Sword Art Online ~Deutsche Version~ Band 1 Kapitel 5

From Baka-Tsuki
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Nachdem ich das Ungeheuer Lord Lizardmann im Labyrinth des 74. Stockes mit Mühe besiegt hatte, trat ich den Heimweg an, den ich mir - wie immer - gemerkt hatte und ließ anschließend ein erleichtertes Seufzen von mir, als ich den Ausgang in einem grellen Licht erblickte.

Mit leerem Kopf setzte ich meinen Weg fort, ging zum Ausgang hinaus und nahm daraufhin einen tiefen Atemzug der frischen und klaren Luft.

Vor mir lief ein schmaler Pfad mit einem durchwachsenen Wald zusammen. Hinter mir befand sich das Labyrinth, aus dem ich heraus kam, welches sich bis in den Himmel erhob – allerdings nur bis zum Boden des nächsten Stockes, um präziser zu sein.

Das Ziel des Spiels war es, die oberste Ebene zu erreichen, daher gab es in dieser Welt auch keine Untergrundlabyrinthe, stattdessen verliefen sie in einem riesigen Turm. Dennoch wurde das ursprüngliche Konzept nicht verändert: Monster, eines stärker als das andere, treffen auf einen, während das Bossmonster im tiefsten Tief wartete.

Es wurden bereits 80% des 74. Stockes erforscht, oder wie man zu sagen pflegt: sie wurde gemappt. Wahrscheinlich würde in einigen Tagen der Bossmonsterraum entdeckt werden, und eine Truppe, die ihn bezwingen möchte, wird formiert. Selbstverständlich werde ich als Solo-Spieler auch daran teilnehmen.

Mit einem Lächeln und gemischten Gefühlen, aus Erwartung und Frustration zugleich, lief ich die schmale Gasse entlang.

<Alged> befand sich im 50. Stock und war meine Heimatstadt und zurzeit die größte Stadt in Aincrad. Naja, die Anfangsstadt war vom Umfang her größer, allerdings operierte die <Armee> dort, weswegen es sehr unangenehm war, dort herumzulaufen.

Kurz nachdem ich die in Dunkelheit getauchte Ebenen verließ, sprießte ein Wald mit alten Bäumen vor mir. Wenn ich 30 Minuten weiter geradeaus lief, dann würde ich den <bewohnbaren Bereich> des 74. Stockes erreichen. Anschließend könnte ich eine <Übergangspforte> benutzen und mich sofort nach Alged teleportieren.

Ich könnte aber auch ein Teleportationsitem, das sich in meinem Inventar befand, nutzen um nach Alged zurück zu gelangen. Allerdings sind sie sehr teuer, daher habe ich mich entschlossen, sie nur in gefährlichen Situationen zu verwenden. Manchmal ließ der Sonnenuntergang auf sich warten, weshalb ich mich diesmal dazu durchgerungen hatte, den Weg durch den Wald zu nehmen, um schneller nach Hause zu kommen.

Wie im Regelwerk verfasst, waren die Stoßpfeiler jedes Stockwerkes von Aincrad zum Himmel hin geöffnet. Die Bäume waren in ein brennendes Purpur getaucht. Der Nebel brach das wenige Sonnenlicht und schimmerte in der Reflektion. Das Gezwitscher der Vögel, die während des Tages zu hören waren, klang in der Woge des Windes.

Auch wenn ich wusste, dass es mir nicht schwer fällt, gegen ein Monster in dieser Umgebung zu kämpfen – selbst im erschöpften Zustand – kam mir doch ein Stich der Angst, als ich an die kommende Nacht dachte. Dieses Gefühl ähnelte dem, als ich ein Kind war und den Nachhauseweg nicht fand.

Trotzdem verachtete ich das Gefühl nicht. Als ich noch auf der anderen Seite lebte, hatte ich dieses Gefühl oft vergessen. Das Gefühl der Einsamkeit, das einen allein in der Wildnis überwältigte; und niemand ist in Sichtweite – man könnte sagen, dass es das Wesen eines RPGs sei.

