzt sagen, dass du in naher Zukunft eine sogar noch schönere Frau werden würdest, als du es jetzt bist und sogar die Grenzen von Zeit und Raum überschreiten wirst um mir zu helfen. Nichts wäre leichter für mich. Zum Beispiel während des zweiten Mals als ich zum 7. Juli vor drei Jahren zurückgekehrt bin, da hätte ich mit Leichtigkeit dein auf der Parkbank schlafendes „Ich“ aufwecken und ihm alles erzählen können. Mit anderen Worten, ob ich es verrate oder nicht, das obliegt allein mir. So einfach ist das.

Aber das habe ich natürlich nicht getan, auch wenn mir niemand gesagt hat, dass ich es nicht tun kann. Doch gerade weil mir niemand gesagt hat, dass ich es tun kann, habe ich es nicht getan. Wenn ich im Nachhinein darüber nachdenke, habe ich glaube ich die richtige Entscheidung getroffen.

Eines Tages wird diese kleine Version von Asahina-san in die Zukunft zurückkehren, bevor sie schließlich wieder als ältere Version zurückkehrt um uns zu helfen. Auch wenn die derzeitige Asahina-san ein unentbehrlicher Schatz für die SOS Brigade war, wie als das private Dienstmädchen des Klubraums, so würde doch der Tag kommen, an dem sie trotzdem zurückkehren musste. Alles hin eng zusammen. Nur dank der Gegenwart konnte es eine Zukunft geben. Wenn die Gegenwart nun mit allerlei Arten von fremden Angelegenheiten gestört wird, wer weiß wie sich die Zukunft entwickeln würde---

Plötzlich realisierte ich etwas.

„Aber ja!“

Ich wollte meinen Mund öffnen und alles erzählen, aber ich wusste, dass ich das nicht konnte. Mein Verlangen es zu tun kollidierte mit meiner Einschätzung was das Richtige war – Endlich wusste ich wie sich das anfühlt. So ein Gefühl ist das also.

Ich dachte darüber nach was letzten Sommer geschehen war, während der ersten stadtweiten Suche nach mysteriösen Vorfällen, als Asahina-san und ich Seite an Seite durch die Allee von blühenden Kirschbäumen am Flussufer gegangen waren, wo sie mir schließlich ihre wahre Identität als Zeitreisende eröffnet hatte und versucht hatte mir das Konzept hinter Zeitreisen zu erklären. Ob man das allerdings als wirkliche Erklärung gelten lassen konnte wusste ich nicht. Ich wusste nur, dass es etwas mit Zeitebenen, Cartoons und Zeichnungen zu tun hatte, aber nichts mit Wasser

Damals war ihre Antwort auf alles was ich fragte:

„Klassifizierte Information.“

Was ich gerade erlebe muss in etwa so sein, wie es ihr damals ging. Es stimmt schon, jetzt war nicht die Zeit ihr alles zu erzählen, aber…

„Asahina-san.“

Ich wollte sie trotzdem trösten, weshalb ich anfing zu sprechen.

“Was ist?”, fragte Asahina-san und ihre glänzenden Augen öffneten sich weit und starrten mich an.

„Erm…Es ist so. In Wirklichkeit, Asahina-san…also... wie soll ich sagen… Err… Du bist definitiv nicht nur Haruhis Spielzeug. Und err... wie war das nochmal? Irgendwas wie... es verbirgt sich immer etwas unter der Oberfläche... stöhn~“

Ich gab es schließlich auf weiter nach dem richtigen Sprichwort zu suchen. Egal was ich auch sagen würde, es würde immer voller Erklärungslücken sein. Wie ärgerlich~ Ich wollte sie so gerne trösten, so dass sie nicht mehr so niedergeschlagen ist, aber wie es scheint war Improvisieren während des Sprechens nicht meine Stärke, was dann zu solchen dilettantischen Sätzen wie weiter oben führte. Koizumi könnte hier sicher mit ein paar wunderschön klingenden, wenn auch schwachsinnigen Sätzen aufwarten, von denen ich ohne Zweifel genervt wäre. Jedoch sollte ein Mann wissen wo seine Grenzen liegen. Ich konnte nicht immer um Hilfe zu Nagato oder Koizumi rennen. Das hier war schließlich mein Problem, also sollte ich es auch selber lösen.