Während ich in Nostalgie schwebte, traf ein jäher Schrei, der mir unbekannt war, meine Ohren.

Er erklang nur für einen kurzen Moment, aber er war hell und klar wie ein Zungenpfiff. Abrupt stoppten meine Füße und ich begann, den Ton ausfindig zu machen. Wenn man in dieser Welt etwas hörte oder sah, was man noch nie zuvor gehört oder gesehen hatte, dann hatte man entweder großes Glück oder Pech.

Als Solo-Spieler hatte ich den <Feindsuche-Skill> trainiert. Diese Fähigkeit verhindert hinterhältige Angriffe. Hatte man ihn gemeisterte, dann bekam der Spieler die zusätzliche Fähigkeit, andere Monster aufzuspüren, die versteckt waren. Deshalb war es mir möglich, Monster aus einer Entfernung von bis zu zehn Metern aufzuspüren, obwohl sie sich im Gebüsch versteckt hielten.

Es war nicht besonders groß. Die Ohren waren länger als der gesamte Körper, der Pelz hatte einen Grünstich wie bei einem Camouflage-Outfit, was bestens geeignet war, um sich im dichten Gebüsch zu verstecken. Als ich mich darauf konzentrierte, wurde es sofort als „Gegner“ registriert, und ein gelber Cursor erschien über seinem Namen.

Mein Atem stockte, als ich den Namen las: <Ragout-Hase>. Ein sehr seltenes Monster.

Es war das erste Mal, dass ich ein echtes gesehen hatte. Der einfachgestrickte Hase, welcher zwischen den Zweigen lebte, war weder besonders stark noch gab er viele Erfahrungspunkte, dennoch –

Vorsichtig zog ich ein dünnes Wurfgeschoss aus meinem Gürtel. Mein <Wurfmesser-Skill> war nicht besonders hoch. Als ein Zweig aus dem Fähigkeitenbaum musste ich einige Punkte darauf verteilen. Aber als ich gehört hatte, dass der Ragout-Hase das schnellste Monster sei, das je gesehen wurde, zweifelte ich stark daran, es mit meinem Schwert zu treffen.

Ich hatte nur eine Gelegenheit es anzugreifen, bevor es mich bemerken würde. Ich hob meine Wurfnadel, fest entschlossen es zu treffen und nahm eine <Meuchelposition> ein.

Es spielte keine Rolle, wie schwach meine Wurffähigkeit war; verstärkt mit meiner hohen Geschicklichkeit glitt das Wurfgeschoss in einer verschwommenen Bewegung aus meiner Hand. Es blitzte kurz auf und verschwand in den Bäumen. Kurz nachdem ich es attackiert hatte, wurde der Cursor, der auf den Ragout-Hasen zeigte, rot und seine Hit-Point-Leiste erschien.

Ein hoher Schrei erklang aus der Richtung, in die ich meine Wurfnadel warf. Der HP-Balken schwankte etwas und sank schließlich auf 0. Ein vertrautes Geräusch von zerborstenen Polygonen war zu vernehmen.

Ich ballte meine linke Hand zur Faust. Dann hob ich die Rechte und öffnete das Hauptmenü. Sofort klickte ich auf das Inventar, aber es schien mir, dass meine Hand sich in Slow-Motion bewegen würde. Und als ich im oberen Schacht meines Inventares schaute, tauchte ein neues Item auf. Es war da: <Fleisch vom Ragout-Hasen>. Es war so selten, dass man es für über 100.000 Col an andere Spieler verkaufen konnte. Damit könnte man sich die beste Rüstung kaufen und hätte sogar noch Col übrig.

Es gab auch einen bestimmten Grund warum das Item so teuer war. Das Fleisch war das köstlichste Essensitem im Spiel.

Essen war wohl die einzige Freude, die SAO zu bieten hatte. Aber was man gewöhnlich zwischen die Zähne bekam, waren Brot und Suppe, die jedoch schmeckten, als würden sie aus einem europäischen Acker entstammen – es ist nicht so, dass ich wüsste wie sowas schmeckt, aber die Zutaten waren wahrhaftig eingepflanzt worden. Wenige Spieler hatten ihre Kochfähigkeit trainiert, um anderen ein Festschmaus bieten zu können. Allerdings war das nicht so einfach und somit waren Spieler in die verschieden Geschmäcker vernarrt, die zustande kommen konnten.

Selbstverständlich ging es mir nicht anderes. Ich war von der Suppe und dem braunen Brot der NPC keineswegs abgeneigt, die sie in ihren Restaurants verkauften, aber manchmal überkam mich doch das Bedürfnis, etwas Fleisch beißen zu können, das mir die Geschmacksnerven verdrehen konnte.

Eine Weile starrte ich auf den Namen des Items und jonglierte mit meinen Gedanken, was ich jetzt damit anstellen sollte. Die Chance, dass ich so etwas noch einmal bekam war sehr gering. Und ehrlich gesagt, wollte ich es viel lieber essen. Aber je höher der Koch-Rang des Items war, desto höher musste auch der Koch-Skill sein. Also musste ich jemanden finden, der die Kochfähigkeit auf das höchste Level gebracht hatte, um es für mich zu kochen.

Aber ich kannte niemanden....... Um ehrlich zu sein, kannte ich welche, aber es wäre zu mühselig, sie ausfindig zu machen. Außerdem war es an der Zeit sich eine neue Rüstung zu besorgen. Also entschloss ich mich dazu, es zu verkaufen.

Ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden, schloss ich das Menüfenster und untersuchte die Umgebung mit meinem Scan-Skill. Es war zwar sehr unwahrscheinlich, dass man an der Frontline auf Räuber stieß, trotzdem konnte man nicht vorsichtig genug sein, wenn man ein S-Rang Item in seinem Inventar trug.

Sobald ich es verkaufen würde, könnte ich mir sämtliche Teleportationsitems kaufen, die ich wollte. Also entschied ich mich, das Risiko einer solchen Auseinandersetzung zu minimieren und begann, in meinem Beutel zu wühlen.

Ich holte einen blauschimmernden Kristall hervor, der einer achteckigen Säule ähnelte. Die wenigen magischen Items, die <Magie> beherbergten, hatten die Form eines Juwels. Blau stand für den Transfer, rosa für die HP-Erholung und grün für die Entgiftung. Sie waren sehr komfortabel, da ihre Effekte sofort wirkten, dafür waren sie sehr teuer. Das war auch der Grund, warum die meisten Spieler, während sie einem Kampf entflohen, gestaffelte Items verwendeten, die erst nach einer gewissen Zeit ihre Wirkung vollkommen entfalteten.

Nachdem ich mich davon überzeugt hatte, dass ich mich - ohne Zweifel – gerade in einer Notsituation befand, holte ich den blaufunkelnden Kristall hervor und rief:

„Teleport! Alged!“

Erfrischende Glockenklänge drangen in meine Ohren und der Kristall in meiner Hand zersprang in kleine Teile. Zugleich flutete ein blaues Licht meinen Körper und der Wald verschwand langsam aus meinem Gesichtsfeld, als würde er schmelzen. Ein grelles Licht und dann ein Funkeln, und als es verschwand war die Teleportation beendet. Anstelle von Waldgeräuschen hörte ich das schlagen von Hämmern und die Geräusche einer belebten Stadt.

Der Ort, an dem ich mich wieder fand, war die <Überganspforte>, die mitten in Alged platziert war.

Inmitten des kreisförmigen Platzes ragte ein Tor aus Metall fünf Meter empor. Darin wirbelte die Luft wie Geister um ein altes Schloss, und Leute, die gerade teleportiert wurden oder sich teleportieren wollten, kamen heraus oder gingen hinein.

Aus dem Platz erstreckten sich vier lange Wege, und an deren Seiten waren unzählige kleine Geschäfte nebeneinander gereiht. Spieler, die von dem heutigen Tag erschöpft in die Stadt kamen und nach einer Herberge fragten, unterhielten sich vor Restaurants oder Kneipen.

Versuchte man Alged in einem Wort zu beschreiben, dann wäre <chaotisch> ziemlich treffend.