Dennoch, das hier war wie als hätte man einem Pavian den neuesten high-end Computer gegeben ohne ihm zu erklären wie man ihn benutzt. Auch wenn ich Asahina-san wirklich trösten wollte, existierte in meinem Gehirn kein dafür brauchbares Vokabular.

„Erm… Ich meine…“

Vielleicht würde ein physischer Reiz helfen. Der würde vielleicht den Vokabelfluss antreiben. Mit dieser Vorstellung schlug ich mit meinen Fäusten auf meinen Kopf. Nichts passierte – in meinem Gehirn herrschte noch immer gähnende Leere.

“….. Err… Umm…”

Letztendlich war alles was ich hervorbrachte ein Err und ein Umm, und ich schien nur auf den Sonnenuntergang zu warten.

So blieb es bis Asahina-san schließlich sagte---

„Kyon-kun, du brauchst nichts mehr zu sagen.“

Ich hob augenblicklich meinen Kopf und starrte in Asahina-sans verwirrte Augen. Ihr Mund jedoch war zu einem Lächeln verzogen.

„Du brauchst nichts mehr zu sagen.“

Wiederholte sie.

“Was auch immer du versuchst zu sagen, ich verstehe es.”

Sie vergrößerte ihr Lächeln und nickte sanft.

Huh? Du verstehst es? Und was verstehst du? Ich habe überhaupt nichts gesagt---

„Du brauchst wirklich nichts mehr zu sagen. Das reicht schon.“

Asahina-sans zuvor noch fest geschlossenen Lippen öffneten sich und sie sah mich mit einem gutmütigen Blick an. Ein leichter, aber erkennbarer Hauch von Verständnis lag in ihren Augen.

Plötzlich wurde mir etwas anderes bewusst.

Was mir bewusst wurde fragt ihr? Müsst ihr das wirklich überhaupt noch fragen?

Was mir bewusst wurde war – dass Asahina-san es endlich verstanden hatte.

Vielleicht hatte sie durch mein Herumgestotter schließlich endlich die eigentliche Botschaft realisiert, die ich ihr mitteilen wollte, auch wenn ich es nie laut ausgesprochen hatte. Aber warum habe ich das nicht getan? Dafür gab es nur einige wenige Erklärungen.

„Ahh.“

Gerade als ich meinen Mund öffnen wollte um ihr etwas zu sagen, hob Asahina-san sanft ihre linke Hand und legte ihren warmen Zeigefinger auf meine eiskalten Lippen.

Das war das Zeichen für mich einzuhalten.

Es gab keinen Grund mehr weiterzumachen. Meine Gedanken hatten Asahina-san schon erreicht. So blieben wir beide stumm.

„Ja.“

Asahina-san hob langsam ihren Zeigefinger und legte ihn auf ihre eignen Lippen, woraufhin eine Serie von wohlig warmen Wellen mein Herz durchströmte. [[Image:Sh_v6_ch5_02.jpg|thumb| Asahina-san hob langsam ihren Zeigefinger und legte ihn auf ihre eignen Lippen, woraufhin eine Serie von wohlig warmen Wellen mein Herz durchströmte. „So ist es.“

Das war alles was ich sagen konnte.

Schweigen ist Gold, Reden ist Silber. Hieß es nicht so? Es gab auf der Welt keinen einzigen Werfer, der dem Schlagmann damit zuschwatzen musste was sein nächster Wurf sein würde. Es gab hochbequeme Kommunikationsarten in dieser Welt, wie durch Signale oder durch Körpersprache. Einfache Dinge müssen nicht durch Sprache ausgedrückt werden.

Warum war das so? Nun ja, weil auch wenn wir es nicht laus aussprachenm wir beide schon verstanden hatten was der andere auf dem Herzen hatte.

Wenn Kommunikation auch ohne das Medium der Sprache möglich war, warum nicht? So brauchte man keinen ausgeprägten Wortschatz, keine langen ausgefeilten Reden und es spart auch noch Energie.

Die einzige Antwort, die ich geben konnte, war ein Lächeln.

Das war ausreichend. Alles was nicht mit der Sprache transportiert werden konnte, musste über das Herz vermittelt werden.



Am folgenden Montag.