Hier gab es keine breiten Straßen oder Kreuzungen, die durch die Stadt verliefen, wie in der Anfangsstadt. Die Geschäfte waren sehr ominös, sodass man nicht bestimmen konnte, was sie verkauften, und die Herbergen ließen einen schaudern, da man nie sicher war, ob man sie auch verlassen konnte, sobald man sie betrat.

Tatsächlich gab es Spieler, die durch die Straßen von Alged liefen, doch sie wanderten tagelang umher, bis sie endlich heraus fanden. Zwar lebte ich schon seit über einem Jahr hier, trotz dessen kenne ich nicht einmal die Hälfte der Stadt. Sogar die NPCs waren merkwürdig. Sie ließen ein Unbehagen in einem aufkommen, weil man sie nicht richtig einschätzen konnte. Es fühlte sich an, dass sämtliche Leute, die hier wohnten, auch merkwürdig wären.

Trotzdem mochte ich die Atmosphäre, die die Straßen verbreiteten. Es wäre nicht übertrieben zu sagen, dass ich mich nur ein einziges Mal heimisch fühlte, als ich in einem dubiosen Teehaus an der Ecke einen sonderbar riechenden Tee getrunken hatte. Der Grund war, dass ich mich dort etwas sentimental fühlte, weil mich das Teehaus an einen Elektroladen erinnerte, den ich oft besucht hatte – zumindest glaubte ich das.

Mir kam wieder das Item, das ich verkaufen wollte in den Sinn und ich ging, statt nach Hause, geradeaus in ein Geschäft.

Der Weg, der von der Übergangspforte aus nach Westen führte, leitete mich zu diesem Geschäft. Nachdem ich mich auf der Straße durch die Menschenmassen geschlagen hatte, betrat ich den Laden. Innen war es klein, sodass der Raum kaum für fünf Leute herhalten konnte, außerdem hatte es das typische Durcheinander eines Spielershops: Gegenstände, Waffen und sogar Zutaten für Nahrung waren wahllos aufgelistet.

Der Ladenbesitzer war regelrecht in Verhandlungen verwickelt.

Es gab zwei Möglichkeiten, Items zu verkaufen. Die eine ist, den Gegenstand an einen NPC zu verkaufen – also einem Charakter, der vom System kontrolliert wurde. Dies war die sicherste Methode, da einem die Angst reingelegt zu werden genommen wurde. Allerdings war der Preis immer derselbe und geringer als der eigentliche Marktpreis, um eine Inflation zu verhindern.

Die andere Möglichkeit ist, mit anderen Spielern zu handeln. In diesem Fall kann das Item zu einem höheren Preis verkauft werden, aber dazu war ein hohes Verhandlungsgeschick notwendig. Zudem musste ein anderer Spieler gefunden werden, dem das Item verkauft werden konnte. War es dann soweit, dann war es nicht selten, dass Spieler sich ein Wortgefecht lieferten. Aus diesem Grund gab es Spieler, die sich auf das Handeln spezialisiert hatten.

Allerdings konnten sie allein vom Handel nicht überleben.

So wie jede Klasse musste sie die Hälfte ihrer „Skill-Slots“ mit kämpferischen Fähigkeiten bestücken. Aus dem Grund mussten sie Monster auf Feldern jagen, um Materialien und Zutaten zu bekommen. Selbstverständlich hatten sie es oftmals schwieriger als gewöhnliche Schwertkämpfer, da sie keinen Gefallen daran fanden, Monster zu töten.

Aber das machte die Händlerklasse zur nobelsten von allen, da sie die Leute, die jeden Tag an der Frontlinie kämpften, unterstützten. In diesem Punkt achtete ich sie sehr.

– ich achtete sie zwar sehr, allerdings stimmte es, dass diese Charaktere dem Tode am Weitesten entfernt waren.

„So, dann ist es beschlossen! 25 <Fell von der Staubeidechse> für 500 Col!“

Der Ladenbesitzer Agil, den ich oft besuchte, verhandelte gerade mit einem schwach aussehenden Speermann und klopfte ihm mit seinem großen Arm auf den Rücken. Dann öffnete er rasch das Handelsfenster und trug den Betrag in die Liste ein.

Sein Handelspartner sah etwas nachdenklich aus, aber als er in Agils Gesicht starrte, das etwas beängstigend war und einem erfahrenen Kämpfer ähnelte, – tatsächlich war Agil sowohl ein erfahrener Kämpfer, der hervorragend mit seiner Axt umgehen konnte, als auch ein Händler – schob er die Gegenstände in das Handelsfenster und klickte auf OK.

„Vielen Dank!! Ich hoffe, du beehrst mich bald wieder!

Zum Abschied klopfte Agil dem Speerkämpfer auf den Rücken und grinste herzlich. Das Fell der Staubeidechse kann verwendet werden, um besonders wertvolle Rüstungen zu schmieden. Egal wie man es betrachtete, 500 Col waren doch etwas zu wenig für das Item, dachte ich, aber ich hielt stillschweigen und beobachtete den Speerkämpfer beim gehen. Nimm dir das zur Herzen und gib niemandem einen Grund, dich auf solch einen Handel einzulassen, flüsterte ich zu mir selbst.

„Hi. Wie immer gehst du schamlos mit deinen Geschäftspartnern um, nicht wahr.“

Der glatzköpfige Riese drehte sich zu mir um, als er meine Stimme hinter seinem Rücken hörte.

„Na, wenn das nicht Kirito ist, du kennst doch unser Motto: wir kaufen und verkaufen billig!“, sagte er, ohne Reue zu zeigen.

„Das „billig Verkaufen“ bezweifele ich etwas, aber das weißt du ja selbst. Was soll's, ich bin sowieso hier, weil ich auch etwas verkaufen möchte.“

„Du kommst oft her, daher kennst du meine Tricks schon. Naja, also.......“

Während er seine Schamlosigkeit zugab, reckte er seinen kräftigen und kleinen Hals und beäugte die Handelsanfrage, die ich ihm stellte.

Das Aussehen der Spieler in SAO war mit den realen Körpern identisch. Sie wurden durch Scans und Kalibrierungen geschaffen. Aber jedes Mal, wenn ich Agil musterte, fragte ich mich, wie es möglich war, einen Körper zu haben, der ihn so gut repräsentierte.

180 Zentimeter waren mit Muskeln und Fett bepackt, sein Kopf ähnelte dem eines Pro-Wresters. Allerdings blieben die Haare aus und er hatte mit einer Glatze vorliebgenommen, obwohl die Haarpracht eines der wenigen Dinge war, die in SAO geändert werden konnten. Gesamt betrachtet, ließ ihn sein Äußeres, wie ein wildes, unbarmherziges Monster erscheinen.

Trotz allem war sein Gesicht warm und sein Grinsen herzlich. Dem Aussehen nach zu urteilen, war er Mitte zwanzig; zu gerne wollte ich wissen was er in der realen Welt tat. Aber eine unausgesprochene Regel besagte, dass nicht über die <andere Seite> gesprochen werden durfte.

Die beiden Augen, die unter seinen groben Augenbrauen waren, weiteten sich, als er das Handelsfenster sah.

„Hey, hey, das ist doch ein seltenes S-Rang Item. <Fleisch vom Ragout-Hasen>, das ist das erste Mal, dass ich es tatsächlich sehe...... Sag mal Kirito, du bist doch nicht so arm, oder? Spielst du nicht mit dem Gedanken, es selbst zu essen?“

„Selbstverständlich. Ich bezweifle auch, so etwas je wieder zu bekommen........ Aber es ist schwierig, jemanden zu finden, der es kochen kann........

Im selben Moment spürte ich ein Tippen auf meiner Schulter.

„Kirito-kun.“

Es war eine weibliche Stimme. Es gab nicht viele weibliche Spieler, die meinen Namen kannten. Aber in dieser Situation konnte es nur eine geben. Ich griff nach der Hand auf meiner Schulter und sagte:

„Meine Köchin.“

„Wa-......was denn?“, stammelte die Person mit unsicherer Miene. Immer noch ihre Hand in meiner.