Der Zeitpunkt war nach dem Unterricht. Alle hatten sich wie immer im Klubraum versammelt und kosteten den neu erworbenen Tee. Nachdem alle damit fertig waren, sagte die Kommandantin der SOS Brigade:

„Sag mal Kyon.“

Ungleich mir selbst zeigte Haruhi keinerlei Zeichen von Dankbarkeit und trank die ganze Tasse voll 70 Grad heißem Tee in nur zwei Sekunden aus. Nach all den Schwierigkeiten, die Asahina-san und ich hatten durchmachen müssen, könntest du da den verdammten Tee nicht wenigstens kosten?

„Was ist?“

Antwortete ich und schielte unbemerkt zu Asahina-san.

„Ahh… Willst du noch einen Tee?“

Asahina-san nahm den Kessel in Vorbereitung Haruhis leere Tasse wieder aufzufüllen.

Haruhi lehnte sich plötzlich nach vorne und stützte ihr Kinn auf ihre Hände, bevor sie schließlich begann ein paar seltsame Sätze von sich zu geben:

„Ich habe die Angewohnheit mit mir selbst zu sprechen.“

Ist das so? Das wäre mir neu. Obwohl ich dich jetzt schon seit einem ganzen Jahr kenne, ist das das erste Mal, dass ich davon höre.

„Selbst wenn es neben mir noch andere geben würde, ich würde trotzdem weitermachen.“

Davor solltest du aber noch dein Gehirn untersuchen lassen.

„So, ich werde jetzt wieder zu mir selbst sprechen. Falls es zufällig jemand von euch hört, habt Nachsicht mit mir.“

Was willst du damit sagen? Aber noch bevor ich das aussprechen konnte, erhob Haruhi plötzlich ihre Stimme und sagte:

„Wisst ihr, da lebt ein intelligentes und ehrliches Kind bei mir in der Nähe. Er trägt eine Brille, wie die eines Professors und sieht damit entsprechend gebildet aus. Sein Name ist…“

Haruhi nannte einen Namen, bei dem ich mir sicher war ihn vor kurzem gehört zu haben. Mein Rücken fing plötzlich an zu Schwitzen, aber das lag nicht an der Hitze.

Asahina-san erstarrte auf der Stelle.

„Maaaaaaaaaaaaaaanchmal komme ich zu ihm und helfe ihm mit seinen Hausaufgaben. Darum war ich gestern bei ihm. Dabei hat er mir gesagt: Das Bunny-Girl ist mit einem Kerl unterwegs.“

Haruhi zeigte ein Lächeln, das es einem kalt den Rücken runter lief.

„Als wir im Herbst den Film gedreht haben, war er zufällig in der Nähe. Mikuru-chan in ihrem Bunny-Kostüm hat einen tiefen Eindruck bei ihm hinterlassen. Nachdem wir schon bei dem Thema waren, fragte ich ihn wie der Kerl ausgesehen hatte. Das ist was er gezeichnet hat.“

Haruhi zog ein Blatt Papier hervor, das eindeutig aus einem College-Block herausgerissen worden war. Darauf war eine einfache Skizze eines sehr vertrauten Gesichtes zu sehen. Hmm… wie kommt es, dass es wie derjenige aussieht, den ich normalerweise jeden Morgen sehe wenn ich in den Spiegel schaue? Warte mal, das sollte ja ich selbst sein. Egal wie man es auch betrachtete, da war mein Portrait auf dem Papier.

"Fufufufufufu~"


Haruhi ließ plötzlich ein mächtiges Lachen ertönen.

Das Kind stellte sich als vorlauter, allerdings begabter Künstler heraus! Sollte er nicht eines Tages Gelehrter werden? Erzählt mir nicht, dass er vorhat in Zukunft ein Künstler zu werden. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich ihn bestochen, so dass er einige Zeit lang stumm und arbeitsunfähig wird.

Mein Blick trübte sich für ungefähr drei Sekunden und ich wartete ob nicht ein Heiliger herabsteigen würde um die Welt zu retten.

Asahina-san zitterte am ganzen Körper und schien ihre Stimme verloren zu haben. In einer Situation wie dieser waren die Chancen schlecht, dass plötzlich eine neue Person hereinstürmen würde, also wanderte mein Blick verzweifelt durch den Klubraum.