Das kleine Gesicht war von einer langen, kastanienbraunen Haarpracht umgeben. Der Pony war sauber in der Mitte geteilt und die kastanienbraunen Augen strahlten aus voller Gänze. Der kleine Körper war von einer rot-weißen, kriegerischen Uniform bedeckt, und ein weiß-silberfarbenes Rapier hing an ihrer schmalen Taille.

Sie hieß Asuna. Sie war sehr bekannt; jeder in SAO wusste, um wen es sich handelte.

Es gab viele Gründe, warum sie beliebt war, aber der Hauptgrund war der, dass sie eine der wenigen weiblichen Spieler war. Außerdem hatte sie ein makelloses Gesicht, das kein anderer hatte.

In dieser Welt war es zwar schwer zu sagen, da die realen Körper der Spieler in der realen Welt lagen, allerdings waren wunderhübsche Frauen hier sehr selten. Vermutlich konnten die hübschen Frauen allesamt an einer Hand abgezählt werden.

Ein weiterer Grund war ihre rot-weiße Uniform, die zu der Gilde <Orden der Blutsritter> gehörte. Ihre Mitglieder, von <Knights of the Blood> abgeleitet, wurden als „KoB“ bezeichnet, und jeder wusste, dass sie die stärkste Gilde in Aincrad war.

Zwar bestand die Gilde nur aus etwa dreißig Spielern, aber jeder einzelne war auf einem hohen Level und allesamt waren erfahrene Kämpfer. Zudem war der Gildenmeister der stärkste Spieler und so etwas wie eine Legende in SAO. Und obwohl Asuna einen zierlichen Körper hatte, war sie die Vize-Meisterin. Da ihr Umgang mit dem Rapier sehr außergewöhnlich war, wurde ihr der Titel <der Blitz> verliehen.

Kurz gesagt waren ihre Gegenwart und ihr Umgang mit dem Schwert für 6000 Spieler wie ein Lichtstrahl am Horizont. Es wäre sehr merkwürdig, wenn sie nicht bekannt wäre. Sie hatte viele Fans, aber unter ihnen gab es einige Stalker, die sie virtuell verehrten, wiederum andere verabscheuten sie – es schien, dass sie eine harte Zeit hinter sich hatte.

Da sie eine hochklassige Kriegerin war, gab es nicht viele, die sie persönlich herausforderten. Aber die Gilde wollte ihre Sicherheit großschreiben und somit wurde sie oft von zwei oder mehr Bodyguards eskortiert. Selbst in diesem Moment befanden sich wenige Schritte hinter ihr Krieger in ihrer voll ausgerüsteten Metallrüstung und der gewohnten KoB-Uniform. Einer von ihnen, der sein Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte, musterte jemanden ausgiebig, jemanden, der Asunas Hand hielt – mich.

Ich ließ ihre Hand los, wedelte mit meiner in ihre Richtung und antwortete:

„Ungewöhnlich dich hier anzutreffen, Asuna. Was führt dich zu diesem Saftladen?“

Das Gesicht des Mannes mit dem Zopf und das des Shopinhabers verzogen sich jäh; warum? Zum einen, weil ich Asuna nicht mit ihrem Titel benannt und zum anderen......, weil ich diesen Laden als <Saftladen> bezeichnet hatte.

Asuna grüßte Agil freundlich. Kurz darauf setzte ich ein überspitztes Grinsen auf.

Aber dann wandte sich Asuna zu mir und schob die Unterlippe deutlich unzufrieden vor.

„Was soll das? Wir werden bald den nächsten Boss herausfordern, daher wollte ich nur sicher gehen, ob du auch wirklich noch am Leben bist.“

„Du hast mich doch in deiner Freundliste. Ein Blick genügt, um festzustellen, dass ich noch am Leben bin. Außerdem konntest du mich doch nur finden, weil du eine Freundsuche verwendet hast.“

Asuna drehte sich rasch um, als ich ihr antwortete.

Sie war nicht nur als Vizemeisterin einer Gilde tätig, sondern auch für die Organisation der Bosskämpfe verantwortlich. Daher war es ihre Aufgabe, selbstsüchtige Solo-Spieler wie mich ausfindig zu machen und sie in eine Grupper zu formieren, um gegen den Boss zu kämpfen. Aber mir allein deswegen einen Besuch abzustatten....... -es sollte ein Limit geben, wie weit eine Person jemanden bedrängen darf.

Nachdem Asuna in mein halb schläfriges, halb erregtes Gesicht starrte, legte sie ihre Hände auf die Hüfte und entgegnete mit überspitzer Stimme:

„Naja, schön, dass du noch am Leben bist. W-Wie auch immer, was meintest du eben mit „Meine Köchin“?“

„Ah–, Stimmt ja. Sag mal, wie hoch ist deine Kochfähigkeit gerade?“

Soweit ich wusste, trainierte Asuna ihren Koch-Skill, wann immer sie zwischen dem Schwert-Skill-Training Zeit fand. Sie beantwortete meine Frage mit einem stolzen Grinsen:

„Hör zu und sei überrascht! Ich habe ihn letzte Woche <Gemeistert>.“

„Wus–!?“

Ist– ist sie dumm?, dachte ich für eine Sekunde. Selbstverständlich könnte ich so etwas niemals laut aussprechen.

Es war ziemlich Geduld aufreibend und langwierig, Fertigkeiten zu trainieren. Wenn von <Gemeistert> die Rede war, dann bedeutete das, dass eine Fertigkeit 1.000 Mal aufgewertet wurde. Nebenbei gesagt: die Charakter-Level haben nichts mit den Skill-Leveln zu tun, denn sie stiegen nur für jeden erhaltenen Erfahrungspunkt. Außerdem werden damit Statuswerte erhöht wie HP, Stärke oder Gewandtheit. Auch war die Anzahl der <Skill-Slots> vom Charakter-Level abhängig. Sie entschieden, wie viele Fertigkeiten gelernt werden konnten.

Zurzeit habe ich zwölf Plätze. Aber die einzigen Fertigkeiten, die ich gemeistert habe, sind mein Einhand-Langschwert-Skill, mein Feindsuche-Skill und die Waffenverteidigungsfertigkeit. Also bedeutete das, dass dieses Mädchen eine Menge Mühe und Zeit in eine Fähigkeit gesteckt hatte, die im Kampf nicht einmal etwas taugte.

„.......Ich möchte dich gerne etwas Fragen und hoffe, ich kann auf deine Fähigkeiten zählen.“

Ich winkte sie zu mir heran und öffnete mein Menüfenster. Asuna schaute erst verdächtig, aber dann weiteten sich ihre Augen, als sie den Namen des Items las.

„Uwa–!! Ist......ist das ein S-Rang-Essensmaterial!?“

„Ich mach dir ein Angebot. Wenn du es für mich kochst, dann gebe ich dir ein Bissen ab.“

Bevor ich meinen Satz vollständig beenden konnte, riss Asuna <der Blitz> ihre Hand nach oben und packte mich am Kragen. Sie schob ihr Gesicht dicht an meines und hielt einige Zentimeter vor meinen Augen.

„Die – Häl – f – te!!“

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Mein Herz stoppte für einen Moment und ich nickte mit blankem Kopf. Als ich meine Gedanken wieder fassen konnte, war es schon zu spät und sie wirbelte aufgeregt mit ihren Armen umher. Naja, belassen wir es dabei. Es war nicht schlecht, in ihr liebliches Gesicht zu schauen; von nahem.

Ich schloss das Menüfenster, drehte mich zu Agil und sagte:

„´tschuldige, Agil, ich hab’s mir anders überlegt.“

„Ach, kein Problem…… aber hey, wir sind doch Freunde, nicht? Nicht?? Kannst du mir nicht einen Bissen abgeben......?“

„Ich schreib dir darüber einen Achthundertwörteraufsatz.“

„D-Das ist nicht dein Ernst, oder!?“

Nachdem ich Agil eiskalt abserviert hatte, rief er mir mit einer Stimme nach, als ginge die Welt unter. Sobald ich mich auf den Weg machte, griff mich Asuna am Ärmel.