„… … …“

Nachdem ich in Nagatos minus vier Grad Celsius Augen gesehen hatte, fühlte ich mich plötzlich nur noch elend.

Auf der anderen Seite tat Koizumi nichts außer zu lächeln, als ob er die ganze Situation genießen würde. Warte mal. Diese beiden können nicht schon alles von Anfang an gewusst haben, oder doch?

"Hmm~?"

Haruhis Gesichtsaudruck glich jemandem, der gerade Onigiri gewürzt mit Chilipaste und zerstoßenen psychedelischen Pilzen gegessen hatte, also jemandem, der loslachen wollte, sich aber zurückhalten musste.

„Spucks aus. Wo warst du gestern mit Mikuru-chan und was habt ihr dort gemacht? Keine Sorge, ich verspreche euch ich werde auch nicht wütend.“

Ich warf einen kurzen Blick auf Asahina-san, die einem in grüne Farbe getränkten Frosch glich, so grün war ihr Gesicht. Also lag es an mir zu sprechen, obwohl auch mir der kalte Schweiß vom Gesicht tropfte und ich mich wie eine Kröte fühlte, die von drei Dutzend Schlangen umzingelt war.

Es musste meine Einbildung gewesen sein, aber für einen Moment war mir so, als sehe ich Haruhis Aura hinter ihr aufsteigen, bevor sie sich in einem gewaltigen Feuerwerk entlud, das die Fensterscheibe hinter Nagato zerschmetterte… Oder ähnliche Illusionen in dieser Größenordnung.

„Es tut mir leid.”

Koizumi stand auf, als wolle er das unsichtbare Feuerwerk vermeiden und zog seinen Stuhl weg von der Fensterscheibe.

Dann machte er mit beiden Händen eine Geste und fuhr damit fort so weiterzulächeln wie er es immer tat. Die einzigen Worte, die er von sich gab, waren „Bitte, fahr fort.“

Hol dich doch der Teufel, Koizumi! Um dich kümmere ich mich später, indem ich dich durch hohe Einsätze beim Pokern fertig mache! Das merk ich mir!

„A-ah… Wegen d-dem…“

Was jetzt zu tun war, war eine Lüge zu erfinden, die Haruhi überzeugen würde. Aber gerade jetzt hatte ich keine Zeit um über eine nachzudenken. Könnte mir also nicht irgendwer da draußen bitte helfen? Wenn es geht schickt mir eine SMS, denn selbst ein Kurierdienst würde nicht rechtzeitig ankommen.

Mit meinem Gestotter konfrontiert, beschloss Haruhi ihre Frage zu wiederholen.

„Also, spucks aus und ich will, dass die Erklärung so lange und präzise ist, dass auch Koizumi-kun, Yuki und ich sie verstehen. Wenn nicht…“

Haruhi atmete tief ein und setzte ein breites Grinsen auf, bevor sie schließlich sagte:

„Wenn nicht, werdet ihr beide aufs Härteste bestraft! Genau, was haltet ihr von dem?“

Haruhi verkündete eine Bestrafung, so unmenschlich, dass selbst die blutgetränkten Tore der Hölle bei ihrem Vernehmen erzittern würden. Ich blickte zu Asahina-san und sah, dass ihr Körper bebte.

Genauso wie meiner.

Was danach im Klubraum geschah bedarf glaube ich keiner weiteren Erklärung.

Konfrontiert mit Haruhis sadistischem Lächeln, Nagatos überdurchschnittlich kaltem Gesichtsausdruck und Koizumis nervigem Grinsen, das anzudeuten schien, dass er das Ganze etwas genoss, durchstöberte ich verzweifelt mein Gehirn nach irgendeiner Form von Erklärung, wie eine verlorene Seele die mitten in der Sahara mit aller Kraft versucht ein wenig Wasser aus einem trockenen Schwamm zu pressen. Neben mir befand sich Asahina-san in einem Zustand höchster Panik und klammerte sich an ihren Kessel und die Teeblätter.

Ich glaube wirklich nicht, dass noch weitere Erklärungen notwendig sind. Ihr könnt euch den Rest wahrscheinlich denken.


(Die Melancholie der Asahina Mikuru Ende)


Zurück zur Hauptseite Zurück zu Wo ist der Kater hin? Weiter zu Anmerkungen des Autors