„Aber........ich kann zwar gut kochen, aber wo soll ich es denn zubereiten?“

„Eh......“
Um etwas zubereiten zu können, war eine gute Kochumgebung nötig. Ein Herd und Töpfe sowie Zutaten sollten vorhanden sein. Ich hatte zwar all diese Dinge, trotzdem könnte ich die Vize-Meisterin der KoB-Gilde niemals an diesen schlampigen Ort einladen.

Asuna musterte mich mit einem ungläubigen Gesichtsausdruck.

„Dein Haus hat sowieso nicht die richtigen Utensilien. Dieses eine Mal gestatte ich dir, zu mir zu kommen und ich bereite es dort zu.“

Sie sagte so etwas schockierendes, ohne zu zögern.

Ich erstarrte, als würde ich <laggen>. Mein Gehirn versuchte, die Situation zu verarbeiten. Währenddessen ignorierte Asuna mich und wandte sich ihrem Gildenmitglied zu und bedeutete:

„Ich werde mich nach <Salmburg> teleportieren, also kannst du ruhig gehen. Danke für deine Zusammenarbeit.“

„A-Asuna-sama!! Es war schon eine schlechte Idee, dich hier in den Slum zu begleiten, aber noch so einen verrufenen Bengel zu dir nach Hause einzuladen – was denkst du dir dabei!?“

Ich konnte nicht fassen, was ich eben hörte. Mit <Sama> sprach er sie an. Er müsste einer der Verehrer sein. Als ich Asuna mit diesen Gedanken anschaute, verzog sich das Gesicht der fragenden Person.

„Er ist zwar etwas argwöhnisch, aber seine Fertigkeiten sind unzweifelhaft. Er ist wahrscheinlich auch 10 Level über dir, Kradeel.“

„So ein Unsinn. Sagst du etwa, ich könne es nicht mit so einem aufnehmen.......!?“

Die Stimme des Mannes vibrierte in der ganzen Umgebung. Er beäugte mich mit seinen harten Augen. Dann schnitt er eine Grimasse, die verriet, dass er sich an etwas erinnert hatte.

„Jetzt weiß ich es wieder...... Bastard. Du bist dieser <Beater>!“

Beater ist eine Mischung aus <Beta-Tester> und <Cheater>. Das Wort war für jene gedacht, die in SAO unfaire Methoden verwendeten. Ich habe es oft gehört. Aber jedes Mal schmerzte es mich sehr. Das Gesicht der Person, die mich als erstes so nannte und einmal ein Freund wurde, tauchte vor meinem geistigen Auge auf.

„Ja, so ist es.“

Nachdem ich es ihm emotionslos bestätigte, begann der Krieger, unruhig zu Sprechen.

„Asuna-sama, dieser Bengel schert sich ein Dreck um andere, solange es ihm passt! Du hast bei ihm nichts zu erwarten!“

Asuna, die die ganze Zeit über ruhig blieb, verbog die Augenbrauen. Eine Menschenmenge tauchte jäh auf, und die Worte <KoB> und <Asuna> flogen nur so umher.

Sie blickte sich um und befahl dem unruhigen Krieger:

„Es reicht für heute, zieh dich zurück. Das ist ein Befehl!“

Sie griff mit ihrer linken Hand nach meinem Gürtel, wandte sich in Richtung der Teleportationspforte zu und begann, nach vorne zu laufen; mit mir im Schlepptau.

„He-hey! Ist das ok?“

„Es ist schon in Ordnung!“

Naja, ich hatte auch keine Gründe, um ihr zu widersprechen. Wir schlugen uns durch die Masse und ließen die beiden Bodyguards, die noch immer ziemlich bestürzt waren, zurück. Als ich ein letztes Mal zurück blickte, tauchte der furiose Ausdruck des Mannes, der sich Kradeel nannte, in meinen Gedanken auf und verweilte dort wie eine Fata Morgana.


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